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Wann gibt Bildqualität und wann Vergrößerung den Ausschlag?

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26. Juli 2008 05:25
Hallo Herr Weisgerber,

aus Spaß an der Freud versuche ich mich mal an Ihren Fragen und der Interpretation Ihrer kleinen Messreihe, auch wenn das alles schon länger zurückliegt. Ich finde Ihre Ergebnisse keinesfalls kurios. Man kann sie zwanglos verstehen und erklären, wenn man Bildqualität und Auflösungsvermögen auseinanderhält. Dann versteht man auch, wie es sich mit Bildqualität und Vergrößerung verhält.


Ein vereinfachtes Maß für die Bildqualität

Wenn man die Entfernung, aus der man ein Testobjekt mit dem Fernglas gerade noch erkennen kann, durch die Vergrößerung des Glases teilt, erhält man einen Wert, der auf gewisse Weise die Bildqualität unabhängig von der Vergrößerung charakterisiert. Man hat das Glas mathematisch auf die fiktive Vergrößerung 1x gebracht, also auf diese einheitliche Vergrößerung „normiert“. Sie haben dafür den Begriff „Gewinn“ gewählt. Dieser auf 1-fache Vergrößerung normierte Wert bedeutet den Abstand, aus dem Sie Ihre Schriftprobe duch das jeweilige Glas gerade noch hätten lesen können, wenn das Glas überhaupt keine Vergrößerung hätte und genauso groß wie Ihr bloßen Augen abbilden würde, so als schauten Sie durch Fensterglas. Vergleicht man dann diese fiktiven „Fensterglaswerte“ oder den Gewinn, wie Sie es nennen, kann man direkt die Bildgüte vergleichen, die das Fensterglas sozusagen durchlässt. Je höher der Wert, desto besser das Bild, desto höher korrigiert ist das jeweilige Fernglas. Dieser Wert ist so etwas wie ein vereinfachtes Maß für die Bildgüte, sagen wir z.B. für Schärfe und Kontrast oder die Bildfehlerkorrektur im weitesten Sinne.


Ein Maß für das Auflösungsvermögen

Nun lassen sich diese normierten Werte zwar ein vergleichendes Maß für die Bildqualität auffassen, aber nicht, und das ist wichtig, als ein Maß für das jeweilige Auflösungsvermögen, also sozusagen den Detail-Informationsgehalt des Bildes. Das Auflösungsvermögen ist ja eine absolute und entscheidend vergrößerungsabhängige Größe, man darf also beim Vergleich des Auflösungsvermögens eben nicht die Vergrößerung herausrechnen. Mit anderen Worten: auch ein Glas mit höherer Vergrößerung, aber schlechterer Bildqualtität als ein anderes kann, dank höherer Vergrößerung, eine höhere Auflösung, also mehr Detail-Information liefern, als das andere Glas mit zwar besserer Bildqualität, aber geringerer Vergrößerung. Auflösungsvermögen, sprich Informationsgehalt einerseits, und Bildqualtiät, vulgo Bildschärfe andererseits zweier Gläser müssen nicht korrelieren, eine Tatsache, die manchmal nicht genügend berücksichtigt wird. (Sie müssen es nur, wenn die Vergrößerung identisch ist). Sie haben zum Testen immer eine gleich große Schrift verwendet, demzufolge sind die nicht normierten Entfernungswerte als absolute Größen direkt ein vergleichendes Maß für das Auflösungsvermögen Ihrer Ferngläser.


Der Vergleich in Sachen Auflösungsvermögen, den Sie auch schon angestellt haben, ergab:

Reihenfolge nach Auflösungsvermögen
1. Nikon 10x50 114m
2. Victory 8x42 108m
3. Hensoldt 8x56 99m

Das Nikon hat eindeutig das höchste Auflösungsvermögen, weil sich seine hohe Vergrößerung auszahlt, es liefert also die meisten Detailinformationen. Vermutlich hätte selbst das billigste 10x Glas vom Wühltisch noch ein höheres Auflösungsvermögen als das Weltklasse 8x Victory, was deutlich unterstreicht, wie wichtig in Sachen Auflösungsvermögen die Vergrößerung ist. Trotzdem muß das Glas mit der höchsten Auflösung nicht das schärfste Bild haben. Denn auch ein unscharfes Bild kann hoch aufgelöst sein.

(Dafür gibt es ein hübsches historisches Beispiel. Als Marvin Minsky, der Erfinder der konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie, seinen selbstgebastelten Geräteaufbau demonstrierte, hatte er aus Kostengründen kurz nach dem Krieg nur einen viel zu hoch vergrößernden und leider völlig unscharfen ausgedienten Radarmonitor aus Militärbeständen zur Verfügung. Er nahm an, die Fachleute, denen er seine zwar extrem unscharfen und zitternden, aber eben auch extrem hochaufgelösten Bilder zeigte, würden die Leistungsfähigkeit seiner Erfindung sofort einschätzen können, wenn er Ihnen nur erklärte, dass die unscharfen großen Flecken winzig kleine bisher nicht auflösbare Substrukturen von Zellkompartimenten wären. Es sollte anders kommen. Jeder, der einen Blick auf den unscharfen zittrigen Radarschirm warf glaubte Minsky kein Wort. (Man kann Herrn Champollion für manches verantwortlich machen, aber dafür auf keinen Fall. Er war damals noch zu jung und hatte noch kein Forum, auf dem er seine Ideen hätte verbreiten können - hier die vom Auflösungsverlust hoch vergrößerter zitterunscharfer Bilder :)

Minskys Beteuerungen, er brauche nur einen weniger hoch vergrößernden aber scharfen Monitor um bei gleichbleibender Auflösung ästhetisch schönere und subjektiv schärfere Bilder mit größerem Bildausschnitt zu zeigen, fanden kein Gehör. Nach langer Zeit und vielen erfolglosen Demonstrationen gab er es schließlich auf, mottete die Apparaturen ein und ließ sich frustriert sein Verfahren patentieren. Es dauerte geschlagene 30 Jahre, bis zufällig Mitte der 80er Jahre ein Kenner über Minskys Patentschrift stolperte, die ausrangierten Kisten aufstöberte und mit einem nunmehr geringer vergrößernden guten Monitor Bilder von genau gleicher Auflösung wie damals präsentieren konnte. Die jetzt aber scharf aussahen. Und siehe da, die Sensation war perfekt. Das Verfahren trat sofort einen ungeahnten Siegeszug an und ist aus der modernen Forschung nicht mehr wegzudenken.)

Zurück zu Ihren Ferngläsern und der Interpretation Ihrer Messwerte von oben. Ist die Vergrößerung gleich, wie im Fall von Victory und Hensoldt, hat natürlich das Glas mit der höheren Auflösung auch die höhere Bildgüte, das Victory ist wie zu erwarten als moderne Konstrution deutlich schärfer als das Hensoldt und liefert demzufolge trotz gleicher Vergrößerung mehr Information.


Vergleich der Bildgüte

Wir halten nochmals fest, das Glas mit dem besten Auflösungsvermögen muß nicht das schärfste sein. Wenn wir das schärfste Glas mit der besten Bildgüte ermitteln wollen, ohne den Detail-Informationsgehalt zu berücksichtigen, also der Ästhetik den Vorzug vor dem Erkenntnisgewinn geben wollen, müssen wir zum Vergleich einheitlich normieren. Bevor wir dazu die Meterangaben durch die Vergrößerung dividieren, schätzen wir noch kurz die Schwankungsbreite der herstellerseitigen Vergrößerungsangaben ab, damit wir später die Resultate im Vergleich besser bewerten können. Ich kenne keine DIN und ISO-Normen und kann zur geforderten Genauigkeit nichts sagen, aber wenn ein Hersteller 8x angibt wird das Glas kaum 7,5x oder 8,5x haben, weil er es sonst entsprechend bezeichnen würde. Also können wir annehmen, dass die Schwankungsbreite zwischen 7,8 und 8,2 liegen wird, also grob ± 0,2 betragen wird. Das macht dann:

Reihenfolge nach Bildgüte
1. Victory 8x42 108m/8 ± 0,2 = 13,5m ± 0,3
2. Hensoldt 8x56 99m/8 ± 0,2 = 12,3m ± 0,3
3. Nikon 10x50 114m/10 ± 0,2 = 11,4m ± 0,2


Man sieht, dass sich die Bereiche überhaupt nicht überlappen, die Reihenfolge in Sachen Bildschärfe ist völlig eindeutig, das Victory triumphiert. Das Nikon schneidet als zwar modernes aber eben doch als Mittelklasseglas immer noch deutlich schlechter ab als das alte Hensoldt, was diesem Glas wiederum eine für die damalige Zeit herausragende Bildqualität bescheinigt, die immer noch reicht, ein aktuelles Mittelklassemodell hinter sich zu lassen.

Hätten Sie noch zusätzlich einen Messwert für das bloße Auge bestimmt, läge dieser in der Nähe der normierten Werte; genauer gesagt müsste er etwas darüber liegen, da auch die beste Optik der Welt einen leichten Wahrnehmungsverlust mit sich bringt. (Daher ist auch die Angabe, ein Fernglas bringe einem die Dinge um den Faktor seiner Vergrößerung näher heran gedanklich so zu ergänzen, dass dabei die Auflösung etwas unter dem theoretisch erwarteten Wert liegt.) Wie hoch diese Entfernung in Ihrem Fall war, wäre interessant gewesen, um den Auflösungs- bzw. Wahrnehmungsverlust durch die Gläser zu bestimmen. Wenn man ersatzweise grob schätzt, dass selbst eine Spitzenoptik rund 10% Wahrnehmungsverlust bedeuten sollte, dann müsste der Wert für das bloße Auge bei um die 15m gelegen haben. Da Sie mit einem Visus von 1 oder 100% aus 5m Entfernung den kleinstmöglichen Spalt in oder zwischen den Buchstaben einer Schrift nur erkennen, wenn er mindestens 1,455mm groß ist (was aus der Definition folgt Visus = 1/kleinste erkannte Struktur in Winkelminuten), muß er bei Ihrer Testtafel rund 4,4mm groß gewesen sein. Wenn man annimmt dass ein Buchstabe etwa siebenmal größer sein wird, waren die Lettern die Sie verwendet haben rund 30mm groß. (Sollte es sich um eine Zeitung gehandelt haben, möchte ich vielleicht nicht wissen, welche).

Herr Fritzen hat in einem Beitrag zum Thema Visus aus seinen alten Schulungsunterlagen angegeben, die Hersteller hätten Gläser mindestens auf einen Visus von 1,75 (nach alter Norm gemessen) auszulegen. Hätte die zweite Person in Ihren Tests einen deutlich anderen Visus gehabt als Sie, hätte sie theoretisch zu um den Faktor dieses Visus veränderten Entfernungswerten kommen müssen, da die Ferngläser bei Visus 1 noch nicht am Limit gewesen sein sollten, sondern eher Ihr Sehvermögen das Limit bildete.

Auf welche Entfernung die Hersteller ihre Vergrößerungsangaben beziehen weiß ich nicht, denke aber, dass es im unendlichen sein sollte, denn eine einheitlich bestimmte nahe Entfernung würde zwischen Gläsern verschiedener Vergrößerung die Verhältnisse verzerren, weil die Vergrößerung verschieden stark vergrößernder Modell bei abnehmender Entfernung verschieden stark zunehmen wird (und bei Porrogläsern wegen des Liliputismuseffekts auch noch weniger stark als bei Dachkantmodellen). Bei den von Ihnen gemessenen Entfernungen dürfte die Vergrößerungsabweichung von der im unendlichen aber noch unmerklich sein und in der angenommenen Schwankungsbreite der Hersteller untergehen. (Selbst wenn wir ± 0,6 angenommen hätten wäre die Reihenfolge der Bildqualität unverändert geblieben.)

Ob Bildqualität oder Vergrößerung eher den Ausschlag geben, wie Sie abschließend fragen, hängt also davon ab, worum es einem primär geht. Wenn man auf ein ästhetisches scharfes Bild Wert legt, und der Informationsgehalt bezüglich feinster Strukturen nicht an erster Stelle steht, ist die Bildqualität logischerweise der entscheidende Punkt, ebenso, wenn zwei zu vergleichende Gläser die gleiche Vergrößerung haben. Wenn es aber um maximale Detailinformationen, also Auflösung geht, ist Vergrößerung der entscheidende Punkt. (Natürlich nur solange eine gewisse Mindestbildqualität gegeben ist, die aber so niedrig liegt, dass sie von nahezu jedem Billigglas heutzutage geboten werden dürfte. Vielleicht könnte man auch spaßeshalber einmal quantitativ mit diesem Abstandsverfahren testen, bis zu welcher höheren Vergrößerung ein Weltklasseglas gegebener einem absoluten Billigglas dieser höheren Vergrößerung mithalten kann.




7-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.07.08 06:22.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Auf welchen Visus wird ein Fernglas ausgelegt?

Tobias Weisgerber 2030 07. April 2008 17:15

Bitte beschreiben Sie doch einmal Ihr Abstandsverfahren

Dietmar Sellner 1304 07. April 2008 19:02

Aus dieser Entfernung konnte ich die Schrift lesen

Tobias Weisgerber 1308 07. April 2008 19:45

Mittenschärfe des Fernglases

Dietmar Sellner 1274 07. April 2008 23:14

Re: Aus dieser Entfernung konnte ich die Schrift lesen

marc champollion 1211 11. April 2008 02:27

Re: Aus dieser Entfernung konnte ich die Schrift lesen

Peter Köster 1187 12. April 2008 01:41

Was heisst "Visus"?

marc champollion 1176 11. April 2008 02:31

Wikipedia weiß fast alles!

Dietmar Streib 1115 11. April 2008 21:23

Re: Wikipedia weiß fast alles!

marc champollion 1082 12. April 2008 01:26

Re: Wikipedia weiß fast alles!

carsten gaebe 1057 12. April 2008 13:32

Re: Was heisst "Visus"? - Ich glaube, ich hab's!

marc champollion 1185 23. Juli 2008 00:53

"Retina" - Frage an Herrn Schön

marc champollion 909 23. Juli 2008 11:54

Visusabnahme im Alter

Walter E. Schön 2499 23. Juli 2008 13:39

Re: Visusabnahme im Alter

R. Schoon 1560 23. Juli 2008 16:14

Re: Visus @#$%& correctione

marc champollion 1115 23. Juli 2008 16:32

Verhärtung der Augenlinse, Zusammenspiel von Auge und Fernglas

Walter E. Schön 2169 23. Juli 2008 18:20

Wann gibt Bildqualität und wann Vergrößerung den Ausschlag?

konfokal 1310 26. Juli 2008 05:25

Ergänzende Abschätzung zum Vergleich von Billig- und Premiumoptik

konfokal 1100 26. Juli 2008 10:57

Der Blick durch ein Fernglas erleichtert die Konzentration?

Robert Fritzen 986 26. Juli 2008 11:35



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