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Die klare Antwort lautet: Es kommt darauf an - und alles ist sehr kompliziert.

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03. Februar 2007 00:22
Um diese hochinteressante Frage halbwegs erschöpfend zu behandeln, müßte mein Beitrag viele Seiten lang und meine knappe Zeit großzügiger bemessen sein. Aber ein paar Hinweise möchte ich doch geben und darüber hinaus vorschlagen, dieses Thema (bei ausreichendem Interesse der Teilnehmer) bei unserem geplanten Treffen in Bonn zu vertiefen. Die Sache ist nicht allein mit Physik zu klären, sondern es spielen auch physiologische Effekte eine ganz wichtige Rolle.

1. Wir müssen für die folgenden Überlegungen zunächst unterstellen, daß das binokulare Fernglas und das monokulare Teleskop gleich stark vergrößern, damit die Detailerkennbarkeit nicht durch unterschiedliche Vergrößerung beeinflußt wird (stärkere Vergrößerung bei sonst identischen Bedingungen bringt bessere Detailerkennbarkeit).

2. Wir müssen außerdem unterstellen, daß der Durchmesser der Augenpupillen mindestens so groß wie der größere Durchmesser der beiden Austrittspupillen von Fernglas und Fernrohr ist (andernfalls wirkte sich eine Vergrößerung der Objektivöffnung nicht helligkeitssteigernd aus).

3. Die Bildhelligkeit ist mit einer kleinen Ausnahme (schwächste Lichtpunkte an der Wahrnehmungsschwelle, siehe Punkt 4) beim binokularen Fernglas nicht anders als beim monokularen Fernrohr. Die Helligkeiten der Bilder beider Augen addieren sich nicht.

4. An der Empfindlichkeitsschwelle bringt beidäugiges Sehen einen Gewinn, weil die Häufigkeit der in zufällig-unregelmäßiger zeitlicher Verteilung ausgelösten Nervenimpulse zunimmt und somit binokular die Wahrscheinlichkeit wächst, daß die Zahl der pro Zeiteinheit ankommenden Impulse ausreicht, um die Reizschwelle für eine Wahrnehmung zu überschreiten. Man weiß z.B., daß innerhalb der Stäbchen (Sehzellen für das Sehen bei sehr geringer Helligkeit) zwar jedes einzelne eingefangene Photon bereits eine elektrochemische Reaktion auslöst, aber mindestens ca. 4 bis 5 Photonen nötig sind, um eine Reizweiterleitung ans Gehirn zu veranlassen. Auch im Gehirn dürfte es solche Wahrnehmungsschwellen geben. Ob man, was zunächst naheliegt, einfach addieren kann, halte ich für zweifelhaft, denn eine einfache Überlagerung liegt bestimmt nicht vor, schon allein deswegen, weil es für den „Stereoeindruck“ erforderlich ist, die Signale nicht einfach verschmelzen zu lassen, sondern auseinanderzuhalten (also eine gewisse „Kanaltrennung“ beizubehalten. Dazu müßte man wissen, wie im Gehirn die Signale des linken und rechten Auges verschaltet sind (was nur ein auf dem Gebiet des Sehens versierter Physiologe sagen könnte, falls es der Wissenschaft bereits bekannt ist).

5. Ganz wichtig bei unserer Frage ist es zu wissen, daß die Augen nie wirklich in Ruhe sind, sondern permanent sog. „Mikrosakkaden“ (kleine Winkelsprünge in unregelmäßigen Größen und Richtungen) durchführen. Dies ist notwendig, um die Kontastverflachung durch Abbau der Rhodopsine (Sehpurpur) bei Lichteinwirkung zu verhindern. Während dieser Mikrosakkaden wird die Informationsweiterleitung unterbrochen. Wie sehen also, wenn man so will, genau wie bei Betrachtung eines Kinofilms nicht ein kontinuierlich wahrgenommenes Bild, sondern nur in den Ruhepausen zwischen den Mikrosakkaden eine große Zahl schnell aufeinanderfolgender Einzelbilder. Und diese Einzelbilder sind zudem wegen der dazwischenliegenden Sakkaden jeweils irgendwie zueinander verschoben. Aber das Gehirn ist in der Lage, die von den Augenmuskeln ausgeführten Winkeldrehungen so in Bildverschiebungen umzurechnen, daß die vielen aufeinanderfolgenden Einzelbilder quasi immer so gegeneinander verschoben im Gehirn zu einem Stapel aufgeschichtet (übereinandergelegt) werden, daß die Bilder eines ruhenden Objekts deckungsgleich sind. Da die Rasterstruktur der Zapfen (beim Dunkelsehen: der Stäbchen) anders als die der Pixel eines Digitalkamera-Sensors nicht ein regelmäßiges rechtwinkliges Gitter (wie Millimeterpapier), sondern sehr unregelmäßig ist, wird durch dieses mehrfache übereinanderlegen mehrerer Bilder eine erhebliche Steigerung und Homogenisierung des Auflösungsvermögens erzielt. Das ist der Grund, weshalb das Auflösungsvermögen der Augen besser ist, als es rein rechnerisch aufgrund der mittleren Zapfenabstände und der Verschlechterung der Bildschärfe durch die VOR der Zapfen von Licht durchstrahlten Blutgefäße, Nervenleitungen und Ganglien der Netzhaut eigentlich sein dürfte (die Zapfen und Stäbchen sind auf der Netzhaut nicht innenseitig zur Mitte des Augapfels hin angeordnet, sondern „falsch herum“ auf der Rückseite, so daß das von der Augenpupille her einfallende Licht erst durch eine Schicht von Blutgefäßen, Sehnervenleitungen usw. durchstrahlt, ehe es auf die Sehzellen trifft – quasi ein evolutionsbedingter Konstruktionsfehler). Wer die von Astrofotografen geübte Praxis des Übereinanderlegens vieler (manchmal vieler hundert) Einzelaufnahmen kennt, kann sich das ganz ähnlich im Gehirn vorstellen.

Wer es anschaulicher braucht, kann sich ein grobes Sieb mit unregelmäßig großen und unregelmäßig angeordneten Maschen vorstellen: Legt man zwei oder drei solcher Siebe übereinander, so ergeben Sie insgesamt ein Sieb mit deutich feineren Maschen. Entsprechend ergeben zwei oder drei aufeinanderfolgende Bilder, zwischen denen Mikrosakkaden erfolgt sind, ein feiner „gepixeltes“ Bild, wenn die Einzelbilder korrekt deckungsgleich übereinander liegen.

Übrigens wird diese Technik mit piezoelektrisch horizontal und vertikal ausgeführten „Sakkaden” des Sensors schon seit mindestens ca. 8 Jahren auch in der professionellen Digitalfotografie praktiziert. Die Firma Kontron, damals ein Bereich im BMW-Konzern in Eching bei München, entwickelte es für die Eyelike-Digitalrückteile für verstellbare Fachkameras und Mittelformat-SLR-Kameras. Kontron wurde an Jenoptik verkauft, und deshalb heißen diese Digitalrückteile jetzt „Jenoptik Eyelike“. Diese als „Mikroshifting” oder „Pixelshifting“ beeichneten „Sakkaden” sind Sprünge um 1/2, 1/3 oder 1/4 Pixelrasterweite und erfordern dementsprechend 4, 9 oder 16 Einzelaufnahmen für ein vollständiges Bild gesteigerter Auflösung.

Zurück zu Gehirn. Wir haben also durch die Überlagerung der zwischen den Mikrosakkaden erfaßten „Standbilder“ eine Steigerung der Auflösung. Aber zugleich ergibt sich auch durch diese Art der Addition bzw. Mittelung eine Reduzierung des Bildrauschens, also eine Vergrößerung des Signal-Rausch-Abstandes, was einer Kontaststeigerung entspricht.

Die Überlagerung der Bilder beider Augen zu einem neuen (dann dreidimensionalen) Bild hat ebenfalls den Effekt sowohl einer Steigerung des Auflösungsvermögens wie der Rauschreduktion, die maximal wie bei der technischen Anwendung etwa dem Faktor 1,41 (= Wurzel aus 2) entsprechen, aber auch etwas niedriger sein könnte und nach meiner Vermutung auch wegen der weiter oben schon erwähnten „Kanaltrennung“ sein müßte. Wie es wirklich ist, läßt sich (zumindest beim gegenwärtigen Kenntnisstand der Vorgänge im Gehirn) nicht physikalisch oder mathematisch bestimmen, sondern nur in Experimenten messen. Der von manchen erfahrenen Astronomen genannte Faktor 1,2 (gerundet die vierte Wurzel aus 2) könnte eine aus der Beobachtungspraxis gewonnene gute Näherung an die Wirklichkeit sein.

6. Der Einfluß er Luftunruhe ist äußerst schwierig einzukalkulieren und je nach Beobachtungsart sehr unterschiedlich. Bei der üblchen terrestrischen Beobachtung (z.B. Vogel- und sonstige Wildtierbeobachtung) sind die Entfernungen zu gering, so daß man die Luftunruhe fast immer vernachlässigen kann (ausgenommen, man blickt über eine im Sommer von der Sonne aufgeheizte Teerstraße oder ein Kornfeld hinweg), Bei Beobachtung auf sehr große Entfernung wird das anders, aber da dürfte oft der Einfluß der Trübung einer dicken Luftschicht (Staubpartikeln und Wassertröpfchen sowie auch Streuung des Lichts an den Luftmolekülen, insbesondere für kurze Wellenlängen) eine größere Rolle spielen als wabernde Luftschieren aufgund thermischer Unterschiede. Wieder anders ist es in der Astrobeobachtung, wo die Luftschicht extrem dick ist und die beobachteten Objekte fast ausschließlich helle Lichtpunkte vor dunklem Grund sind.

Bleiben wir zunächst bei terrestrischer Beobachtung (Fernglas / Spektiv) auf Distanzen von ca. 30 m bis 500 m. Da sollte die Luftunruhe keine große Rolle spielen und bei den maximal um den Faktor 1,41 differierenden Öffnungsdurchmessern keine nennenswerten Unterschiede zeigen. Bei der astronomischen Beobachtung von Lichtpunkten auf dunkelm Grund wird es etwas anders. Da können große Öffnungsdurchmesser eine deutliche Verschlechterung bringen, wenn die mittlere Größe der Luftschlieren in der Größenordnung der Öffnungsgrößen liegt oder kleiner ist. Bei einem Teleskop geringerer Öffnung führt das Wabern der Luft zu „tanzenden“ Lichtpnkte. Solange das Tanzen langsam genug erfolgt und seine Amplitude gering bleibt, kann das Auge bzw. Gehirn der Bewegung noch folgen, so daß der Beobachten noch ein halbwegs scharfes, aber unruhiges Bild wahrnimmt. Bei einem Teleskop größerer Öffnung aber bilden die durch verschiedene Teilflächen des Öffnungsquerschnitts fallenden Lichtstrahlen Bilder an verschiedenen Stellen, so daß der Beobachter ein weniger stark tanzendes, aber stärker „verschmiertes“ Bild sieht, also eine geringere Auflösung erzielt als mit dem Teleskop kleinerer Öffnung. Meines Wissens beginnt dieser Effekt aber erst bei Öffnungsdurchmessern ab ca. 20 cm ein störendes Ausmaß anzunehmen, so daß die hier diskutierten Fernglas- und Fernrohr-Öffnungsdurchmesser noch nicht davon betroffen sind. Für alle, die sich noch nicht mit Astronomie befaßt haben: Dieser von Luftunruhe ausgelöste Verschlechterungseffekt wird als „Seeing“ bezeichnet (mir ist kein allgemein gebräuchlicher deutscher Ausdruck dafür bekannt; man könnte von „Luftunruhe“ sprechen).

FAZIT

* Die Helligkeit eines terrestrischen Bildes bei normaler Tages- und auch Dämmerungshelligkeit ist beim binokularen Fernglas ebensogroß wie bei einem monokularen Fernrohr gleichen Öffnungsdurchmessers.

* Die Grenzhelligkeit eines Sterns ist dann beim binokularen Fernglas ebensogroß wie beim monokularen Fernrohr, wenn dessen Öffnung um einen Faktor größer ist, der theoretisch maximal 1,41 (Wurzel aus 2) betragen kann, wegen der „Kanaltrennung“ im Gehirn aber wahrscheinlich nur etwa bei 1,2 liegt (Erfahrungswert, nur durch Experimente und Messung belegbar, nicht durch physikalisch-mathematische Berechnung).

* Die Detailerkennbarkeit terrestrischer Beobachtung bei normaler Tages- und Dämmerungshelligkeit sollte aufgrund der oben unter Punkt 5 dargestellten Effekte dann bei Fernglas und Fenrohr etwa gleich sein, wenn der Fernrohr-Öffnungsdurchmesser etwa um den Faktor 1,2 größer ist.

* Die Detailerkennbarkeit astronomischer Beobachtung sollte aus dem gleichen Grund bei gutem Seeing (also keiner Verschlechterung durch Lftunruhe zuungunsten der größeren Öffnung) ebenfalls bei diesem Faktor von ca. 1,2 für Fernglas und Fernrohr gleich sein, wenn die durch Trennung von Doppelsternen (also das Auflösungsvermögen) definiert wird, aber sollte einen Faktor bis ca. 1,4 erreichen, wenn die Detailerkennbarkeit über die Grenzhelligkeit (Grenzgröße, engl. „faintest star“) definiert wird, weil dann zum gesteigerten Auflösungsvermögen von ca. Faktor 1,2 auch noch eine Steigerung der Empfindlichkeitsschwelle um etwa denselben Faktor kommt.

Abschließend muß ich noch einschränken, daß meine Ausführungen zwar auf ganz guten Kenntnissen auch auf dem Gebiet der Physiologie des Sehens beruhen, ich aber kein ausgebildeter Physiologe bin.

Walter E. Schön


PS.: Ich wurde durch den Link in einem Beitrag des Forumsteilnehmens „Achim” im Forumsbereich „Tagbeobachtung“

[www.juelich-bonn.com]

zum obigen Beitrag von Herrn Stolpmann geführt und hatte beim Schreiben meiner Antwort völlig übersehen, daß ich inzwischen im Forumsbereich „Astrooptik“ gelandet war. Erst nach dem Einstellen meines Beitrages sah ich, daß ich im „falschen“ Forumsbereich war, denn ich hatte meine Antwort aus der Sicht des Tagbeobachters formuliert. Ich bitte alle Teilnehmer dieser Astrooptik-Rubrik, die sich über meine fast ausschließlich auf die Tagbeobachtung zielende Antwort wundern, dieses Versehen zu berücksichtigen.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Äquivalentöffnung eines Fernglases

Jens Stolpmann 2134 01. Februar 2007 22:06

Re: Äquivalentöffnung eines Fernglases

Martin Gross 1062 02. Februar 2007 01:46

Die klare Antwort lautet: Es kommt darauf an - und alles ist sehr kompliziert.

Walter E. Schön 1583 03. Februar 2007 00:22



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