Sie haben sich eine große Mühe gemacht, mir Zusammenhänge zu erklären, die mir vorher schon sehr gut bekannt waren. Den meisten Darstellungen kann ich zustimmen, einige Korrekturen werde ich nachfolgend angeben. Aber Ihre Argumentation scheitert, weil Sie die Auswirkung der aus einer vermuteten Windschiefe der Knickbrückenachse bei geändertem Knickwinkel resultierenden Vergenzvergrößerung um ca. 3,45° fälschlich auf die für das räumliche Sehen maßgebliche Disparation umrechnen, die aber davon überhaupt nicht betroffen wird. Damit nicht nur Sie, sondern auch andere mit Optik, Geometrie und dem Auge noch habwegs vertraute Leser des Forums unserer Diskussion folgen können, werde ich versuchen, alle Erklärungen möglichst einfach und anschaulich zu formulieren (worum ich mich eigentlich immer bemühe, was aber bei einem komplizierten Sachverhalt wie hier, der selbst Leute wie Sie ins Schleudern bringt, gar nicht so einfach ist). Ich werde deshalb zum leichteren Verständnis z.B. manchmal von „Schielwinkel“ statt „Vergenz(winkel)“ reden.
Bevor es zur Sache geht, möchte ich Ihnen bestätigen, daß es auch mir um die korrekte Darstellung der Situation und nicht darum geht, jemanden vorzuführen. Solange wir unterschiedlicher Meinung sind, betrachte auch ich es als eine Art sportlichen Wettbewerb, an dessen Ende auch der Verlierer erhobenen Hauptes vom Platz gehen kann, solange er sich fair verhält. Denn es handelt sich ja nicht um triviale Zusammenhänge, deren falsche Interpretation ihm das Etikett „Dummheit“ anhefteten. Jeder kann sich irren oder auch mal „auf dem Schlauch“ stehen, wie es salopp heißt, wenn jemand irgendein entscheidendes Argument übersehen oder fehlinterpretiert hat oder gar den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Soviel zur Ehrenrettung derjenigen Person von uns beiden, die um Schluß zugeben muß, sich an irgendeinem Punkt der Argumentationskette geirrt zu haben.
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Die Vergenzvergrößerung (Schielwinkelvergrößerung) um ca. 3,45°, über die wir uns einig sind, hat doch nur zur Folge, daß bei jeder beliebigen Entfernung bis zur Nahgrenze von 2 m des hier zur Debatte stehenden Fernglases Zeiss Victory 8x32 FL die Augenachsen um eben diese 3,45° stärker konvergieren müssen, als das bei einem perfekt kollimierten Fernglas bei derselben Beobachtungsentfernung der Fall wäre. Ich habe in meinem vorherigen Beitrag (in Absatz 4.3) gezeigt, daß dies je nach angenommener Augenweite von 70 mm oder 60 mm bei dieser Nahgrenze des Fernglases und unter Berücksichtigung seiner 8fachen Vergrößerung zu einem maximalen Schielwinkel von 19,39° führt. Weil dies nur ca. 2/3 des maximal möglichen Schielwinkels von ca. 30° ist, kann die Augenmotorik dies problemlos leisten, um die Bilder beider Augen auf den betrachteten Gegenstand zu fusionieren. Wenn das geschieht, dann wird DIESER fixierte Gegenstand nicht als Doppelbild gesehen. Sollte Herr Nickel derjenige mit der kleineren Augenweise 60 mm gewesen sein, so wäre sein maximal notwendiger Schielwinkel sogar nur 17,14° gewesen, also noch weiter vom Grenzwert um 30° entfernt. Damit wäre meine Argumentation eigentlich auch schon fertig, denn nur dann, wenn genau dies nicht mehr oder nur noch mit erheblicher Anstrengung und deshalb Kopfschmerzen als Nebenwirkung möglich wäre, hätten Sie mit Ihrer Vermutung recht.
Ich muß aber dennoch weitere Erklärungen abgeben, um verständlich zu machen, was Sie falsch gemacht haben, weil Sie mit weiteren Dingen (weitgehend richtig) argumentieren, die aber mit dem Problem gar nichts zu tun haben. Ich werde jetzt ab und zu Zitate aus Ihrem Beitrag buchstabengetreu einkopieren und jeweils danach argumentieren.
• Zitat: „... der maximale Vergenzwinkel der Augen für Naheinstellung von ca. 30° spielt für die Wahrnehmung von Doppelbildern nicht die entscheidende Rolle, wie Sie glauben. Jenseits dieses Wertes treten im Nahbereich Doppelbilder auf, das ist schon ganz richtig, aber sie tun das nur, weil die Augen bei diesem Wert auf Anschlag stehen und dort stehen bleiben.“
• Antwort: Ich bin hier mit allem einverstanden außer mit dem „aber ... nur“ im Satzteil „aber das tun sie nur, weil ...“, und zwar deshalb, weil es den Eindruck erweckt, ich hätte eine andere Begründung als die von Ihnen angegebene behauptet und so unterschwellig einen Fehler in meiner Aussage unterstellt. Ich hoffe, Sie können zustimmen, wenn ich diesen Satzteil ändere in „und das tun sie, weil ...“.
• Zitat: „Die Menge aller links und rechts korrespondierenden Bildpunkte auf der Retina nennt man den Horopter. Die Lage dieser Punkte ändert sich nicht nur mit welchsender Entfernung des beobachtetenden Objekts, sondern auch beim Blicken nach lins oder rechts, was jeweils zu charakteristischen Verformungen des Horopters führt. Woraus das Gehirn die für die richtige Zuordnung der Bildpunkte notwendige Information über die Entfernung ermittelt und wie diese ständig wechselnde Zuordnung und Interpretation des Horopters überhaupt abläuft, ist eine höchst komplexe und meines Wissens ungelöste wissenschaftliche Frage.“
• Antwort: Auch hier bin ich bis auf zwei nötige Korrekturen einverstanden, doch hat der Horopter mit dem hier diskutierten Problem von Herrn Nickel absolut nichts zu tun, wie sich noch weiter unter zeigen wird. Die erste Korrektur betrifft Ihre Definition des Horopters. Er ist nicht „die Menge aller ... Bildpunkte auf der Retina ...“, sondern „die Menge aller Gegenstandspunkte, deren Bildpunkte auf der Retina links und rechts korrespondieren ...“. Daß Sie wahrscheinlich nur falsch formuliert und nicht falsch gedacht haben, geht indirekt daraus hervor, daß Sie von der Verformung des Horopters sprachen. Denn wenn es die Bildpunkte auf der Netzhaut wären, hätte der Horopter immer die Form der annähernd kugeförmigen Netzhautfläche. Die zweite Korrektur betrifft den von Ihnen formulierten funktionalen Zusammenhang von Horopterverformung und Informationen über die Entfernungen. Die Entfernungen werden zwar vermutlich unter Einbeziehung der Horopterverformung (im Nahbereich unter ca. 2 m ist er konkav, darüber konvex und etwa bei 2 m annähernd eben), aber nicht auf deren Basis, sondern vornehmlich auf Basis der Vergenz (des Schielwinkels) bestimmt, wobei allerdings weitere Parameter wie Größenverhältnisse, Strukturfeinheit, Verdeckungen, Querverschiebungen bei Kopfbewegungen usw. ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, die teilweise unterstützend wirken, manchmal auch allein (wenn man einäugig z.B. durch ein Loch oder ein monokulares Instrument schaut) wirksam sind und manchmal, vor allem bei widersprüchlichen Ergebnissen, auch zu optischen Täuschungen führen können.
• Zitat: „Wenn Sie recht hätten, dürften Doppelbilder nur im Nahbereich auftreten. Jeder weiß, dass dem nicht so ist, Doppelbilder können ja auch im Unendlichen auftreten. Die entscheidende Frage ist, ab welcher Winkeldifferenz, also welcher Abweichung von der Blickrichtung eines natürlicherweise konvergierten Auges auf der Retina ein Bild entsteht, das relativ zum ursprünglichen Bild auf eben dieser Retina vom Gehirn als verschoben interpretiert wird. Nach meiner Kenntnis muß das Bild auf der Retina eines Auges dazu um ca. 0,6mm verschoben werden relativ zum ursprünglichen Bild bei wahrgenommener Deckungsgleichheit. Das ist der entscheidende Wert.“
• Antwort: Hier stellen Sie eine Behauptung auf, die Sie nicht belegen können. Ich hatte nirgendwo behauptet, daß Doppelbilder nur im Nahbereich auftreten können. Ich habe mich lediglich allein auf die im Nahbereich bei Fusionsstörungen auftretenden Doppelbilder beschränkt, z.B. wegen Überschreitung des maximal möglichen Schielwinkels von ca. 30° durch den zur Fusion nötigen Schielwinkel, weil nur diese bei einem von Ihnen vermuteten Fernglas mit nichtparallelen optischen Achsen relevant sind. Und da bei der festgestellten Winkelabweichung von 3,45° der bis zur Nahgrenze des Fernglas wachsende Schielwinkel im ungünstigsten Falle nur 19,39° groß wird, also noch weit unter der 30°-Grenze bleibt, kommt es eben nicht zu dieser Art von Doppelbildern, die (oder deren Vermeidung durch übermäßige Anstrengung beim extremen Schielen) Herrn Nickel eventuell Kopfschmerzen bereitet haben könnte.
Die Doppelbilder, die Sie nun hier neu ins Spiel bringen, werden von mir nirgendwo geleugten, haben aber mit unserer Frage nach der Ursache von Herrn Nickels Kopfschmerzen nichts zu tun. Sie meinen nämlich die Doppelbilder, die entstehen, wenn beim Fixieren auf einen Gegenstand(spunkt) andere Gegenstandspunkte in näherer oder weiterer Entfernung zu einer Querdisparation über dem von Ihnen genannten Wert von 0,6 mm führen. Zunächst ist der Wert 0,6 mm nur ein sehr grober Näherungswert, weil die maximale Querdisparation, bis zu der das Gehirn eine Verschmelzung ohne Doppelbild schafft, u.a. vom Netzhautort und von der Ortsfrequenz abhängig ist. Aber wir können gern bei diesem Wert bleiben, um die Sache einfacher zu machen. Man nennt den Bereich um einen korrespondierenden Netzhautort herum, innerhalb dessen diese Verschmelzung möglich ist und den wir mal ganz grob mit einer Ausdehnung von ca. 06 mm annehmen wollen, den Panum-Bereich (nebenbei: das lateinisch klingende Wort Panum ist nicht lateinisch, sondern der Name eines Physiologieprofessors Peter Ludvik Panum, der sich um die Erforschung dieser Zusammenhänge sehr verdient gemacht hat). Diesem Panum-Bereich um jeden Netzhautpunkt entspricht objektseitig eine Tiefenzone vor und hinter jedem Objektpunkt auf dem Horopter, und die Gesamtheit aller Panum-Bereiche entspricht der Gesamtheit aller dieser Tiefenzonen, also einer räumlichen und ähnlich wie der Horopter gekrümmten Zone beiderseits des Horopters (davor und dahinter), die man Panum-Raum nennt. Alle Gegenstandpunkte dieses Panum-Raums haben die Eigenschaft, von den auf einen Punkt des Horopters fixierten Augen ohne Doppelbilder gesehen und in räumlicher Tiefe wahrgenommen zu werden. Alle Punkte vor und hinter dem Panum-Raum dagegen führen zu einer Querdisparation auf der Netzhaut, die keine Verschmelzung der Bilder mehr zuläßt und Doppelbilder entstehen läßt.
Nur: Diese Art Doppelbilder ist hier überhaupt nicht relevant, denn diese Doppelbilder enstehen in nahezu identischer Weise sowohl beim Blick durch ein Fernglas mit perfekt parallelen optischen Achsen als auch beim Blick durch das von uns hier angenommene fehlerhafte Fernglas mit nichtparallelen Achsen. Wenn die Augen beim fehlerhaften Fernglas auf denselben Gegenstandspunkt (genauer auf den vom Fernglas erzeugten virtuellen Bildpunkt desselben Gegenstandspunktes) fixiert sind wie beim Blick durch ein einwandfreies Fernglas mit parallelen Achsen, ist zwar der Schielwinkel um bis zu 3,45° größer, aber der fixierte Gegenstandpunkt wird trotzdem ohne Doppelbild gesehen. Und was nun andere Gegenstandpunkte vor oder hinter dem fixierten Gegenstandspunkt betrifft, so bleiben auch diese ohne Doppelbilder, solange ihre vom Fernglas erzeugten virtuellen Bilder innerhalb des Panum-Raums oder (das ist eine gleichwerte Aussage) die Querdisparation innerhalb der Grenzen des Panums-Bereichs liegen, den wir der Einfachheit halber mit 0,6 mm annehmen. Nun ist aber in beiden Fällen der Panum-Bereich gleich groß, denn der ist eine Eigenschaft von Augen und Gehirn und hängt nicht von den Eigenschaften des Fernglases ab. Und da das um 3,45° stärkere Schielen beim als defekt angenommenen Fernglas die Augenweite nur unwesentlich (um ca. 0,7 mm) verkleinert, ändert sich auch der Horopter kaum. Folglich bleibt auch der Panum-Raum nahezu unverändert, und das heißt, daß nach wie vor innerhalb ziemlich exakt derselben Tiefenzone (nämlich des Panum-Raums) keine Doppelbilder entstehen und außerhalb dieser Tiefenzone beim Blick durch beide Ferngläser auch gleichermaßen Doppelbilder entstehen müssen. Diese mithin in beiden Fällen gleichen Doppelbilder können nicht die Ursache der Beschwerden von Herrn Nickel sein, weil sie sonst immer auftreten müßten, egal ob er durch das einwandfrei oder das defekte Fernglas oder ganz ohne Fernglas schaut. Außerdem bereiten die aufgrund zu großer Disparation enstandenen Doppelbilder keinerlei Anstrengung, sondern sind immer gegenwärtig, wenn wir in der Tiefe gestaffelte Gegenstände ohne oder mit Fernglas betrachten, wenn die Tiefenstaffelung die Ausdehnung des Panum-Raums überschreitet.
Ihr Fehler war, einfach angenommen zu haben, der Winkel von 3,45° würde sich vergrößernd auf die Disparation auswirken, wie das folgende Zitat zeigt (wo mit „eine solche Verschiebung“ genau diese Disparation gemeint ist). Aber das tut er nicht.
• Zitat: „Ab welcher Winkeländerung relativ zur optischen Achse des normalstehenden Auges tritt eine solche Verschiebung auf? Eine solche Verschiebung ergibt sich bei einem Augapfeldurchmesser von 24mm überschlägig zu arc tan (0,6 / 24) = 1,4 ° (Wenn wir noch die Lage von Hornhaut und Linse besser berücksichtigen und von 20mm ausgehen zu ca. 1,7°)
Das bedeutet: Sollte die Blickrichtung eines Auges nur um ca. 1,4 bis 1,7° aus der natürlichen Stellung bei der Beobachtung eines beliebig entfernten Ojekts herausgedreht werden, nehmen wir Doppelbilder wahr. (Individuelle höhere oder geringere Empfindlichkeit aussen vor gelassen). Die Objektentfernung spielt dabei überhaupt keine Rolle,
Wir halten fest: für die Entstehung von Doppelbildern ist nicht die Höhe des maximalen physiologischen Konvergenzwinkels von 30 °relevant, sondern die maximal tolerierte Winkelabweichung einer Augenachse vom natürlicherweise konvergenten Wert, die um die 1,5° herum liegen dürfte und die entfernungsunabängig ist.“
• Antwort: Sie betrachten hier die Disparation, die aber beim Betrachten des gleichen Gegenstandes mit beiden Ferngläsern, also dem mit parallelen und dem mit nichtparallelen Achsen, praktisch identisch ist und durch den erhöhten Schielwinkel beim defekten Fernglas nicht vergrößert (bzw. wenn man auch auf die hinteren Nachkommastellen schaut, sogar minimal reduziert) wird. Alle weiteren Aussagen in den obigen Zeilen des Zitats sind daher überhaupt nicht relevant, egal ob sie richtig oder falsch sind! Wenn, wie im letzen Absatz des Zitats, das Auge (Sie meinen wohl: ein Auge, nicht beide) die Blickrichtung ändert (wie das bei dem um 3,45° größeren Schielwinkel der Fall ist), dann hat das in diesem Falle nur dazu geführt, daß nun derselbe Gegenstand fixiert wird und seine beiden Bilder fusioniert werden. Die Disparation bei Bildpunkten anderer Gegenstände in kürzerer oder weiterer Entfernung spielt dabei überhaupt keine Rolle, wenn man z.B. eine ebene Fläche rechtwinklig zur Blickrichtung betrachtet und alle Punkt gleich weit sind, und wenn sie wegen Vorhandenseits näherer und weiterer Gegenstände innerhalb des Sehfeldes eine Rolle spielte, dann wäre das trotzdem belanglos, weil dann die Disparation dieselbe bleibt (bzw. bei ganz exakter Betrachtung sogar minimal kleiner wird, weil sich die Augenweite durch das stärkere Schielen minimal reduziert hat).
• Fazit: Ihre Argumentation geht von der falschen Annahme aus, eine Vergrößerung des Schielwinkels würde die Disparation vergrößern, was aber nicht der Fall ist. Vielmehr ist allein entscheidend, daß trotz Vergrößerung des Schielwinkels um die berechneten 3,45° der Schielwinkel innerhalb des Entfernungsbereichs von unendlich bis 2 m bei diesem 8fach vergrößernden Dachkantfernglas der maximale Schielwinkel unter (und hier sogar deutlich unter) der Grenze von ca. 30° bleibt.
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Sie geben dann auch noch Tests an, die nichts mit unserem hier untersuchten Problem zu tun haben. Dazu auch noch wenige Worte:
1. Test: Durch Herumdrücken an einem Augapfel verändern sie die Augenweite nur unerheblich, verdrehen und vor allem verformen aber die „Kugel“, so daß dabei Hornhaut und Linse durch mechanische Verspannungen schräggestellt und asymmetrisch (nicht mehr rotationssymmetrisch) werden sowie evtl. auch ihr Abstand zur Netzhaut verändert wird. Das und nicht etwa die minimale Augenweitenänderung ist Ursache des gestörten Sehens und der beobachteten Doppelbilder und Unschärfe.
2. Test: Wenn Sie durch extremes Verdrehen der Augen (z.B. nach unten) die mechanische Schielgrenze von ca. 30° (beim Blick geradeaus) künstlich einschränken, stoßen Sie natürlich im Nahbereich schon bei weiteren Entfernungen als beim Blick geradeaus beim Fusionieren (z.B. bereits bei einem Schielwinkel von 20° statt 30°) an die Grenze und sehen dann bei deren Überschreitung Doppelbilder. Aber das hat absolut nichts zu tun mit dem „Quäntchen“ (richtig „Quentchen“, da es nichts mit Quantum, sondern mit einer früheren sehr kleinen Gewichtseinheit von 1 Quent = 1/10 Lot = 1,67 g zu tun hat) von 1,5°, das Sie von der Disparation ableiten (die, ebenfalls nur nebenbei, je nach Ortsfrequenz sogar bis ca. 6° betragen kann). Ferner kommen Sie beim Blick durchs Fernglas selbst dann, wenn Sie zum Sehfeldrand schauen, noch nicht an eine solche Grenze, weil dazu die scheinbaren Sehwinkel in der Größenordnung um 60°, also max. etwa 30° von der Achse, viel zu klein sind.
3. Test: Natürlich liegt der Grenzwert, den die Hersteller hochwertiger Ferngläser als Abweichung von der perfekten Parallelität zulassen, deutlich unter 1°. Schließlich soll je das Auge, egal ob beim Blick in die Ferne oder in die Nähe, so entspannt wie möglich durchschauen können. Hierbei ist aber die Abweichung der Knickbrückenachse von der Parallelität gar nicht in der Richtung, die hier die einzig relevante ist (siehe in meinem vorigen Beitrag Absatz 3.2), nämlich in vertikaler Richtung mit der Folge eines horizontalen Bildversatzes, der stärkeres Schielen nötig macht, die kritische, sondern entweder eine, die Auswärtsschielen zur Kompensation erfordert, oder eine solche der Knickbrückenachse oder (schlimmer) der beiden Rohrachsen in solcher Weise, daß ein vertikaler Bildversatz entsteht, weil dieser nämlich gar nicht durch Vergenz korrigiert werden kann. Das Auge ist für vertikalen Bildversatz um ein Vielfaches empfindlicher! Wenn man nun eine solche Abweichung von der Parallelität in sehr viel engeren Winkeln halten und somit viel genauer kollimieren muß, dann tut man das natürlich nicht in den kritischen Richtungen, also zur Verweidung von Auswärtsschielen oder allein vertikal, sondern gleichzeitig auch horizontal, weil die (rotationssymmetrisch funktionierenden) Prüf- und Justiermittel alles „in einem Aufwaschen“ erledigen können. Würde man z.B. in getrennten Prüf- und Justier-Arbeitsgängen für vertikale und horizontale Parallelausrichtung arbeiten, könnte man bezüglich des horizontalen Bildversatzes einwärts (der in unserem Streitfall der einzig relevante ist) erheblich größere Toleranzen zulassen als in allen anderen Richtungen. Das zeigt, daß selbst dann, wenn Herr Weigand Toleranzwerte für die Parallelität der Knickbrückenachse zu den optischen Achsen angeben sollte, die erheblich kleiner als 1° sind, das keineswegs ein Gegenbeweis zu meinen Ausführungen wäre.
Ihre an den 3. Test anschließende Korrektur ist berechtigt. Vielleicht hatte ich genauso wie Sie damals, als ich Sie auf denselben Fehler aufmerksam machte, an divergierende Blickrichtungen beim Fixieren des Gegenstandes gedacht und dann vorschnell „divergierende Achsen“ geschrieben, obwohl es genau umgekehrt ist. Aber so berechtigt diese Richtigstellung auch ist (bei mir nicht anders als bei Ihnen), sie hat auf alle weiteren Überlegungen keine andere Auswirkung außer der, daß die kritische Situation bei einer Richtungsabweichung der Knickbrückenachse nach unten statt nach oben oder nach oben statt nach unten eintritt, je nachdem ob Herr Jülich oder Herr Nickel die kleinere Augenweite hat. Am Grudsätzlichen ändert es nichts.
Und nun noch zu Ihrem an mich persönlich gerichteten Schlußwort: Ich nehme Ihnen gar nichts übel, sondern sehe unser Streitgespräch ganz ähnlich wie Sie. Ich freute mich sogar (und freue mich nach wie vor), daß mit Ihnen ein weiterer Forumsteilnehmer zu uns gestoßen ist, der ähnlich wie ich sehr physikalisch denkt und argumentiert und mit dem man auch mal in tiefere Schichten der Fernglasoptik vordringen und z.B. so diffizile Probleme wie das obige diskutieren kann, bei denen die meisten anderen Forumsteilnehmer abschalten und weiterblättern.
In diesem Sinne: auf weiterhin gute Zusammenarbeit, die hoffentlich häufiger zu gleichen als zu gegensätzlichen Ergebnissen führen wird. Und vielleicht werden Sie nach dem Lesen meiner obigen Ausführungen bereit sein, den Ergebnissen meiner Überlegungen zuzustimmen und so wieder für perfekte Harmonie zu sorgen.
Walter E. Schön
PS: Ich hatte die alte Sache mit dem kurzsichtigen Auge nicht vergessen oder verdrängt, aber aus Zeitmangel weiter zurückgestellt. Ich hätte aus demselben Grund auch an dieser Diskussion gar nicht teilnehmen dürfen und werde das nun durch Nachtarbeit in den folgenden Tagen büßen müssen. Aber die aktuellen Fragen hatten mich verleitet, in die Diskusison einzusteigen, und dann ist alles vom Arbeitsaufwand unerwartet eskaliert. Daher muß ich mich jetzt zumindest für ein oder zwei Wochen zurückhalten (und am besten auch nicht „nur“ im Forum lesen, um nicht erneuter Versuchung zu erliegen, Antworten zu schreiben. Haben Sie also bitte noch Geduld, ich werde darauf zurückkommen.