Die Neugier war bei mir sehr groß, einmal ausgiebig ein bildstabilisiertes Fernglas auszuprobieren, was aber nur über einen Kauf geht. Die neuen Canon-Modelle (10/12/14x32 IS) waren wir für diesen Zweck zu teuer, und so fiel mein Augenmerk auf die seit einiger Zeit erhältlichen Kamakura-Modelle mit mit 28/30 mm Objektivdurchmesser, von denen inzwischen einige Varianten erhältlich sind (Fujinon, Kenko, Kite, Sig Sauer, Vixen). Vor einiger Zeit kam das Opticron Imagic IS (
https://www.opticron.co.uk/our-products/binoculars/imagic-is-image-stabilised-binoculars/imagic-is-12x30) dazu, das meinen Vorstellungen am nächsten kommt (weitwinkliges Sehfeld, Standardbatterien, einiges günstiger als das Kite). Es ist als 10x, 12x und 14x30 erhältlich. Ich habe mich für die 12-fach-Version entschieden, mit 10-fach kann man unter günstigen Umstäden noch aus der freien Hand beobachten und das 14x30 ist mir zu lichtschwach. Die Prägung der US-Patent-Nummer 9.395.551 auf der Unterseite stellt eindeutig den Bezug zu Kamakura her (
https://patents.google.com/patent/US9395551B2/en).
Nach einigen Monaten kann ich jetzt meine Eindrücke wiedergeben, ein Vergleich mit anderen Marken wie Canon oder Fujinon war mir leider nicht möglich:
Ergonomie
Als erstes fällt auf, wie kompakt das Glas ist, es wirkt kaum größer als normale 30 mm-Gläser. Auch das Gewicht (620 g incl. Riemen, Objektivschutz und Batterien; selbst gewogen) hält sich sehr im Rahmen. Durch die angerauhte Teilarmierung lässt es sich gut anfassen. Der Mittentrieb befindet sich bauartbedingt direkt hinter den Objektiven und ist damit in der Bedienung etwas gewöhnungsbedürftig, was aber schnell geht. Bei mir geht es gut mit Mittel- und kleinem Finger zusammen. Er ist allerdings etwas schwergängig, was gerade bei bei der recht hohen Vergößerung das Scharfstellen erschweren kann. Mit der Zeit wurde die Fokussierung etwas leichtgängiger. Der Ein-Aus-Schalter für die Stabilisierung ist etwas fummelig, aber auch daran gewöhnt man sich schnell. In jedem Fall ist es angenehm, dass man nichts gedrückt halten muss und wenn man das Ausschalten vergisst, schaltet sich die Stabilisierung nach 5 Minuten von selber ab.
Die Austrittspupille stellt für mich mit 2.5 mm Durchmesser die Untergrenze für einigermaßen entspanntes Beobachten dar. Für mich ist der Einblick in seiner Gesamtheit gut, aber wie immer ist das sehr individuell. Auch mit meiner Brille kann ich das gesamte Sehfeld überblicken. Der Dioptrienausgleich befindet sich am rechten Okular und ist durch seine Schwergängigkeit gut gegen versehentliches Verstellen geschützt.
Verarbeitung
Das Glas wird entsprechend seiner Preisklasse in China produziert, macht aber gleichwohl einen wertigen Eindruck. Nur der Ein-Aus-Schalter wirkt nicht sehr stabil, zeigt aber bislang keine Probleme. Im Bereich der beiden Objektive befindet sich eine Gummierung, die Stöße gut abfedern kann. Das Glas ist nicht wasserdicht, Opticron klassifiziert es mit IPX-4 (Schutz gegen allseitiges Spritzwasser).
Optische Eigenschaften
Das Sehfeld ist mit 5 Grad Öffnung weitwinklig, was bei den weiteren Kamakura-Derivaten mit 12-facher Vergrößerung nicht der Fall ist. Die Bildschärfe im Zentrum ist sehr gut, nimmt ab geschätzt 2/3 des Sehfelds nach außen langsam ab, was mich persönlich nicht stört. Die von Pinac bei der “Verwandschaft” (Kenko, Vixen und Fujinon) beschriebene mittelmäßige Zentralschärfe (
https://binocular.ch/vixen-atera-h-12x30/) kann ich hier nicht bestätigen. Entweder ist sie besser oder ich hatte Glück bei der Serienstreuung.
Trotz wahrscheinlich nicht verbautem HD/ED-Glas ist die Farbwiedergabe überraschend gut, die chromatische Aberration kommt mir ziemlich gering vor. Auch bei leichter Dämmerung lässt sich das Glas noch gut verwenden.
Gegenlicht stellt kaum ein Problem dar, bei starken Lichtquellen treten ab und an Spikes auf. Wer an die Alpha-Klasse gewöhnt ist, wird natürlich die Unterschiede bemerken, hier muss aber berücksichtigt werden, dass der Preis auch die Stabilisierung umfasst.
Stabilisierung
Wenn man das Ohr direkt auf Höhe der Prismen an den Korpus drückt, kann man bei eingeschalteter Stabilisierung das feine Summen der Mikromotoren hören, beim Beobachten ist für mich kein Geräusch hörbar. Insgesamt funktioniert die Stabilisierung sehr gut, der Hersteller gibt 3° als maximale Auslenkung an, die korrigiert werden kann. Das Bild wird nicht vollständig eingefroren; leichte, die Erkennbarkeit nicht störende Schwankungen bleiben übrig. Für mich verblüffend ist, dass die Stabilisierung auch unter schwierigen Umständen funktioniert. Vom Sturmtief Nadia blieb sie unbeeindruckt und bei starkem Wind an der Küste macht sie das Beobachten per Fernglas erst möglich. Natürlich vom Beifahrersitz aus habe ich das Beobachten aus unserem fahrenden Auto heraus probiert, auch hier bleibt das Bild erstaunlich ruhig, auf der Autobahn waren die Nummernschilder weit vorausfahrender Autos ablesbar. Ebenso faszinierend ist, das hier bei bei 12-facher Vergrößerung Einhand-Beobachtung möglich ist. Eine Domäne dieses Glases ist die die Beobachtung des Monds, bei der im Vergleich zu nicht stabilisieren Gläsern wesentlich mehr Krater und Strukturen ausgemacht werden können. Die Stabilisierung erfordert zwei AAA-Batterien, ich verwende problemlos eneloop-Akkus.
Fazit
Das Opticron Imagic IS 12x30 ersetzt sicherlich kein weitwinkliges Universalglas, schon die höhere Vergrößerung und geringere Lichtstärke schränken den Einsatz ein. Es stellt aber eine sehr gute und handliche Ergänzung dar, besonders geeignet ist es für Naturbeobachtungen am Tage, für Plane Spotting sowie für Beobachtungen bei Wind oder von schwankendem Untergrund aus.
Viele Grüße aus dem Campingurlaub in Südfrankreich,
Christian
