Da ich erst gestern am Abend aus Bonn zurück nach München kam und erstmals heute wieder ins Forum schaute, kann ich erst jetzt eine Antwort geben.
Ich besitze zwar kein Zeiss Victory 7x42 FL, aber ein 8x42 FL, und dort konnte ich ebensolche Nebenpupillen sehen und folgende Ursache und Konsequenz ermitteln:
Diese Nebenpupillen sind völlig harmlos und haben mit „billigen Glassorten" oder „insgesamt schlechter Abstimmung des Fernglases“, wie Herr oder Frau Giesler mutmaßt, nichts zu tun und „entwenden” dem normalen Soll-Strahlengang auch keinerlei Licht, das im Bild fehlt und so dessen Helligkeit vermindern könnte. Vielmehr treten zwei solche Nebenpupillen als Folge einer Spiegelung des am Rande oder knapp außerhalb des Sehwinkels durchs Objektiv einfallenden Lichts an den beiden Dachflächen des Abbe-König-Prismensystem auf. Wenn man von vorn mit dem Auge nahe der Frontlinse und nahe deren oberem oder zur Knickbrücke zeigendem Rand durchs Objektiv ins Fernglas schaut, sieht man unterhalb bzw. jenseits der der Knickbrücke abgewandten Seite des kreisförmigen „Durchblicks“ durchs Okular jeweils eine Spiegelung dieses Duchblicks. Aufgrund der dabei auftretenden Vignettierung ist die Spiegelung nicht kreisförmig, sondern hat eine Begrenzung in Form eines Kreisbogen-Zweiecks, also genauso wie die Nebenpupillen, nur viel größer.
Man sieht, daß beide Spiegelungen an zueinander im rechten Winkel stehenden Flächen (eben den Dachflächen) entstehen. Deshalb bilden auch die Verbindungslinien der Mitten beider Nebenpupillen mit dem Mittelpunkt der (Haupt-)Austrittspupille einen rechten Winkel.
Der Strahlengang in dieser Blickrichtung hat eine ungerade Zahl von Spiegelungen, weil für diese Lichteinfallsrichtug die Spiegelung an der zweiten Dachfläche fehlt, weshalb man beim Blick von der Okularseite aus durch die Nebenpupillen den Gegenstand vor dem Fernglas seitenverkehrt sieht. Man sieht ihn außerdem etwas unscharf, weil dieser Lichtweg eine etwas andere Weglänge hat, aber man kann durch Nachfokussieren ein (stark astigmatismusbehaftetes) halbwegs scharfes Bild sehen. An diesem Bild ist auch interessant, daß es verkippt ist und sich beim Drehen des Fernglases um die Achse des betreffenden Rohres mit doppelter Geschwindigkeit dreht – wie bei einem Dove-Prisma, das man z.B. für drehbare Periskope oder astronomische Teleskope auf nicht-parallaktischer Montierung zur Bildrotation verwenden kann (z.B. für Fotos mit längerer Belichtungszeit, die eine Nachführung erfordern).
Daß diese Nebenpupillen die Bildhelligkeit beim Blick durch die (Haupt-)AP nicht vermindern, liegt daran, daß das durch die Nebenpupillen fallende Licht nicht aus dem Hauptstrahlengan „abgezweigt” wird, sondern aus einer anderen Richtung durchs Objektiv fällt. Wenn man mit bloßem Auge auf einen Gegenstand schaut und zugleich z.B. rechts vom Beobachter ein Spiegel so aufgestellt ist, daß er in diesem Spiegel den beobachteten Gegenstand nochmals (seitenverkehrt wie in den Nebenpupillen) sieht, sieht er den Gegenstand in direkter Blickrichtung deshalb ja auch nicht dunkler. Folglich hat das Vorhandensein dieser Nebenpupillen auch nichts mit dem Transmissiongrad zu tun.
Diese Art der Nebenpupillen ist ein Charakteristikum des Abbe-König-Prismensystems in Verbindung mit weitwinkeligen Okularen und tritt bei Ferngläsern mit Schmidt-(Pechan-)Prismensystem nicht auf. Es tritt ferner auch beim Nikon HG-L mit Abbe-König-Prismensystem nicht (oder genauer: nur ansatzweise und kaum wahrnehmbar) auf, weil Nikon kein originales Abbe-König-Prismensystem verwendet, sondern dessen Winkel zugunsten einer kürzeren Baulänge verändert hat, weshalb Nikon bekanntlich eine Fläche dieses modifizierten Abbe-König-Prismas verspiegeln muß. Da aber z.B. das Zeiss 7x40 BGA ein „normales” (unverspiegeltes) Abbe-König-Prismensystem hat, treten bei diesem Fernglas ebensolche Nebenpupillen auf, wie es Herr Gaebe festgestellt hat. Ältere Hensoldt-Dialyt-Ferngläser haben relativ zur Objektivöffnung sehr kleine Abbe-König-Prismensysteme und davor enge Blenden sowie auch ziemlich lange Objektivbrennweiten und Okulare mit sehr engem Sehwinkel (Tunnelblick), weshalb diese Spiegelungen verhindert werden und man solche Nebenpupillen dort nicht sieht.
Walter E. Schön