Wenn Sie mich gefragt hätten, hätten Sie von mir zum Canon 15x50 IS und erst recht zum 18x50 IS keine „Lobeshymnen“ gehört. Das Glas hat eine niedrige Transmission und liefert deshalb bei Tag bereits ein viel dunkleres (und zudem grünliches) Bild als jedes gute 10x25-Kompaktmodell und in der Dämmerung eine Bildhelligkeit, die maximal der eines 42er-Glases entspricht. Die Bildstabilisierung ist auch noch nicht die beste; insbesondere beim 18x50 IS ist sie wegen der hohen Vergrößerung zu träge.
Deutlich besser in der Transmission und Bildstabilisierung und sehr viel leichter (nur ca. 660 g) ist das wesentlich billigere, aber technisch viel neuere Canon 12x36 IS II. Leider ist es nicht gerade robust gebaut und nicht wasserdicht, so daß es für viele Anwendungen nicht in Frage kommt, obwohl die Bildqualität für diesen Preis hervorragend ist (Sie erkennen bei freihändiger Beobachtung dank sehr guter Schärfe und Bildstabilisierung mehr Details als mit den mehr als doppelt so teueren nichtstabilisierenden Ferngläsern, gleich welcher Nobelmarke).
Wenn Sie ein wirklich sehr gutes bildstabilisierendes Fernglas suchen, müssen Sie sich das wasserdichte und solide, aber auch etwas schwere Canon 10x42 L IS WB ansehen. Seine Abbildungsgüte steht auf höchstem Niveau (nur in der Farbsaumfreiheit am Bildrand wird es vom Zeiss Victory FL geschlagen), ist sehr hell, hat ein großes Sehfeld, ist außergewöhnlich randscharf und hat eine sehr gute Bildstabilisierung. Gut ist auch das im Boden des Gehäuses enthaltene Stativgewinde, so daß Sie keinen Stativadapter brauchen. Das Einbeinstativ empfiehlt sich trotzdem 1. zur Gewichtsentlastung und 2. zur Reduzierung des „Schwankungsbereichs“ bei ruhendem Objekt. Allerdings kostet dieses Fernglas etwas mehr und liegt dann auf fast gleichem Preisniveau wie Leica, Zeiss und Swarovski. Das ruhigere Bild gegenüber den genannten Nobelmarken ekaufen Sie sich durch größeres Volumen, größeres Gewicht und eine etwas geringere Robustheit (Stoßempfindlichkeit). Wenn es also sehr rauh zugeht (z.B. beim Bergsteigen, beim Kanufahren usw.) oder wenn jedes Gramm Gewicht zählt, ist es trotz seiner phänomenalen Bildqualität also nicht erste Wahl.
Bei bewegtem Objekt und nicht gleichförmiger Schwenkbewegung des Fernglases bleibt aber auch bei diesem neuen bildstabilisierenden Modell prinzipbedingt diese leichte Verzögerung, weil das Fernglas zunächst nicht unterscheiden kann, ob bei einer Geschwindigkeits- oder Richtungsänderung (physikalisch: bei einer Winkelbeschleunigung) ein zu unterdrückendes Zittern oder ein gewollter Schwenk vorliegt. Erst wenn die Winkelbeschleunigung über eine gewisse Zeit anhält, „merkt“ die Elektronik, daß Sie tatsächlich Schwenken wollen und nicht nur wackeln.
Walter E. Schön