Ich habe mal eine provokante Überschrift gewählt.
Das reelle Zwischenbild ist durch die Geometrie des Tubus festgelegt, hier auf 20 mm.
Betrachten wir zuerst die Ortsinformation.
Wieviel "Bildpunkte" liefert ein Objektiv mit den Kennzahlen Vx/NA auf eine Fläche von Pi*r²= 3,14*100=314mm²?
Dazu können wir uns die Fläche in kleinste Einheiten zerlegt vorstellen, Kantenlänge nach der Formel Auflösung*V.
Betrachten wir die im PrimoStar verbauten Objektive, so erhalten wir die meisten Informationen, wenn wir die Objektive 4x/0,10 und 10x/0,25 einsetzen. Das Objektiv 40x/0,65 und erst recht das 100x/1,25 liefern uns viel weniger Informationen, immer bezogen auf Ihre Ausgangsfragestellung.
Rechnen wir ein Beispiel durch, dann gilt für das 10x/0,25
Auflösung = 1,22x0,55µm/2x0,25=1,34µm oder abgerundet 1µm.
Diesen Wert müssen wir noch mit V multiplizieren, dann haben wir die Auflösung, die vom Objektiv im reellen Zwischenbild ankommt.
Das wäre dann die Kantenlänge der kleinsten Informationseinheiten. Rechnen Sie einmal nach, wie viele davon in den Kreis mit Radius 10 mm passen.
Wiederholen Sie die Rechnung mit dem 40x/0,65 und Sie können leicht erkennen, dass wir zwar an Auflösung gewinnen, aber dafür überproportional an Objektfeld verlieren, wir haben weniger Information.
Wiederholen sie eine dritte Rechnung, setzen Sie jetzt aber ein Objektiv ein mit den Kennzahlen 10x/0,50.
Damit sind wir aber noch nicht fertig, setzen Sie in die gleiche Rechnung einmal größere Sehfelder ein, 22mm, 23mm oder noch mehr.
Wir sollten auch noch einmal abschätzen, wie groß die Dynamik ist, die unsere Optik übertragen kann.
Es handelt sich bei unseren Objektiven um Achromate, d.h. an Stellen mit starken Intensitätsunterschieden wird der Bildpunkt mit hoher Intensität den benachbarten mit geringer Intensität durch z.B. chromatische Aberrationen beeinflussen, konkret etwas aufhellen, die berühmten bzw. berüchtigten Farbsäume.
Die Auswirkungen sind den meisten Mikroskopikern bekannt, ich vermute aber, dass man sich nie den Kopf zerbricht, wie groß dieses "Übersprechen" eigentlich ist. Beim Primo Star kenne ich die Konstruktion nicht, von im Prinzip ähnlichen Optiken würde ich das Limit bei maximal 6 Bit ansiedeln, d.h. bei einem größeren Kontrastumfang zwischen Pixel X,Y und X+1.Y wird der intensitätsschwächere aufgehellt und damit nicht mehr korrekt abgebildet.
Ein guter Grund, sich in finanzielle Abenteuer zu stürzen und nach einem EC Plan-Neofluar oder einem Apochromaten zu greifen, denn die liefern im reellen Zwischenbild eine höhere Dynamik ab.
Spannend wird die Frage, was wir tun müssen, um die Informationsmenge aus dem reellen Zwischenbild ins Auge bzw. auf den Kamerasensor zu transportieren.
Was die Kamera betrifft, das ist noch einfach, eine richtige Anpassung vorausgesetzt, kann man die vollständige Ortsinformation und einen guten Teil der Dynamik übertragen. Nyquist nicht vergessen.
Anders sieht es dagegen beim Auge aus, denn besonders beim Einsatz hochaperturiger Objektive muß man sich Gedanken um die Ortsauflösung unserer Augen machen, Sie erinnern sich an die Faustregel NA * 500 bzw. NA * 1000 = sinnvolle Vergrößerung. Da sitzen wir dann in der Falle.
Entweder optimale Anpassung an die Auflösung = höhere Nachvergrößerung = kleineres Sehfeld oder wir übersehen das ganze Feld, verschenken aber Auflösung.
Wenn man sich mal die Ausstattung vieler Mikroskope betrachtet, dann werden die hochaperturigen Spitzenobjektive fast immer bei zu geringen visuellen Gesamtvergrößerungen eingesetzt, weil das letzte Fitzelchen Auflösung oft nicht so wichtig ist wie der überragende Kontrast, den diese Objektive liefern.
Sind jetzt alle Klarheiten beseitigt?
Dann auf zur Schulung, Sie wissen ja wo.
Werner Jülich
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.05.11 13:21.