Ein örtlicher Fotohändler bot die Gelegengheit, ein Noctivid für ein paar Tage auszuleihen und zu testen. Dies habe ich übers Wochenende genutzt.
Ich bin kein Testspezialist und das Glas ist ja schon eine Weile auf dem Markt, neues habe ich also kaum zu berichten. Das hindert mich aber nicht daran, dennoch mal von meinen Eindrücken zu erzählen ;)
Mein hauptsächlich genutztes Glas ist nun schon eine ganze Weile ein Ultravid 8x24 HD ohne plus. Mit diesem konnte ich ausgiebig vergleichen, und es ist auch meine einzige Referenz. Ein EL hatte ich ein paar Mal in der Hand, ein SF oder NL noch nicht.
Insgesamt fand ich das Noctivid überraschend deutlich besser als das Ultravid. Und das schon beim ersten in die Hand nehmen und durchschauen. Es ist einfach unglaublich bequem. Der Einblick, die optimale Augenmuschelposition ruckzuck gefunden, alles passt sofort. Auch den Durchgriff empfand ich sofort als deutlich bequemer als mein Ultravid.
Da wir extremen Schnee übers Wochenende hatten, ein Tag mit Sonne, ein Tage nur Schneegestöber, waren die Testbedinungen draussen etwas speziell.
Der sonnige Tag in weisser Landschaft gab gute Gelegenheit, extreme Lichtsituationen zu testen. Das Noctivid ist da beeindruckend. Mein Ultravid ist in dieser Disziplin schon sehr gut, aber es gibt an der flachen Sonne doch einige Reflexe und flüchtige Schleier zu sehen. Im Noctivid: nichts.
In der schneeweissen Welt lässt sich die Farbwiedergabe besser beurteilen als sonst. Die warme Farbgebung ist deutlich merkbar. Aber nur wenn man gezielt danach schaut, der Blick durchs Fernglas erscheint nie unnatürlich, aber eben Leicatypisch warm. Ähnlich wie das Ultravid, das vielleicht noch etwas mehr ins rötliche tendiert.
Die Handhabung draussen ist intuitiv und bequem. Der Durchgriff funktionniert für mich gut. Fokushand mit Mittelfinger auf der Brücke und 2 Finger im Druchgriff. Die andere Hand etwas versetzt dahinter mit 3-4 Fingern im Durchgriff. Anfangs kommen sich die beiden Hände etwas in die Quere, aber ich habe keine Zweifel, dass ich mich sehr schnell eingewöhnen würde. Und der Wechsel zum Ultravid und zurück bestätig jedes Mal: deutlich bequemer. Ich bin sicher, dass das SF mit mehr Platz und der anderen Fokusradposition, und natürlich das neue NL noch bequemer zu packen sind. Aber das ändert nichts daran, dass das Noctivid ein sehr bequemes Glas ist.
Der Fokus ist makellos, super. Ich weiss, dass mein Ultravidfokus ein ruckeliges Biest ist, aber in der Praxis stört mich das nie, er funktioniert und ich verschwende im Feld keinen Gedanken an den Fokustrieb. Aber so im direkten Vergleich mit dem Noctivid ist der Unterschied frappierend.
Der Pupillenabstand beim Noctivid ist deutlich grösser als beim Ultravid. Ich bin zwar kein Brillenträger, aber aufgrund meiner Gesichtsform (Neandertalergene?) hab ich oft Schwierigkeiten, die passende Einstellung der Augenmuscheln zu finden. Bei beiden Leicas klappt das bei mir, aber beim Ultravid ist das fast vollständig eingedreht und beim Noctivid in der zweitäussersten Position (bei den Bildern unten ein Vergleich).
Optik, ja wie gesagt, ich bin kein Testspezialist, ich schau einfach durch. Hier empfand ich die Unterschiede nicht mehr so deutlich. Mittenschärfe super beim Noctivid, aber ich kann keinen Unterschied zum Ultravid erkennen. Farbsäume finde ich bei beiden schon leicht ausserhalb der Mitte schnell, wenn ich danach suche (normalerweise suche ich die nicht und sie haben mich beim UV in der Praxis nie gestört). Bei der Randschärfe ist das Noctivid besser, aber das interessiert mich nicht. Das Noctivid ist etwas, aber merkbar heller als das Ultravid (HD ohne plus). Das etwas grössere Sehfeld des Noctivid sieht man, aber es ist mehr ein diffuser Eindruck als ein deutlicher Unterschied. Der deutlichste Unterschied ist aber doch die Streulichtkontrolle, und das macht es wohl, dass mir das Bild des Noctivids deutlich besser erschien, und zwar in fast allen Situation. Vielleicht liegts auch am viel diskutieren Kontrast, aber weiss nicht recht, wie ich das beurteilen soll.
Das Gewicht, ja, deutlich und merkbar schwerer. Merkt man direkt beim in die Hand nehmen. Mit einem Kreuzgurt (wie ich einen benutze) wär das aber wohl tolerierbar.
Ja, ein tolles Glas. Auch wenn ich die Top-Gläser der Konkurrenz nicht kenne, ich denke das Noctivid spielt da in der gleichen Liga mit. Das "Problem" ist sicher, dass das Noctivid nicht mit eindeutigen Topmerkmalen wie Randschärfe und Sehfeld auftrumpfen kann, sondern dass sich seine Stärken (Benutzerfreudlichkeit, Streulichkontrolle) erst in der längeren Nutzung so richtig erschliessen.
Für mich selber ist klar: einen Upgrade werde ich nicht machen, dafür ist mein Ultravid doch noch mehr als gut genug und ich muss doch etwas aufs Geld schauen. Bei einem Erstkauf wär für mich aber die Sache klar, der Mehrpreis wärs mir wert und ich würde klar das Noctivid nehmen.
Eigentlich spiele ich ja eher mit dem Gedanken an ein 8x32 und ich muss sagen, Weitwinkel ist für mich doch ein grosses Argument. Vielleicht muss ich mir jetzt schnell das SF 8x32 anschauen, bevor dann doch noch das Noctivid 8x32 auf den Markt kommt und die Wahl wieder schwieriger wird...
Ach ja, und das Noctivid sieht toll aus, besonders in olivgrün. Und die Bauqualität ("Wertigkeit") ist wie man es von Leica erwartet, Top.
Hier noch ein paar Fotos von den Testbedingungen und den Gläsern: [
photos.app.goo.gl]
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 19.01.21 22:00.
