Hallo Armin,
ich kann Herrn Müller schon verstehen. Sein Beitrag ist sicher etwas emotional und auch nicht frei von Widersprüchen, aber Deine flapsige Bemerkung gegen Optiker - wie sich die meisten "Brillenverkäufer" selber nennen - hat seine Reaktion provoziert.
Schau Dir doch mal die deutsche Käuferseele an.
Man hat keine Ahnung, läßt sich vom Fachmann kostenlos beraten und kauft es dann besonders billig bei dem Lieferanten, in dessen Kalkulation eine Beratung nicht vorkommen muß. Das ist mittel- und langfristig ein Schuß in den Ofen, aber da bekanntlich Geiz geil ist und die Gehirne klein, fällt das der deutschen Käuferseele immer nur dann auf, wenn man wieder mangels Nachfrage ein paar tausend Arbeitsplätze im Handel verliert und man zufällig zu den Betroffenen zählt.
Wir sind hier in einem Astroforum, aber trotzdem sollte man die Reaktion von Herbert Müller einmal ernst nehmen. Die verantwortlichen Manager der großen Handelsketten haben begriffen, daß wir Deutsche besonders dämliche Exemplare sind. Wir interessieren uns nur für den Preis, was wohl damit zusammenhängt, daß wir mit unseren Pisagehirnen komplexere Zusammenhänge nicht verstehen können. Also bekommen wir einen passenden Preis. Die Aufgabe des Handels ist es nun, trotz passendem Preis noch Geld zu verdienen. Da gibt es aber schon ein paar Stellschrauben.
Qualität runter, Service runter, Beratung runter, Ersatzteile und Reparaturleistung runter. Schaut man sich in Westeuropa um, so fällt auf, daß die dortigen Käufer viel komplexer denken und höhere Ansprüche an den Handel haben, als die ausschließliche Fixierung auf den Preis. Wir hatten eine Tagung in Frankreich, die ich dann auch zu einem Stadtbummel genutzt habe. Die Franzosen sind nicht so blöd, die wollen den besten Gegenwert für Ihr Geld. Das ist aber mehr als nur ein billiger Preis.
Jetzt besteht in Deutschland ein Überangebot an Handelsfläche, nicht an Beschäftigten im Handel. Weil aber der Pisadeutsche, also rund 95% der Bevölkerung nur nach dem Preis schaut, findet der sicher notwendige Verdrängungswettbewerb im Handel nicht über Qualität, sondern nur über Preis statt. Ich würde keinem Schüler empfehlen, einen Beruf im Einzelhandel anzustreben, es sei denn als Regalbeschicker oder Reinigungskraft. Der Fachverkäufer wird aussterben in Deutschland.
Zu ihrem eigenen Schaden schaffen es viele Händler nicht, für sich Alleinstellungsmerkmale, also spezielle und individuelle Anreize zu schaffen, die Kunden veranlassen, ihr Angebot anzunehmen.
Der Optiker an der Ecke hat da sehr schlechte Karten und in einer defensiven Situation fehlt es an Weitblick, denn wer ums Überleben kämpft, setzt sich nicht Sonntags hin und arbeitet sich in Themen wie Ferngläser, Fernrohre oder Mikroskope ein. So kommt zur schwierigen Wirtschaftslage noch ein schlechtes Beratungsimage. Ich befürchte schwere Zeiten für unsere Optiker.
Der Handel wird noch ein paar blutige Jahre haben, bis die gemeinsamen Anstrengungen von Kunden und Marktbeherrschern es erreicht haben, die Verkaufsflächen in Deutschland zu halbieren. Dann gibt es weniger Wettbewerber und eine Möglichkeit, wieder auskömmliche Preise am Markt zu erzielen. Davon werden aber die meisten kleinen und mittleren Anbieter dann nichts mehr haben, hoffen zumindest die Herren bei Metro, Karstadt, Fielmann, Kamps und Kollegen.
Gleichzeitig wird es aber auch vielen mittelständigen Optikanbietern an den Kragen gehen, denn die großen wollen keine Premiumware, sie wollen es billig und möglichst aus Fernost, weil, hier schließt sich der Kreis, die Kunden sich so selbstkonditioniert haben.
Wenn Kleine überleben, dann sicher nur in der Nische.
Wolfgang Henseler
