Hallo Herr Willnow,
eigentlich möchte ich einmal einen vergleichenden Erfahrungsbericht mit dem Nobilem 8x50 B und dem Zeiss Victory 8x56 FL verfassen, aber dazu braucht es Zeit und Wetter, ganz unterschiedliches, versteht sich, und eine Ziegelmauer, Textplakate, bürgerliche Dämmerung und dunkle, klare Nächte, und auch Vollmond und so weiter und so weiter; aber da Sie nun nach dem guten alten Stück fragen, ist der Versuch einer kurzen und eher generellen Standortbestimmung für das Nobilem 8x50 B vielleicht schon vorher angebracht.
Eingangs muß erwähnt werden, daß die Konstruktion des Octarem 8x50 B auf die erste Hälfte der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht, also bald 25 Jahre alt sein wird. Mein beledertes Exemplar des Nobilem 8x50 B stammt bereits aus der frühen Produktion von Docter, spiegelt also den Stand der Fertigungstechnik von vor 16 oder 17 Jahren wider. Spätestens hier wird klar, eigentlich kann ein Fernglas aus dieser Zeit mit den heutigen Spitzenprodukten, die darüber hinaus relativ zum Einkommen deutlich teuer sind, gar nicht mehr mithalten. Oder? Ich denke, es kommt zu einem recht großen Teil darauf an, worauf man Wert legt.
Der ’optische’ Auftritt des belederten Nobilem 8x50 B ist unspektakulär, aber von zeitloser Eleganz und zurückhaltend luxuriöser Ausstrahlung. Klassisch Porro - ganz Fernglas, wohlproportioniert lange Objektivtuben mit einem recht opulenten Prismengehäuse, das entsprechend üppig ausgelegte Prismen beherbergt und von eleganten, geschwungen ausgeformten Abschlusskappen begrenzt wird. Eine stabile Knickbrücke und hochwertige, robuste Mechanik in mattem Schwarz geben den soliden Rahmen für dieses Instrument, welches vom Geruch des hochwertigen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Lederköchers umströmt wird.
Was gefällt (mir) nun von den inneren Werten, der optischen und mechanischen Leistung, der Ausstattung und der Haptik?
Die Mittenschärfe des Nobilem ist sehr gut. Sterne werden über einen großen Bereich als scharfe Punkte abgebildet, ohne wenn und aber. Die Randschärfe meines Exemplars ist vorbildlich, besser als beim Victory 8x56 FL. Hier müsste es vielleicht besser heißen, der Abfall der Schärfe zum Bildfeldrand hin ist deutlich geringer und tritt erst weiter außen auf als bei meinem Victory, da dessen Mittenschärfe etwas besser ist.
Das Bild des Nobilem ist hell, obwohl die Transmission des Glases um bestimmt 10 Prozent geringer als die des aktuellen Topglases sein wird. Die Mehrfachvergütung aus den frühen Neunzigern leistet im Vergleich jedoch einiges, die geringere Transmission ist bei einigen Lichtverhältnissen nicht so stark als Abschlag bei der Bildhelligkeit erkennbar, vielleicht liegt es am Farbton des Bildes (Ich habe eine ausgeprägte Rot-Grün-Schwäche und kann diesen Eindruck nicht präzise wiedergeben oder gar erklären).
Streulichtanfälligkeit ist in einigen Situationen nicht vom Auge zu weisen, obwohl die Objektivtuben im Inneren eigentlich gut geschützt sein sollten, ist die Anordnung der Streulichtfallen, vor allem aber ihre Lackierung wohl nicht gut gewählt. Dies macht sich in vielen Situationen nicht merklich, in einigen kritischen jedoch besonders deutlich bemerkbar. Hier wird der Vorsprung moderner Topgläser ganz klar sichtbar.
Der Mitteltrieb läuft tadellos in etwa einer Umdrehung von nah auf fern. Keine Schwächen im Vergleich zu den aktuellen Gläsern. Einzig die zentrale Lage und der moderate Durchmesser der Fokussierwalze kann das bequeme Bedienen für kleine Hände weniger komfortabel werden lassen.
Ein Stativadaptergewinde, welches wir an aktuellen Gläsern schmerzlich vermissen und Gummiringe zum Schutz der metallischen Abschlusskappen der Objektive runden die Ausstattung ab. Die Gummistülpaugenmuscheln, die bei mir – Betrachtung ohne Brille - sehr angenehm zu benutzen sind, unterstützen jedoch ein Beschlagen der Okularlinsen bei kaltem Glas bzw. kalter Witterung. Das kann nervig sein, da dann ersteinmal fast nichts mehr geht. Aber dafür spendieren die Okulare einen unverschämt großen Austrittspupillenabstand. Das gesamte Sehfeld kann von mir mit Sonnenbrille problemlos betrachtet werden.
Im Folgenden werden einige technische Daten des Nobilem 8x50 B und moderner Alternativen aus dem Premiumbereich im Format (Realer Sehwinkel / Subjektiver Sehwinkel, genähert / Sehfelddurchmesser auf 1000 m, gerundet / Gewicht / Austrittspupillenlage) angegeben. Diese Zusammenstellung macht in meinen Augen die klassischen Qualitäten und die Ausgewogenheit der Konstruktion des Nobilem im Vergleich zu den Spezialisten der aktuellen Produktpalette deutlich.
Nobilem 8x50 B (7,4° / 59° / 130 m / 1070 g / 19 mm)
Victory 8x56 Fl (7,4° / 59° / 130 m / 1240 g / 16 mm)
Swaro 8x50 SLC (7,0° / 56° / 123 m / 1150 g / 21 mm)
Ultravid 8x50 (6,7° / 54° / 117 m / 1000 g / 17 mm)
Platz 1 für das Nobilem gemeinsam mit dem Victory bei Sehwinkel, SSW und Sehfeld auf 1000m, merklich vor Swaro und deutlich vor Leica.
Platz 2 für das Nobilem beim Gewicht, nach dem Leica, vor Swaro und deutlich vor Zeiss.
Platz 2 für das Nobilem bei der AP-Lage, nach dem Swaro und deutlich vor Leica und Victory.
Sehr gut erhaltene Nobilem 8x50 B gibt es für 250 bis 350 Euro, darunter Exemplare mit deutlichen Gebrauchspuren. Die Topgläser der großen Drei sind 4 bis 7-mal so teuer.
Mein Fazit: das Nobilem ist natürlich in die Jahre gekommen, wie sollte es auch anders sein. Es gibt einige Gründe dafür ein aktuelles Glas, z.B. das Victory 8x56 FL zu kaufen. Die Transmission, vor allem aber der Streulichtschutz sind verbesserungswürdig, echte Druckwasserfestigkeit kann nützlich sein, Augenmuscheln, die nicht zum Beschlagen der Okulare neigen, sind eigentlich als Standard anzusehen; aber wer nicht im Regen oder im Regenwald und nicht hauptsächlich über gleißend helle Wasserflächen im Gegenlicht oder gegen dunkle Waldränder unter hellem Himmel beobachten muß, und wer nicht unbedingt Wert auf die letzten Prozent optischer Leistung legt, bekommt für 15 bis 25 Prozent des Preises eines aktuellen Premiumprodukts mit dem Nobilem 8x50 B ein sehr gelungenes, optisch noch ziemlich gutes und mechanisch solides Glas, dessen Ausgewogenheit der verschiedenen Eigenschaften bei der Auslegung bis heute von den Spitzengläsern, meiner Meinung nach, in ihrer Gesamtheit kaum erreicht wird: sehr gute optische Qualität, großes Sehfeld, dabei gute Randschärfe, geringes Gewicht, sehr gutes Einblickverhalten, auch für Brillenträger; und das ganze recht robust in sehr solider Verarbeitung.
Jan Münzer
PS Für konkrete, systematische und optisch fundierte Vergleichstest mit dem Nobilem empfehle ich die Homepage von Holger Merlitz.