Das von Ihnen geschilderte Phänomen ist eine typische Interferenzerscheinung, die dann auftritt, wenn eine durchsichtige, sehr dünne Schicht (Schichtdicke in der Größenordnung der Lichtwellenlängen) auf dem Glas oder einem sonstigen Substrat liegt. Bei der Wasserpfütze ist es der in einem nur 1 oder wenige Moleküle dicken Ölfilm zerlaufene Öltropfen.
Die unterschiedlichen Farben ergeben sich je nach dem Brechungsindex des Films bzw. der Schicht aus deren Dicke und - was auch sehr wichtig ist - aus dem Lichteinfallswinkel. Daher verändert sich die Farbe einer Vergütungsschicht (genauer: die Farbe des von ihr an Vorder- und Rückseite reflektierten und anschließend sich überlagernden Lichts), wenn Sie aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Oberfläche schauen.
Möglicherweise sind Ihre Okulare gar nicht verschmutzt, sondern Sie haben nur diesen mit dem Betrachtungswinkel erfolgenden Farbwechsel beobachten. Da die dünnen Vergütungsschichten bei einem guten Fernglas in sehr gleichmäßiger Dicke aufgedampft sind, sollte sich die gesamte Linsenfläche bei Ändern des Betrachtungswinkels halbwegs gleichmäßig in der Farbe verändern. Nur wenn die reflektierende Linsenoberfläche stärker gerümmt sein sollte und dann der Betrachtungswinkel zur Oberfläche an verschiedenen Stellen unterschiedlich ist, könnte auch innerhalb des farbigen Reflexes eine gewisse Farbverschiebung zu sehen sein.
Falls eine dünne Schicht aus einer nicht auf die Linse gehörenden Substanz (z.B. ein dünner Ölfilm) Ursache dieser Interfernz sein sollte, kann mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß diese Schicht nicht so gleichmäßig über die volle Linsenfläche verteilt ist wie eine Vergütungsschicht, und dann wäre zu erwarten, daß Sie innerhalb der Reflexfläche verschiedenfarbig schillernde Flecken sehen. Im Falle von Öl- oder Fettschichten wären diese nicht mechanisch stabil, so daß man z.B. beim Darüberwischen mit einem sauberen Tuch Streifen erzeugen kann (ähnlich wie die Streifen, die ein defekter Scgeibenwischergummi auf der Auto-Frontscheibe hinterläßt). Wenn das der Fall ist, sollten Sie einen Reinigungsversuch unternehmen.
Besorgen Sie sich eine kleine Menge reinen Spiritus in der Apotheke (es genügen wenige Milliliter) und verdünnen Sie ihn mit etwa derselben Menge destilierten und entmineralisierten Wassers (ebenfalls aus der Apotheke, nicht aus z.B. einem Brita-Filter, da dieses nicht entmineralisiert). Blasen Sie mit einem kleinen Gummi-Blasebalg (aus dem Fotogeschäft) eventuell anhaftenden Staub weg oder wischen Sie ihn mit einem sauberen, weichen Pinsel ab. Dann erst wischen Sie mit einem mit dieser Lösung schwach angefeuchteten sauberen Mikrofaser-Reinigungstuch (gibt es z.B. beim Optiker als Brillenreinigungstuch zu kaufen) die Linsenoberfläche mit kreisenden Bewegungen und nur minimalem Druck ab. Wischen Sie gleich darauf mit einem trocken gebliebenen Teil des Mikrofasertuchs und wiederum nur mit minimalem Druck nach, bis keine Lösungsspuren mehr zu sehen sind.
Walter E. Schön
