... weshalb ich aus Zeitknappheit jetzt nicht alles erklären kann. Aber für ein paar Hinweise will ich mir die Zeit nehmen:
1. Die Reflexe, die Sie von außen sehen, sind vor allem die der äußeren Flächen vom Objektiv und (falls sie auch von der anderen Seite drauf schauen) vom Okular. Innerhalb des Fernglases haben Sie aber noch viele weitere Glas-Luft- oder Luft-Glas-Flächen, deren Reflexe von außen weniger gut oder gar nicht zu beobachten sind, die aber beim durchgelassenen Licht (als Fehlbetrag) ebenso maßgeblich für die resultierende Lichtfarbe sind. Deshalb sagt die Farbe der von außen erkennbaren Reflexe nicht viel aus. Unseriöse Fernglashersteller nutzen das übrigens gern aus, indem Sie die Frontlinse mit Mehrschichtvergütung versehen (wo sie eigentlich am wenigsten nötig ist), innere Linsenflächen aber nur noch mit Einschichtvergütung und ganz tief drinnen, wo von außen kaum noch Reflexe erkennbar sind, die Prismenflächen eventuell überhaupt nicht vergüten. Trotzdem steht dann im Prospekt oder im Internet (bei eBay-Händlern), daß das Fernglas „multicoated“ (mehrschichtvergütet, MC-vergütet) sei. Eigentlich ist das kriminell, aber täglich fallen viele darauf herein.
2. Die Farbunterschiede der Reflexe sind um Zehnerpotenzen (also ganz gewaltig) größer als die der komplementären Farbunterschiede in der Durchsicht. Um das zu verstehen, lesen Sie bitte meinen schon älteren Beitrag hier: [
www.juelich-bonn.com] Ich muß nur leider zugeben, daß diese Erklärung nicht für jeden verständlich ist. Man muß schon ein klein wenig „physikalisch denken“ können. Viele Menschen können das weniger gut, aber dafür vielleicht etwas ganz anderes viel besser, z.B. Geige spielen, Koreanisch sprechen oder mit verbundenen Augen seiltanzen. Betrachten Sie es also bitte nicht als einen Grund, Minderwertigkeitskomplexe zu bekommen, wenn Ihnen meine Erklärung nicht einleuchten sollte. Sicher können auch Sie irgendetwas viel besser als ich.
3. Für die resultierende Farbe in der Durchsicht sind neben den als Verlust wirksamen (komplementären) Farben der diversen Reflexionen auf allen an Luft grenzenden Glasoberflächen, also nicht nur der äußeren, sondern auch aller inneren Linsen und auch der Prismen, auch noch die ebenfalls als Verlust komplementär wirkenden im Glas absorbierten Farben maßgeblich. Die erkennen Sie aber nicht in der Reflexion.
Sie sehen, die für den Laien zunächst naheliegende Schlußfolgerung, daß bei satt grün reflektierenden Frontlinsen das Bild in der Durchsicht rot oder zumindest rötlich sein müßte, ist nicht zwingend. Wer weiß, was an den vielen anderen Linsen- und Prismenoberflächen im Inneren passiert!
Worauf es letztlich ankommt, hat Helmuth Kohl immer richtig erklärt: Es kommt nur darauf an, was hinter herauskommt (hier beim Fernglas also, welches Licht beim Okular wieder herauskommt). Machen Sie sich keine Gedanken darum, ob die Objektive bläulich, grünlich, purpurn oder sonst wie glänzen, solange dieser Glanz nur schwach ist. Kräftige, leuchtend rote oder goldene Spiegelungen sind natürlich schlecht, weil sie einen viel zu großen Anteil des auffallenden Lichts zurückwerfen, der folglich im durchgehenden Licht fehlt. Solange die Reflexe aber schwach sind, spielt die Farbe der Frontlinsenreflexe nur eine untergeordnete Rolle. Wenn Sie mal sehr deutlich sehen wollen, „was hinter herauskommt“, dann machen Sie den im letzten Absatz meines alten Beitrages [
www.juelich-bonn.com] beschriebenen Test, am besten im Vergleich mit mehreren Ferngläsern. Da können Sie dann manchmal wirklich große Qualitätsunterschiede sehen. Aber auch hier gilt: Im praktischen Anwendungsfall mit einem bunten Motiv sehen sie die in meinem Test erkennbaren Farb- und Helligkeitsunterschiede wesentlich schwächer, weshalb Sie geringe Unterschiede im Test nicht überbewerten sollten.
Walter E. Schön