Ein paar hundert Schritt ahraufwärts vom Zentrum Neuenahrs aus, überquert eine Fußgängerbrücke die Ahr. Dort stehen fast immer 2-3 Graureiher auf den Steinen im Wasser, der kleine Fluß ist ergiebig. Wenn man Glück hat, findet man neben unzähligen Entenvögeln ab und zu eine Wasseramsel, die uns ihre weisse Brust entgegenhält.
Man kann sich die Uhrzeit nicht aussuchen, mir bleibt nur der späte Nachmittag, sicher nicht die beste Beobachtungszeit, denn dann liegt die Ahr in gleissend hellem Sonnenlicht. Gegen dieses Licht zu beobachten, ist eine Herausforderung, der nur wenige Gläser gewachsen sind, die ich daraufhin überprüfen konnte.
Mein Zeiss 8 x 20 habe ich immer dabei. Es ist etwas älter, Brillenträger müssen die Stülpmuscheln umstülpen, bei mir bleibt es einfach so, da ich dieses Glas alleine benutze.
Ich empfand die Beobachtung gegen das Sonnenlicht als unbefriedigend und begann irgendwann darüber im Bekanntenkreis zu diskutieren.
Wir haben uns dann zu Dritt verabredet und einschließlich Bekanntenkreis insgesamt 8 mehr oder weniger aktuelle Ferngläser zusammengetragen und auf ihre Tauglichkeit im Gegenlicht geprüft.
Folgende Modelle sind dieser Prüfung unterzogen worden:
1)Seben 10 x 42, ein preiswertes Glas in Dachkantbauform.
Dieses Glas überzeugt nicht. Obwohl die Reiher maximal 25 Meter entfernt stehen ( stehen, denn sie stehen fast immer da! ) sind keinerlei Einzelheiten zu erkennen. Die Wasseramsel ist ein schwarzer Klumpen, das Glas ist im Gegenlicht nicht zu empfehlen.
2)Bresser Cobra 10 x 25, ein Glas in extravagantem Design, etwas plump. Auch dieses Glas überzeugt nicht. Es übertrifft das Seben, vielleicht auch durch den kleineren Sehwinkel, aber ob die Wasseramsel uns den Schnabel oder den Popo zukehrt. Ist nicht auszumachen. Dieses Glas ist ebenfalls der gestellten Aufgabe nicht gewachsen.
3)Minox BD 10x25 BR A, dieses Glas ist besser. Der Graureiher zeigt die markanten Einzelheiten, Schnabel und Kopf können noch nicht getrennt werden, sie verschwimmen im Grau. Die Wasseramsel sieht gegen das helle Umgebungslicht einheitlich dunkelgrau aus. Das Glas ist viel besser als das Cobra, aber für die gestellte Aufgabe ungeeignet.
4)Zeiss 8 x 20, mein Faltglas von 1995-96. Der Graureiher gibt weitere Umrisse frei, so die abstehenden Federn am Kopf und die Knie werden als Verdickung sichtbar. Die helle Brust der Wasseramsel bleibt verborgen. Ich bin für den genannten Einsatzbereich nicht zufrieden.
5)Zeiss 12 x 45 Conquest. Dieses Glas holt den Reiher näher heran. Das Auge wird als ein schwarzer Punkt im grauen Kopf sichtbar, die abstehenden Federn sehr schön, der Erkenntnisgewinn bei der Wasseramsel bleibt gering. Ein interessantes Glas, mir wäre die Vergrößerung zu hoch, in der hier vorgestellten Reihenfolge das bisher beste.
6)Kowa 8 x 32 DCF. Dieses Glas ist gut. Vergleicht man es mit dem Conquest 12 x 45, so liegt der Seheindruck im Gegenlicht auf ähnlichem Niveau. Ein Beobachter kommt mit dem Einblick nicht zurecht. Dieses Fernglas ist meinem 8 x 20 Zeiss bei Gegenlicht überlegen, wer hätte das gedacht.
7)Zeiss 7 x 42 Victory FL. Im Gegenlicht das beste Glas, leider für die Aufgabe etwas schwach vergrößernd. Die Wasseramsel hat wirklich eine helle Brust, nicht weiß aber ein sicheres Mittelgrau im Kontrast zum Dunkelgrau. Es geht also doch. Der Graureiher zeigt hier zum ersten Mal im angelegten Flügel eine Schattierung. Der Kopf ist vom Schnabel abgesetzt, das Auge erkennt man auf den ersten Blick. Es werden kleine wasserumspülte Steine sichtbar, die man mit den anderen Gläsern, auch dem Conqest nicht erkennen kann. Schade, daß hier kein 10 x 42 Victory zur Hand war, denn das wäre interessant geworden. Das Glas ist gut.
8)Leica Trinovid 10 x 50 BN. Im Vergleich zum Zeiss 7 x 42 gibt es eine Kleinigkeit mehr störendes Gegenlicht, aber die Vergrößerung gefällt. Der Reiher wird sehr gut dargestellt, Schnabel, Auge, Kopffedern, Kniegelenke, wir haben die Vergrößerung gefunden. Die Wasseramsel zeigt die hellere Brust, auch hier reicht es aber nicht, den Farbtonunterchied zwischen Kopf und Nackenbereich und dem Flügel zu sehen. Die kleinen Steine sehen nicht so gut aus, wie beim Zeiss 7 x 42, da kann aber die unterschiedliche Vergrößerung eine Rolle spielen.
Das Glas ist gut.
Zur Ehrenrettung meines alten 8 x 20 möchte ich die 10 Jahre intensiver Nutzung anführen. Es ist möglich, daß übertriebenes Putzen einerseits und die Weiterentwicklung andererseits das aktuelle 8 x 20 besser abschneiden lassen. Wir hatten aber kein aktuelles Spitzenglas dieser Abmessungen von Leica oder Zeiss zum Vergleich.
Wir haben einige Passanten durch unsere Aktivitäten veranlaßt, sich mit Neugier und mehr oder weniger sachkundigem Rat an unserer Nachmittagsbeschäftigung zu beteiligen. Gestern nachmittag konnte man dann entdecken, wie zwei dieser Passanten ihre eigenen Gläser auf das selbe Ziel ausrichteten. Was man halt so macht, wenn man nichts zu tun hat.
von Kalm
