Wie Ihnen schon Herr Fritzen geschrieben hat, taugt dieses Fernglas nicht zu dem von Ihnen vorgesehenen Zweck. Es ist zwar robust und kompakt, aber das Fehlen einer Zentralfokussierung, der enge Sehwinkel und die weite Nahgrenze sind erhebliche Schwachpunkte und wären auch für mich K.o.-Kriterien. Was die Transmission betrifft, so kann die eventuel sogar sehr schlecht sein, nämlich dann, wenn Sie ein solches Fernglas mit Laserschutzfilter erwerben sollten, das nicht nur im unsichtbaren Infrarotbereich sperrt, sondern auch im Sichtbaren einiges an Licht absorbiert. In einigen Fällen werden solche Ferngläser mit entferntem Laserschutzfilter angeboten, bei den meisten Angeboten ist es aber noch drin.
Diese ursprünglich von Kern für das Militär entwickelten Ferngläser wurden nach der Übernahme von Kern durch Wild und von Wild durch Leica als Leica-Ferngläser vielfach bei eBay angeboten, teils neuwertig und teils gebraucht. Mit den Leica-Dachkantferngläsern und deren Qualität haben sie absolut nichts zu tun; man versucht nur beim eBay-Verkauf, den guten Namen „Leica“ bei Naturfreunden und Vogelbeobachtern auszunutzen. Ich will damit keineswegs sagen, daß Kern damit Minderwertiges produziert hätte! Vielmehr hatte Kern alle Parameter auf die Bedürfnisse des Militärs abgestimmt und unter diesem Gesichtspunkt auch ein sehr gutes Ergebnis erzielt, aber eben nicht für den Gebrauch zur allgemeinen Natur- und insbesondere auch zur Vogelbeobachtung.
Bedenken Sie auch, daß es bei Militärferngläsern für die Truppe vor allem auf Robustheit, Wasserdichtheit, Einfachheit der Handhabung ankommt (bei Beobachtung ausschließlich auf große Entfernungen, daher keine Notwendigkeit, eine vernünftige Zentralfokussierung einzubauen, sondern nur eine notdürftig auch zum Fokussieren geeignete Dioptrienkorrektur für beide Okulare vorzusehen). Ferner darf so ein Fernglas auch nicht zu kostspielig sein, weshalb man auf alles verzichtet, was im militärischen Einsatz (Fernbereichsbeobachtung!) unwichtig ist. Im Falle dieses Kern-Wild-Leica-Glases ging das so weit, daß man gar nicht vorsah, daß es im Falle eines Defekts im Detail repariert wird, sondern daß man die beiden Fernglashälften so baute und relativ zur Knickbrückenachse so justierte, daß man bei Bedarf einfach die defekte Hälfte entfernte und durch eine neue Hälfte ersetzte (diese Reparaturmethode ist meines Wissens bei keinem anderen Militärglas als Standard vorgesehen).
Als Einsatzgebiet für dieses Fernglas halte ich eigentlich nur den maritimen Bereich (im Segel- oder Motorboot oder bei sonstigem Wassersport und auf Seereisen) für sinnvoll. Denn da nützten die Wasserdichtheit und Robustheit und auch die nicht zu hohe Vergrößerung. Die Einzelokularfokussierung ist dann ebenfalls kaum ein Nachteil, weil man fast nur auf sehr große Entfernungen beobachtet, also nach einmaliger Einstellung (auf eine eventuelle Fehlsichtigkeit) nicht mehr nachfokussieren muß, weil auf sehr große Entfernungen alles innerhalb der Schärfentiefe bleibt, welche vor allem durch die Akkommodationsfähigkeit der Augen gegeben ist. Für die Astronomie wäre die Einzelokularfokussierung zwar ebenfalls kein Nachteil, aber dafür halte ich das „Lichtsammelvermögen“ aufgrund der bescheidenen Öffnung und Transmission für zu schlecht.
Lassen Sie sich also nicht durch den Namen Leica verführen. Suchen Sie nach einem Dachkantfernglas mit Zentralfokussierung und vernünftigen Sehfeld neueren Datums. 8x30 oder 8x32 wäre schon richtig, wie Herr Neumann sagte, aber diese Kennzahlen allein reichen nicht aus, wie gerade dieses Beispiel sehr deutlich zeigt. Käme eventuell ein gebrauchtes Trinovid 8x32 BA oder BN in Frage? Das sollte nicht sehr viel teurer sein, würde aber Ihrem Anwendungsbereich weit besser entsprechen.
Walter E. Schön
