Kern Aarau Focalpin 10x60
Ich habe dieses Glas vor ein paar Tagen bei Ebay ersteigert.
Die Fotos hatten kaum Aussagekraft und so hielten sich die Gebote in Grenzen.
Am Ende war ich der Höchstbietende und gestern kam das Paket.
Für alle, die dieses Glas nicht kennen: Es ist eines der wenigen oder sogar das einzige
Fernglas in Porro-Bauweise, dass eine echte Innenfokussierung besitzt.
Es wurde meines Wissens in den 1950er bis in die 1960er Jahre in den Kenngrößen 6x40, 7x50 und 10x60 gebaut.
Es wurden wohl keine großen Stückzahlen produziert, zumindest liegt der Verdacht nahe,
da dieses Fernglas nur äußerst selten angeboten wird.
Vermutlich war das Focalpin konstruktionsbedingt so teuer, dass nur wenige es sich leisten konnten.
Genaue Zahlen liegen mir jedoch nicht vor, vielleicht weiß ja jemand hier im Forum noch genaueres aus alten Prospekten oder Berichten.
Nun die erste Ernüchterung beim Auspacken: Das gute Stück hat doch merklich Kellergeruch.
Nicht so, dass man rückwärts die Treppe runterfällt, aber deutlich wahrnehmbar.
Kellergeruch bedeutet bei Ferngläsern in den meisten Fällen nichts Gutes, auch bei diesem Exemplar nicht.
Die Prismen, die Fokussierlinsen und vermutlich auch die Feldlinsen der Okulare sind so stark beschlagen, dass eine Beurteilung der optischen Leistung kaum möglich ist.
Aber immerhin: Kein Glaspilz, keine Kratzer auf den Objektiven und den Okularen, keine Entkittung der Linsenelemente und vor allem keine Muschelbrüche der Prismen.
Die Mechanik arbeitet tadellos, die Belederung ist fest.
Nun könnte ich mich ja glücklich schätzen ein funktionstüchtiges Focalpin mein Eigen zu nennen und es zu den anderen Schätzchen in das Regal stellen.
Ich würde es von Zeit zu Zeit herausnehmen, ein bisschen streicheln, aber ohne
durchzuschauen, denn das frustriert ja nur und wieder wegstellen.
Für mich besteht der Reiz alter Ferngläser aber nicht ausschließlich im Betrachten, sondern hauptsächlich im Benutzen.
Es wird mir nichts anderes übrigbleiben, als auch dieses Glas zu zerlegen, zu reinigen, zu fetten, wieder zusammen zu bauen und zu justieren.
Auch wenn ich durchaus Erfahrung mit dem Reparieren von Ferngläsern habe, wird dieses Glas möglicherweise eine Herausforderung werden.
Das hervorragende Buch von Hans T. Seeger “Feldstecher, Ferngläser im Wandel der Zeit” zeigt auf Seite 86 eine Konstruktionszeichnung der von der Fa. Kern Aarau entwickelten Mitteltrieb- Innenfokussierung.
Sieht spannend aus, aber auch sehr filigran.
Eine solche Konstruktion hatte ich noch nicht auf dem Tisch.
Ich werde heute damit anfangen das Glas zu zerlegen und berichten, welche
Geheimnisse der schweizerischen Ingenieurskunst das Focalpin uns bereit ist preiszugeben.
Holger Ullmann