Schön, daß es so schnell ging, weil das Fernglas nicht zu Nikon eingesandt werden mußte, was wahrscheinlich einen Transport nach Japan und eine mehrmonatige Wartezeit bedeutet hätte. In diesem Falle war es für Sie ein Vorteil, daß dieses Fernglas nicht wasserdicht war, denn dann hätte es Herrn Jülichs Optikermeister nicht öffnen können, um den Justagefehler zu beheben.
Zitat aus Ihrem vorherigen Beitrag: „Die Fernglasachsen waren in der Hochachse gegeneinander verstellt. Es soll nicht sehr viel gewesen sein. Wieso kann mich dieser Fehler stören, wenn ich keine Doppelbilder sehe?“ Ende des Zitats.
Diese Frage hatte ich Ihnen bereits beantwortet. Ich zitiere den Text jetzt nur deshalb, weil daraus doch eindeutig hervorgeht,
daß der Fehler Sie gestört hat. Sie können also nicht behaupten (neues Zitat aus Ihrem neuen Text:), „dass ich den Fehler überhaupt nicht wahrgenommen habe, obwohl ich mir große Mühe gegeben habe“. Ende des Zitats.
Das Problem ist die exakte Formulierung: Sie haben den Fehler wahrgenommen, und zwar als störende Anstrengung beim Beobachten. Was Sie nicht wahrgenommen (oder besser gesagt: nicht erkannt) haben, war die Ursache der störenden Anstrengung. Das ist aber nicht verwunderlich, weil Sie kein Experte dafür sind. Zu merken, daß irgendetwas nicht stimmt oder so ist, wie es sein sollte, ist einfacher, als die richtige Diagnose zu stellen, welche Ursache die Störung hat. Im vorliegenden Falle war es eine geringfügige Abweichung der beiden optischen Achsen von der Parallelität. Sie war so klein, daß Ihnen die daraus resultierende Verschiebung der Bilder des linken und rechten Auges gegeneinander nicht aufgefallen ist, zumal ja Ihre Augen (gerade noch?) in der Lage waren, beide Bilder trotz des Versatzes zur Deckung zu bringen. Aber dazu mußten Ihre Augenmuskel „schwer arbeiten“, was nicht von Ihnen bewußt gesteuert, sondern ganz automatisch, sozusagen „im Hintergrund“ abgelaufen ist. Sie merken doch bei anderen in Ihrem Körper automatisch ablaufenden Prozessen auch nicht, was da gerade geschieht, z.B. wenn Ihr Magen verdaut, wenn die Lunge atmet, wenn das Herz das Blut durch die Adern pumpt, wenn Niere und Galle ihre Reinigungsarbeit verrichten oder welche komplizierten Steuerungsabläufe vom Gehirn über Nerverleitungen zu den vielen Muskeln Ihrer Hand und Finger erfolgen, wenn Sie einen Brief mit Ihrem Namen unterschreiben.
Das ist auch gut so, denn wenn Sie alle diese beinahe unendlich vielen Prozesse in allen Ihren Körperorganen oder gar in den Milliarden Körperzellen bewußt steuern müßten, wären Ihr Gehirn total überfordert.
Was stört Sie also daran, daß Sie zwar bemerkt haben, daß das Beobachten durch Ihr dejustiertes Fernglas aus irgendeinem Grund plötzlich viel anstrengender geworder ist, Sie aber (bisher - jetzt ist es dank Ihrem Händler und diesem Forum anders) nicht wußten, aus welcher Ursache. Zur richtigen Diagnose ist ein gewissen Spezialwissen nötig. Nicht anders, als wenn Sie z.B. gesundheitliche Probleme haben: Sie merken, daß es bei bestimmten Körperhaltungen oder Bewegungen unterhalb der Rippen zwickt. Sie nehmen also ein Symptom wahr. Um die Ursache dafür zu finden, gehen Sie zum Arzt, dem Spezialisten für gesundheitliche Probleme und deren Behebung. Der wird nach entsprechenden Prüfungen (Ausfragen, Abtasten, Blutuntersuchung usw.) hoffentlich herausfinden, ab der Magen, der Darm, die Nieren, die Leber, die Galle usw. die Schmerzen verursacht und warum. In diesem Falle war Herr Jülich bzw. sein Optikermeister Ihr Arzt fürs Fernglas. Weil er weiß, wie es im Bauch Ihres Fernglases aussieht und wie dort gewisse Dinge richtig funktionieren sollen, konnte er eine erfolgreich verlaufene Operation durchführen, nach der Ihr Fernglas wieder gesund war.
Ich hoffe, daß Sie jetzt wieder beruhigt Beobachtungen mit Ihrem Fernglas machen können und nicht weiter darüber lamentieren, daß Sie zwar ein Symptom bemerkt, aber nicht dessen Ursache erkannt haben. Sollte ein gleicher Fehler mit diesem oder einem anderen Fernglas wieder auftreten, werden Sie wahrscheinlich aufgrund dieser jetzigen Erfahrung nicht mehr im Dunkeln tappen und sich fragen, warum das Beobachten so anstrengend geworden ist, sondern Sie werden dann vermuten, daß es wohl erneut zu einer Dejustage der optischen Achsen gekommen ist – obwohl Sie auch dann die Verkippung der Achsen wegen des zu kleinen Winkels wieder nicht sehen werden, weil Ihre Augen erneut ganz automatisch den Fehler zu kompensieren versuchen werden.
Walter E. Schön