Sehr geehrter Herr Schön!
Vielen Dank für Ihre Antwort und das Versprechen der Akzeptanz!
Durch die Osterfeiertage und meinen (leider auch in den Feiertagen) beruflichen Verpflichtungen, ist das Fernglasforum bei mir etwas in den Hintergrund geraten. Trotzdem will ich Ihnen einen kleinen Gedankengang zum Sinn und Zweck unseres "Streitgegenstandes" nicht vorenthalten.
Evtl. "erhellt" es doch unsere Widersprüche.
Mir scheint nämlich, was unsere Auffassungen über Sprache und Kompaktkameras anbelangt, so etwas wie eine "Spiegelung" stattzufinden.
Wo Sie quasi auf althergebrachter Kultur begründet beharren (Sprache) bin ich bereit trotz Qualitätsabstrichen einer neuen Art der Kommunikation Rechnung zu tragen, während Sie bei Kompaktkameras einem Zweck widerspruchslos zustimmen, bei dem ich (aus althergebrachten kulturellen Gründen) dagegen spreche.
Solange Deutschland führend war im Kamerabau - und damit auch mitbestimmte was Sinn und Zweck einer Kompaktkamera sein sollte- solange war eine Kompaktkamera zwar klein und leicht, aber qualitativ von allererster Güte und auch vom Anspruch her absolut von der Kunst des Fotografieren geprägt. Voigtländer, Leica, Schneider(Robot-objektive) etc.- Objektive und Abbildungsleistung standen stets neben der Kompaktheit im Vordergrund. Der Fotograf sollte immer "alle" Möglichkeiten des Zugriffs und der Gestaltung haben. Hintergrund dieses Ansatzes ist mit Sicherheit auch ein abendländischer Kunstbegriff, der sich am Ausdruck eines Kunstwerkes orientiert (mal ganz kurz gesagt).Wo es um Verdichtung, Verinhaltlichung geht. Vorbereitung und Nachbearbeitung nahelegt um bloße Realität zur Essenz zu gestalten.
Im Zusammenhang mit dem Sterben der deutschen Kameraindustrie und den Beginn der (damals noch) japanischen Vorherrschaft ist es für mich jetzt durchaus naheliegend, daß Kameras aus diesem anderen Kulturkreis auch andere Prämissen haben bzw. sich ihr Charakter an den sie benutzenden Menschen orientiert. Die stets und überall fotografierenden asiatischen Menschen sind uns allen ja ein Begriff!
Die beste Begründung für dieses Phänomen die mir hier untergekommen ist, ist die, daß z.B. Japan ja eine große Zen-Tradition hat und hier die Bedeutung des "Jetzt", des Augenblicks eine sehr große Rolle spielt. Eine berühmte Zen-Aufgabe z.B. ist, den Klang einer Glocke im Anschlag "festzuhalten" (also innerlich einzufrieren).
Fotografie ist dazu wie geschaffen, aber natürlich nicht mit den "Jetzt-zerstörenden" Apparaten herkömmlicher Bauart.
Diese (mögliche) andere Haltung zur Fotografie (wenn man unterstellt, daß Hochkultur immer auch auf Basiskultur zurückwirkt),wo statt großer Bildaussage das "Jetzt" wichtig ist führt folgerichtig dazu Kameras zu konzipieren, die dieses "Jetzt" für die Masse unkompliziert einfangen.Die nicht das "Jetzt" behindern durch manuelle Scharfstellung oder Gedanken um Inhalte.
Leere deinen Geist und drücke (ohne Willen und Absicht) auf den Auslöser...
Genau dies hat die jap. Kameraindustrie getan. Automatikknipsen fluteten die Märkte. Digital hat man das selbstverständlich noch weiter getrieben, aber ich bleibe bei meinem Standpunkt, daß das eben auf dem Boden einer Kultur gewachsen ist, die nicht die meine ist, bzw. daß diese Art Kompaktkamera eben eher Werkzeug für eine andere Kultur ist, als die die hier von etablierten Fotofirmen einst praktiziert wurde.
Über Streetfotografie, Lomografie kommt diese Ästhetik ja letzlich auch bei uns an und am Ende vermischt sich alles, das ist gewiß unausweichlich.Man mag diese Gedanken für weit hergeholt halten- die meisten Nutzer dieser Kameras aus hiesigen Gefilden freuen sich wahrscheinlich einfach über die Einfachheit und sind zu faul, um fotografisch denken zu wollen, aber das war in den 70er oder 80ern doch nicht zwingend.
Vor diesem Hintergrunde verstehen Sie jetzt vielleicht besser, warum ich der (ausgerechnet japanischen :-)) Firma Sigma dankbar bin, ein Werkzeug entwickelt zu haben, was eher in der Tradition abendländischer Kompaktkameras steht (die DP-1).
liebe Grüße - Matthias