Es ging hier – so wie es sich mir darstellt - nicht um Träume, sondern um Realitäten, die seit über einem Jahrhundert herrschen. Mit Carl Zeiss in Jena (Porroprismenfernglas ‚mit erweitertem Objektivabstand’) und Hensoldt (erst Fernrohre, dann die ersten Dachkantengläser) in Sonneberg / Thüringen, beide später in Wetzlar begann es. Es folgten Leitz und einige andere Unternehmen in Deutschland, sowie Nikon in Japan und zum Schluss Swarovski in Österreich. Übrig blieben im Bereich der absoluten Spitzenoptiken zwei deutsche Unternehmen, eins aus Österreich und ein bis zwei Japanische. Warum wohl? Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung, qualifiziertes Personal, solide industrielle Basis und verlässliche Infrastruktur im weiteren Sinne, Prestige gegründet auf die Qualität der Produkte und deren Alleinstellungsmerkmale am Markt. Vielleicht (bei weitem nicht immer) auch noch unternehmerische Weitsicht und relativ stabile wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen. Bei einigen Unternehmern und ihren Entwicklern mag auch Begeisterung und Passion ein Rolle gespielt haben.
Es gibt inzwischen auch viele andere Fernglashersteller. Eigentlich ohne Ausnahme sind die jedoch nicht in der Lage, die Optiken der Premiumklasse in großer Serie bei konstanter Qualität herzustellen und anzubieten, zu welchem Preis auch immer. Die Bereiche der Billigst-, Billig-, Unter- und Mittelklasse bis zu speziellen Produkten der Oberklasse können sie aber bedienen.
Klar, wer einen Golf kaufen möchte und 25 Prozent vom Preis bei gleicher Qualität sparen kann, wird dies in der Regel tun. Der Golf ist solide, aber nicht spektakulär – und auch nicht absolute Spitze. Premiumoptik ist dies – entgegen Ihrer Vermutung - sehr wohl (Schon mal selbst durchgeschaut? Intensiv?). Spitzenferngläser entsprechen der Mercedes, BMW, Porsche, der oberen Audi und der Lexus Klasse. Da haben wir sie wieder, die deutschen Unternehmen, die Österreichischen Familien und die Japaner. Kurzum, die Unternehmen mit der Erfahrung, dem qualifizierten Personal und der industriellen Basis mit hinreichend stabilen Rahmenbedingungen. Solange diese Produkte nicht in exakt derselben Qualität aus Niedriglohnländern zu deutlich geringeren Preisen auf unserem Markt angeboten werden können, muss und wird sie der daran interessierte Kunde wohl zum entsprechenden Preis im Hochlohnland kaufen. „Und das ist auch gut so“ – wie wir hier in Berlin zu sagen pflegen.
Hindurchsehen reicht den meisten Beobachtern, die an der Anwendung und der Qualität der Abbildung interessiert sind; der gute Ruf und die Testberichte stellen den faulen (oder effizienten) und potenten Käufer zufrieden (der liest dann auch schon einmal mehr als 200 Zeichen, oder lässt sie sich vom Verkäufer vorlesen – es geht ja nicht um MP3 player, Billig-Digi-Knipsen oder vermeindliche Espressomaschinen); für den Sexappeal sorgt beim prestigeorientierten Rennbahnbesucher, Operngänger oder Jäger vielleicht das Logo der Marke. Kurzum, Spitzenoptik ist begehrenswert, wenngleich nur zu geringem Teil im Sinne italienischer Mode, denn sie unterliegt weit weniger dem Geschmack der Saison und läßt sich in der Öffentlichkeit kaum tragen.
Herr Karlchen, war es Groll, Skepsis oder gar Pessimismus, der Sie trieb? Falls Sie im Sinne der Wertschätzung guter Optik argumentierten, denke ich, wir können zuversichtlich in die Zukunft schauen, auch im Hinblick auf die deutschen, österreichischen und japanischen Arbeitsplätze in diesem Bereich – so wahr uns das gute Sehvermögen erhalten bleibe.
Grüsse aus Berlin,
Jan Münzer