Die meisten Leute kaufen sich wohl (zunächst) immer noch ein einziges Fernglas. Das "einzige" Standard-Fernglas hat heute 8fache Vergrößerung und mindestens 5mm AP. Legt sich jemand ein 10fach-Glas zu, dann ist es wohl in den allermeisten Fällen nicht das einzige und vor allem nicht das erste Fernglas. Das Swarovski EL 8,5x42 ist in erster Linie ein Marketing-Gag, da sich das Glas in allen wichtigen Daten von der Konkurrenz unterscheiden sollte. Bauweise und Vergrößerung sind hier Alleinstellungsmerkmale. Trotzdem hat man sich in Richtung 8fach orientiert und auf 5mm AP wollte man auch nicht verzichten. Ein 9x45 oder 9,5x47,5 wäre deutlich schwerer geworden und man hätte - noch deutlicher - weniger davon verkauft.
Die 8fache Vergrößerung ist schon ein Kompromiss, der auf den sich wandelnden Kaufgewohnheiten des Marktes basiert.
Schaut man 50-60 Jahre zurück, dann sieht man als Standard für ein "richtiges" Fernglas die 7x50iger und 10x50iger.
6fache oder gar 5fache Vergrößerung riecht doch schon sehr nach Opernglas und wieviele Leute (das ist der Knackpunkt) würden sich solche Gläser kaufen? Extreme Nischenprodukte! Mit den früheren 4x12 und den 6x18 Modellen der Design-Selection-Reihe ist Zeiss jedenfalls auf den Bauch gefallen - nicht weitwinklig, keine richtigen Operngläser und schon garkeine richtigen Ferngläser. Was nicht verkauft wird, dessen Produktion wird eingestellt - noch besser ist es, schon zu einem früheren Zeitpunkt festzustellen, was ein Ladenhüter werden wird (ist garnicht so schwer). Ebenso ist es wichtig, das ein Opernglas auch so aus sieht wie ein Opernglas.
Ein echtes Marktsegment für 5-6fache Vergrößerung stellen eigentlich nur Sportveranstaltungen (Halle/Stadion) dar. Hier müssen die Produkte aber "trendig" aussehen und billig sein. Die so produzierten und verkauften Produkte sind weder weitwinklig noch qualitativ ansprechend. Dieser Markt ist für Spitzenprodukte jedenfalls unergiebig.
Bei Ferngläsern für den normalen Gebrauch gibt es dann noch eine optische Mindestvergrößerung, unterhalb derer man sich die Frage nach dem Sinn stellt. Schaut man sich die Entwicklung an, dann ist es vielleicht für die Hersteller doch sinnvoller, sich in Richtung 10fach, weitwinklig und stabilisiert zu orientieren.
Sucht man, in welcher Epoche auch immer, ein hochwertiges und weitwinkliges 6fach Glas, dann wird man nicht fündig. Die Forderung nach Weitwinkligkeit und Wackelarmut erfüllen die 7x42iger von z.B. Leica und Zeiss sehr gut. Eine Ausführung mit 6facher Vergrößerung würde die Forderung an die Weitwinkeligkeit der Komponenten nochmals deutlich steigern und das wird, in der entsprechenden Qualität, horrent teuer - ohne die Aussicht jemals nennenswerte Stückzahlen zu verkaufen.
Walter Wehr
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.01.06 23:44.