Falls Sie alt genug sind, um den Bundespräsidenten Heinrich Lübke noch aus eigener Anschauung zu kennen: Wußten Sie, daß er in seiner frühesten Jugend ein Wunderkind war? Warum? Er konnte schon als Vierjähriger so gut reden wie später als Bundespräsident.
Und warum ist das Swarovski EL heute nicht (oder kaum) besser als bei seiner Einführung? Weil es ebenfalls damals schon so gut war wie heute!
Die normale Modellpflege nicht nur der Fernglashersteller umfaßt überwiegend geringfügige, vom Anwender meistens nicht unmittelbar erkennbare Verbesserungen. Diese müssen sich bei Ferngläsern nicht unbedingt in der optischen Qualität auswirken, sondern können auch zu Kosteneinsparungen, zu einfacherer oder präziserer Montage oder Justage in der Fertigung dienen, Maßnahmen zur Beseitigung von Schwachstellen (die z.B. anhand von Reklamationen und Garantiefällen erkannt wurden) oder Materialänderungen im Interesse besserer Verschleißfestigkeit umfassen usw. Darüber wird nicht viel geredet, denn das könnte von manchen Kunden auch als Eingeständnis aufgefaßt werden, daß das Produkt vorher noch nicht optimal war (eigentlich etwas ganz Normales, aber dennoch unerwünscht).
Im Falle der EL-Ferngläser wurde z.B. die von Ihnen schon erwähnte schnellere Fokussierung (1,5 statt vorher 2,5 Umdrehungen von unendlich bis zur Nahgrenze) eingeführt, später die hydrophobe Easy-to-Clean-Beschichtung, die dann in Swaroclean umbenannt wurde, und es wurde auch die Oberflächenstruktur der Gummiarmierung etwas griffiger. Dann wurde die dünne Nylontasche durch eine stabilere und besser schützende Falt-Tasche ersetzt (die allerdings neue Nachteile hat, z.B. daß sie sich zumindest beim 8,5x42 nicht schließen läßt, wenn die Objektiv- und Okularschutzdeckel aufgesetzt sind, und daß der Druckknopf beim Öffnen und Schließen ein recht lautes Geräusch erzeugt). Als Zubehör wurden ein Stativadapter und ein Klemmring für Digital-Kompaktkameras auf den Markt gebracht. Und sicher gibt es noch weitere Änderungen, die mir nicht aufgefallen oder die für den Anwender überhaupt nicht erkennbar sind, weil sie im Inneren des Geräts vorgenommen wurden.
Wenn größere Änderungen erfolgen, insbesondere mit Auswirkung auf die Bildqualität, dann nehmen das die Hersteller meistens zum Anlaß, die Produktbezeichnung zu ändern (z.B. wie bei Leica von Ultravid BR auf Ultravid HD), um so deutlich auf die Verbesserungen hinzuweisen und damit evtl. neue Kaufanreize auszulösen – leider fast immer auch, um deutliche „Preisanpassungen“ (im Klartext: Preiserhöhungen) vorzunehmen. Auch Swarovski war da nicht untätig und hat – allerdings nach einem relativ langen Zeitraum – die EL-Gläser mit 42 mm Öffnungsdurchmesser komplett überarbeitet und die neuen Modelle Swarovision EL genannt. Sie sollen trotz bisher schon sehr guter Abbildungsqualität diesbezüglich einen großen Sprung nach oben bringen. Allerdings konnten wir das noch nicht überprüfen, da Swarovski diese Nachfolgemodelle der heutigen ELs unmittelbar nach ihrer öffentlichen Vorstellung wieder zurückgezogen und die Markteinführung auf Anfang 2010 verschoben hat, weil es Probleme gab, die man nicht genau benennen wollte (weshalb ich damals Patentstreitigkeiten vermutete, evtl. mit Nikon, die ich immer noch nicht völlig ausschließen will).
Unbestritten ist, daß die EL-Serie von Anfang an bis auf die anfangs zu langsame Fokussierung sehr gut gelungen war, und so konnte sie sich schon so lange ohne größere Änderungen konkurrenzfähig halten. Das braucht Sie nicht zu beunruhigen! Freuen Sie sich doch darüber, daß Ihr schon viele Jahre lang benutztes EL immer noch ein hervorragendes Fernglas ist und Ihnen die vorzeitige Anschaffung eines besseren (und sicher teureren) Nachfolgemodells erspart hat! Nächstes Jahr dürfen Sie dann Ihr altes EL verkaufen und so einem anderen Fernglasfreund, der sich so ein Top-Fernglas neu nicht leisten kann, eine große Freude bereiten, um sich dann das angeblich noch etwas bessere und leider auch teurere Swarovision EL zu kaufen, wenn Sie Ihrer Lieblingsmarke treu bleiben wollen.
Walter E. Schön
