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Re: Unterschiede im Nahbereich

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22. Februar 2005 22:21
Vorab: Die Beobachtung ist korrekt und zeugt von guter Aufmerksamkeit.

Jedem Fotografen ist bekannt, daß man durch Abblenden des Objektivs die Schärfentiefe (= die räumliche Zone, welche noch nicht als unscharf wiedergegeben wahrgenommen wird) vergrößern kann. Denselben Effekt gibt es beim Auge, wobei die Pupillengröße entscheidend ist. Die Iris (Regenbogenhaut) bildet die Blendenöffnung vor der Augenlinse und definiert somit die Pupillengröße.

Die Pupillengröße wird über einen komplizierten Regelmechanismus vom Gehirn auf Basis der von den Sehzellen gelieferten Helligkeitssignale gesteuert: Je heller es ist, um so weiter verkleinert sich die Öffnung bis auf ca. 1,8 mm, je dunkler es ist, um so weiter öffnet sie sich bis auf knapp über 7 mm (in höherem Alter evtl. auch weniger).

Beim Sehen ohne Fernglas fällt uns die bei weit offeren Pupille geringere Schärfentiefe nicht auf *), da das Auge in Sekundenbruchteilen akkomodiert, d.h. sich auf wechselnde Entfernungen über einen sehr großen Entfernungsbereich scharfstellt (erst etwa ab dem 45. Lebensjahr wird dieser Bereich signifikant eingeschränkt = Alterssichtigkeit). Aber beim Schauen durchs Fernglas wird das relevant. Denn die Vergrößerung hat zur Folge, daß die Entfernungsunterschiede zwischen verschiedenen in der Tiefe gestaffelten Objekten sich verändern, und zwar so, daß das Auge sehr viel stärker akkomodieren muß und dann schnell an die Grenze seiner Akkomodationsbreite stößt. Man kann durch Berechnung zeigen, daß dieser Effekt nicht proportional zur Vergrößerung, sondern proportional zum Quadrat der Vergrößerung auftritt, also bei einem 10fach vergrößernden Fernglas nicht nur um 25%, sondern um 56% stärker ist als bei einem nur 8fach vergrößernden Fernglas! Das ist übrigens ein Grund, weshalb ich älteren Beobachtern (ab etwa 50 Jahren) eher zu einem 8fach- als zu einem 10fach-Fernglas rate.

Wenn nun die Augenpupille sehr groß ist, und das ist in der Dämmerung und Dunkelheit der Fall, dann schrumpft unsere Schärfentiefe beim Blick durchs Fernglas auf einen Bruchteil der Schärfentiefe, die es bei kleinem Pupillendurchmesser hat.

Im vorliegenden Falle war es offensichtlich so, daß Ihr Futterhaus eigentlich schon näher war, als Sie am Fernglas einstellen konnten. Daß Sie es trotzdem scharf gesehen haben, lag nur daran, daß bei Tag, also bei kleiner Augenpupille die dann große Schärfentiefe in Verbindung mit Ihrer Akkomodationsfähigkeit noch ausreichte, um das eigentlich zu nahe Futterhaus noch scharf zu sehen. Nehmen wir an, die Naheinstellung des Fernglases (bei nicht akkomodiertem Auge) reiche bis 4,6 m (Trinovid BA) und das Futterhaus liege in einer Entfernung von 3,8 m. Dann könnte Ihre Akkomodationsfähigkeit vielleicht ausreichen, Ihr Auge auch noch auf eine wahre Entfernung von 4,2 m scharfzustellen. Die bei Tag kleine Pupille bringt Ihnen dann noch als diesseitige Schärfentiefe (= Schärfentiefe vor dem Objekt, es gibt auch eine jenseitige Schärfentiefe hinter dem Objekt, die größer ist) weitere 40 cm, so daß Sie das Futterhaus in 3,8 m auch noch scharf wahrnehmen.

In der Dämmerung bleibt Ihre Akkomodationsfähigkeit unverändert, so daß Sie auch dann das Auge noch für eine tatsächliche Entfernung von 4,2 m fokussieren können. Aber aufgrund den nun großen Augenpupille ist die Schärfentiefe stark reduziert und bietet Ihnen diesseitig nur noch einen Spielraum von z.B. weiteren 10 cm. Sie sehen dann nur ab 4,1 m scharf und das 3,8 m entfernte Futterhaus etwas unscharf.

Die obigen Zahlen sind angenommene Werte und nicht von mir berechnet (eine Berechnung ist bei Kenntnis einiger Parameter wie z.B. Ihrer stark altersabhängigen Akkomodationsfähigkeit und der bei Tag und in der Dämmerung sich bei Ihnen ergebenden Pupillengrößen möglich). Ich denke aber, daß auch ohne exakte Berechnung diese Erklärung hilfreich sein dürfte und das Verständis der Ursachen ermöglicht.

Walter E. Schön

*) Fehlsichtige kennen jedoch diesen Effekt: Während sie aufgrund der bei kleiner Pupille in großer Helligkeit großen Schärfentiefe evtl. auf eine Brille verzichten können, geht das abends oder nachts (z.B. beim nächtlichen Autofahren) nicht mehr, weil die große Pupille nicht mehr die erforderliche Schärfentiefe liefert. Dazu noch eine Anregung für alle Fehlsichtige zu einem interessanten Experiment: Nehmen Sie einen dünnen schwarzen Karton und stechen Sie mit einer dicken Nähnadel oder einem dünnen Nagel im Abstand von wenigen Millimetern viele Löcher über eine münzengroße Fläche hinein. Dann schauen Sie als Kurzsichtiger ohne Brille bzw. ohne Kontaktlinsen ein Motiv in großer Entfernung erst direkt und dann zum Vergleich durch den siebartig gurchlöcherten Karton an. Weitsichtige machen dasselbe mit einem sehr nahe gelegenen Motiv. Beide werden feststellen, daß sie bei direkter Betrachtung ohne Sehhilfe unscharf sehen, durch den perforierten Karton aber ziemlich scharf. Der Grund: Die kleinen Löcher wirken wie Blenden und erhöhen die Schärfentiefe (billiger Brillenersatz).

Wenn Sie nun mit dieser Kenntnis aus dem schwarzen Karton ein Loch von ca. 15 mm Durchmesser schneiden und den Karton so vor das Objektiv halten, daß das Loch zentrisch sitzt, dann reduzieren Sie zugleich die Austrittspupille von vorher 42mm:10 = 4,2mm auf jetzt 15mm:10 = 1,5mm. Wenn Sie so bei Dämmerung durchs Fernglas schauen, sehen Sie zwar ein sehr viel dunkleres Bild, weil Ihre dann vielleicht 5 mm große Augenpupille künstlich auf 1,5 mm verkleinert wird, aber Sie sehen Ihr Futterhäuschen dann genauso scharf wie bei Tag, weil die Schärfentiefe wieder etwa so groß wie bei Tag ist.
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Unterschiede im Nahbereich

Harald Matzke 2406 22. Februar 2005 19:20

Re: Unterschiede im Nahbereich

Walter E. Schön 1214 22. Februar 2005 22:21

Re: Unterschiede im Nahbereich

Harald Matzke 1314 23. Februar 2005 20:56



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