Leider kann ich kein Urteil über das Minox BD 10-15x40 BR abgeben, da ich es nie in Händen hatte. Aber ich weiß, daß ausnahmslos alle Zoomferngläser einen deutlich kleineren scheinbaren Sehwinkel haben als Ferngläser fester Vergrößerung. Bei billigeren Modellen ist das besonders ausgeprägt und der Blick durch ein solches Fernglas ein klassischer „Tunnelblick“.
Ich will einem mir unbekannten Glas nicht von vornherein einen solchen Tunnelblick unterstellen, aber ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich vor dem Kauf eines solchen Zoomfernglases davon zu überzeugen, ob es diesbezüglich nicht zu schlecht ist. Das normale Durchschauen hilft (insbesondere unerfahrenen Fernglasbeobachtern) leider nicht zuverlässig, da der fehlende Vergleich zu Fehleinschätzungen führen kann. Selbst das abwechselnde Schauen durch das zu prüfende Zoomfernglas und ein als im Sehwinkel gut bekanntes Fernglas fester Vergrößerung ist nicht zuverlässig genug. Ich empfehle Ihnen daher, bei einem solchen Vergleich wie folgt vorzugehen, den Sie in einem Raum mit weißer Wand oder Decke und mit Fenster, das den Blick nach draußen zu einem sehr weiten Objekt zuläßt, durchführen können:
1. Nehmen (leihen) Sie sich ein hochwertiges Fernglas ähnlicher Daten, also in Ihrem Falle am besten ein 10x42 von Leica, Nikon, Swarovski oder Zeiss (wie immer von mir in alphabetischer Folge angegeben) mit vorbildlich großem scheinbaren Sehwinkel als Referenz, auch wenn Ihnen ein solches Fernglas zu teuer sein sollte. Das Zoomfernglas stellen Sie auf dieselbe Vergrößerung ein, die das Referenzfernglas bietet, also z.B. auf 10fache Vergrößerung.
2. Falls Sie Brillenträger sind, empfiehlt es sich, den folgenden Test zunächst ohne Brille durchzuführen, also ggf. die Augenmuscheln der Ferngläser aufzustellen, herauszuziehen oder herauszudrehen und ohne Brille hineinzuschauen, weil dann der Vergleich garantiert nicht durch den von einer Brille erzwungenen größeren Augenabstand beeinträchtigt wird. Da Sie als Brillenträger allerdings später wahrscheinlich meistens mit Brille beobachten werden, sollten Sie anschließend den ganzen Test auch nochmals komplett mit Brille durchführen, also die Augenmuscheln umklappen, einschieben oder eindrehen und so prüfen, ob eventuell bei Beobachtung mit Brille der scheinbare Sehwinkel weiter eingeschränkt wird. Sie bekommen auf diese Weise einen Eindruck davon, wie sich das zu prüfende Fernglas bei Nicht-Brillenträgern und bei Brillenträgern verhält.
3. Dann stellen Sie die Schärfe des zu prüfenden sowie des Referenz-Fernglases an einem sehr weit entfernten Objekt, also z.B. beim Blick durchs möglichst offene Fenster, korrekt (annähernd auf unendlich) ein.
4. Nehmen Sie nun, ohne etwas an der Fokussierung zu ändern, das eine Glas in die linke und das andere in die rechte Hand und halten Sie beide Ferngläser so vor Ihre Augen, daß Ihr linkes Auge durch das rechte Okular des linken Fernglases und Ihr rechtes Auge durch das linke Okular des rechten Fernglases gegen die weiße Wand oder Zimmerdecke schauen kann. Weil die weiße Fläche nah ist, das Fernglas aber noch auf die sehr weite Entfernung oder gar auf unendlich scharfgestellt ist, können Sie keine Strukturen (z.B. einer Rauhfasertapete) sehen, sondern nur eine jeweils helle kreisrunde Fläche. So soll es auch ein, denn Ihre Konzentration soll allein der Größe der beiden Kreise gelten und nicht durch irgendwelche sichtbare Strukturen abgelenkt werden. Sie müssen die beiden Ferngläser so halten, daß Sie mit beiden Augen gleichzeitig je eine solche helle Kreisscheibe sehen und beide Kreisscheiben fast zur Deckung kommen, zumindest aber sich sehr stark überlappen. Das kann Ihnen evtl. anfangs etwas schwerfallen; Sie müssen es dann einfach mehrmals probieren, bis es Ihnen gelingt.
5. Nun versuchen Sie, die beiden einander weitgehend überlappenden Kreisscheiben in ihrem vertikalen Durchmesser zu vergleichen. Sie werden im Fernglas fester Vergrößerung eine viel größere Scheibe sehen. Wenn die im Zoomfernglas sichtbare helle Scheibe in der Höhe (also im vertikalen Durchmesser) etwa 85 bis 90% der größeren Scheibe des Referenzglases erreicht, dann wäre es ein im scheinbaren Sehwinkel noch gutes Zoomfernglas. Zeigt es deutlich weniger, z.B. nur 70°, wäre es ein typisches Tunnelblick-Zoomfernglas, und dann sollten Sie es lieber nicht kaufen.
Bedenken Sie, daß die sichtbaren Flächen sich wie die Quadrate der Durchmesser verhalten. Ein Zoomfernglas, das im Durchmesser des Sehfeldes z.B. nur 70% (= 0,7) zeigt, zeigt in der Fläche nur 0,7 · 0,7 = 0,49 = 49%, also nur etwas die Hälftle des Sehfeldes, die man im Referenz-Fernglas fester Vergrößerung sehen kann. Das wäre dann garantiert kein zu empfehlendes Zoomfernglas, selbst wenn es in der Zentral- und Randschärfe noch gut wäre. Ein großes Sehfeld erleichtert es insbesondere bei hoher Vergrößerung, Ihr Ziel schneller zu finden und auch viel Umfeld wahrzunehmen, in dem sich evtl. weitere interessante Tiere befinden können.
Ganz abgesehen von dieser Prüfung der Sehfeldgröße bzw. des scheinbaren Sehwinkels möchte ich noch zu bedenken geben, daß Sie bei freihändiger Beobachtung von der Möglichkeit, bis zu 15fach zu vergrößern, nicht viel haben werden. Denn bei Vergrößerungen über etwa 10fach (mancher sagt sogar: über 8fach) wird das Bildzittern durch Herzschlag, Atmung und vor allem Tremor (Muskelzittern, das sich bei Anstrengung, also schon nach weniger als einer Minute des Fernglas-am-Auge-Haltens, stark erhöht) schnell so stark, daß es den Gewinn an Detailauflösung durch die stärkere Vergrößerung weitgehend bis vollständig zunichte macht. Warum sollten Sie dann ein Zoomfernglas mit seinem gravierenden Nachteil des deutlich kleineren Sehwinkels und auch der schlechteren Abbildungsqualität wählen, wenn Sie dann in der Praxis doch immer nur mit 10facher Vergrößerung beobachten? Anders wäre es nur, wenn Sie bereit sind, oft ein Stativ und einen Stativadapter zu benutzen, damit das Fernglas stillsteht und das Bild nicht zittert, um die höhere Vergrößerung praktisch nutzbar zu machen.
Ich hoffe, daß Ihnen dieser Vergleich und die zusätzlichen Ratschläge ein wenig helfen können, sich über die Eignung des Minox BD 10-15x50 BR für Ihre Beobachtungen klar zu werden. Natürlich ist Sehfeld nicht alles, sondern auch andere Eigenschaften wie die schon genannte Zentral- und Randschärfe, die für die Bildhelligkeit maßgebliche Transmission (siehe hierzu meinen Papiertest z.B. hier: [
www.juelich-bonn.com] im letzten Textabsatz, machen Sie diesen Test im Vergleich mit dem obengenannten Referenz-Fernglas), die Nahgrenze, die Griffigkeit und Bedienbarkeit, das Gewicht und die Größe, das Einblickverhalten usw. sollten beachtet werden. Aber falls sich zeigt, daß das Sehfeld zu klein ist, wäre es für mich ein „K.O.-Kriterium“, auch wenn in den anderen Eigenschaften nichts zu kritisieren wäre.
Walter E. Schön