Da Sie schrieben, die Lesbarkeit entfernter Schrift „mit einigen Zeissgläsern” überprüft zu haben, nehme ich an, daß es sich bei allen drei genannten (8x20, 10x25 und 10x32) um qualitiv annähernd gleichwertige Zeiss-Ferngläser gehandelt hat. Die von Herrn Hermann genannte Vermutung dürfte daher bei Ihrem Versuch nicht zutreffen (ansonsten kann Sie allerdings schon eine Rolle spielen).
Sie haben vor allem beim 8x20 eine größere Schärfentiefe (= räumliche Tiefe, innerhalb derer Sie Objekte noch als scharf wahrnehmen) als bei den Modellen 10x25 und 10x32 festgestellt. Das steht in völliger Übereinstimmung mit den Gesetzen der Physik; eigentlich sind es nur einfache geometrische Verhältnisse. Denn man kann relativ einfach anhand geometrischer Überlegungen mathematisch zeigen, daß unter sonst identischen Bedingungen (d.h. gleiche Qualität aller verglichenen Ferngläser und gleiche effektive Eintrittspupille des Auges) die Ausdehnung der Schärfentiefe sich umgekehrt proportional zum Quadrat der Vergrößerung verhält:
Schärfentiefe A : Schärfentiefe B = (Vergrößerung B : Vergrößerung A)ˆ2
mit A und B für zwei verschiedene Ferngläser A und B.
Wenn Sie diese einfache Formel nun auf die beiden Vergrößerungen 8fach und 10fach anwenden, ergibt sich
Schärfentiefe 8fach : Schärfentiefe 10fach = (10 : 8)ˆ2 = 1,25 · 1,25 = 1,5625
Das heißt nichts anderes, als daß die Schärfentiefe eines 8fach vergrößernden Fernglases um den Faktor 1,5625 oder um 56,25% größer ist als die eines 10fach vergrößernden mit gleicher Abbildungsgüte und wenn in beiden Fällen die wirksame Eintrittspupille Ihres Auges gleich war. Wenn Sie die Beobachtung bei Tag gemacht haben und es hell war, dürfte Ihre Augenpupille ca. 2 mm Durchmesser gehabt haben. Das Fernglas 8x20 hat eine AP (= Austrittspupille) von 20 mm : 8 = 2,5 mm, das Fernglas 10x25 hat ebenfalls diese AP von 25 mm : 10 = 2,5 mm und das Fernglas 10x32 hat eine etwas größere AP von 32 mm : 10 = 3,2 mm. In allen Fällen ist dann Ihre Augenpupille kleiner gewesen und somit deren Durchmesser von 2 mm die Größe der effektiven Eintrittspupille Ihres Auges. Und damit ist gezeigt, warum Ihre Beobachtung so ausfallen mußte.
Hätten Sie bei schwächerem Licht beobachtet, bei dem Ihre Augenpupille 3,2 mm groß oder größer war, wäre die effektive Eintrittspupille bei den Ferngläsern 8x20 und 10x25 nur deren AP von 2,5 mm, jedoch beim Fernglas 10x32 mit 3,2 mm deutlich größer. In diesem Falle hätten Sie bei den beiden gleich stark vergrößernden Ferngläser 10x25 und 10x32 nicht mehr dieselbe Schärfentiefe wahrgenommen, sondern beim 10x25 wegen der kleineren AP eine um den Faktor 3,2:2,5 = 1,28 oder um 28% größere Schärfentiefe, allerdings – gewissermaßen als Preis für diesen Vorteil – ein dunkleres Bild, nämlich um den Faktor (2,5:3,2)ˆ2 = 0,78125ˆ2 = ca. 0,61, d.h. ein um 39% dunkleres Bild.
Wie Sie sehen, ist es ganz nützlich, wenn man diese einfachen Formeln kennt, denn sie erklären viel und können bei der Kaufentscheidung nützlich sein. In meinem Fernglasbuch werden diese Formeln alle angegeben und mit Hilfe von geometrischen Darstellungen auch so erklärt, daß jeder mit kleinen Resten mathematischer Schulkenntnisse sie verstehen kann. Sie müssen allerdings noch viel Geeduld haben, das Buch wird nicht vor Jahresende, eher im Frühjahr 2007 fertig sein.
Walter E. Schön