1. Es ist sicher, daß man bei Porros noch ein paar Promille und vielleicht sogar bis knapp über zwei Prozent an Transmission herausquetschen könnte. Aber das reicht nicht ganz, um die Dachkantmodelle zu überholen. Denn Sie, lieber Herr Münzer, gehen von einem Vorsprung von nur 2% aus, während es tatsächlich unter Berücksichtigung der aus den Glassorten und der aus der Weglänge des Lichts im Glas des Umkehrprismensystems (bei gleichem Durchlaßquerschnitt) resultierenden Absorption ca. 6% sind - siehe dazu
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www.juelich-bonn.com]
2. Ich stimme Herrn Uwe Fuchs hinsichtlich der Kosten-Leistungs-Problematik zu. Wer versucht, bei den besten Porros noch 1% oder ein wenig mehr an Transmission herauszukitzeln, der kommt in die Preisregion der besten Dachkantmodelle, und dann dürfte die Zahl der sich für ein Porro entscheidenden Käufer (die ja überwiegend auch Aspekte wie Wasserdichtheit, Kompaktheit beim Verstauen, Handlichkeit, Nahgrenze zu würdigen wissen) viel zu klein sein, um rentable Stückzahlen zu erreichen. Ich gebe zu, daß das schade ist, denn alle, denen das im Entfernungsbereich unter ca. 100 m plastischere Bild wichtiger wäre als die dachkanttypischen Vorteile, können nicht mit dem Optimum bedient werden. Aber vielleicht wird es mal einen Milliardär geben, der ein so großer Porro-Freak ist, daß er ohne Rücksicht auf die Kosten mal so ein Super-Porro für sich entwickeln läßt und es dann zur Serienproduktion freigibt.
3. Jetzt zu den beim Porro möglichen Einsparen zweier Grenzflächen. Herr Jülich hat schon geschrieben, daß Sie da den Gewinn an Transmission überbewerten, denn die besten MC-Vergütungen (mit ca. 7 bis 12 Schichten) sind so gut, daß die Einsparung zweier Flächen nur weniger als 0,5% bringt. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß eine Verkittung der beiden Teile des Porro-Systems auch Nachteile bringt, und zwar gleich mehrere:
3.1 Wenn die beiden Prismen des Porrosystems verkittet werden, muß die Winkelgenauigkeit beim Schleifen und Polieren erheblich besser sein, weil die Möglichkeit einer nachträglichen Justierung durch Verkippen der Einzelprismen nicht mehr gegeben ist. Das kostet zusätzliches Geld.
3.2 Wenn die Prismen verkittet sind, wird die Baulänge größer, und zwar um das Doppelte des Abstandes zwischen den beiden Prismen. Die ohnehin schon in der Kompaktheit den Dachkantmodellen unterlegenen Porroferngläser werden also noch größer.
3.3 Bei einem Luftabstand zwischen beiden Prismen nutzen die (guten) Hersteller dies, um dort eine Abschattblende („baffle“) einzubauen, um vagabundierende Lichtstrahlen außerhalb des Nutz-Strahlenkegels zu beseitigen und so Streulicht/Kontrasteinbußen zu verhindern. Übrigens werden solche Abschattblenden auch zwischen den beiden Teilen des Schmidt(-Pechan)-Prismensystems verwendet.
4. Daß bei verkitteten Porroprismen die Zahl der optisch wirksamen Flächen sich auf nur 6 vermindert, ist in der Tat zunächst ein Vorteil. Aber er ist geringer, als Sie vermuten und Herr Köhler Sie glauben läßt, und er ist ungeachtet dessen bei Ferngläsern nicht relevant:
4.1 Die Ein- und die Austrittsfläche erzeugt bei nicht idealer Planität nur eine halb so große Abweichung von der idealen Wellenfront wie die spiegelnden Flächen, weil sich bei Spiegelung ein Winkelfehler verdoppelt. Also müßten wir bei einer Gegenüberstellung der aus der Zahl wirksamer optischer Flächen resultierenden Fehlermöglichkeiten die spiegelnden Flächen doppelt und die Ein- und Austrittsflächen einfach zählen. Dann kommen wir beim ...
4.1.1 Porro unverkittet mit 2 Eintritts-, 2 Austritts- und 4 Spiegelflächen bei Doppeltzählung der Spiegel auf 2+2+8 = 12 fiktive Flächen
4.1.2 Porro verkittet mit 1 Eintritts-, 1 Austritts- und 4 Spiegelflächen auf 1+1+8 = 10 fiktive Flächen
4.1.3 Schmidt(-Pechan) mit 2 Eintritts-, 2 Austritts- und 6 Spiegelflächen auf 2+2+12 = 16 fiktive Flächen
4.1.4 Uppendahl (z.B. bei Leica Trinovid) mit 1 Eintritts, 1 Austritts und 6 Spiegelflächen auf 1+1+12 = 12 fiktive Flächen
4.1.5 Abbe-König mit 1 Eintritts-, 1 Austritts- und 4 Spiegelflächen auf 1+1+8 = 10 fiktiven Flächen
Man spart also beim Verkitten der Porroprismen und gleich guter Planität und Glattheit aller optisch relevanten Flächen nicht 2/8 der Wellenfrontaberrationen (weil nur 6 statt 8 reale Flächen), sondern nur 2/12 (weil 10 statt 12 fiktive Flächen). Die Tatsache, daß die Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Dachkantsysteme viel größer sind, nämlich 6/16 = 3/8 beim Vergleich zwischen Schmidt(-Pechen) und Abbe-König, bestätigt die Aussage unter dem folgenden Punkt 4.2.
4.2 Die heute mögliche Fertigungspräzision bei den optisch relevanten Prismenflächen ist so gut und die bei Ferngläsern vorkommenden Vergrößerungen sind so niedrig, daß die aus der Einsparung einiger relaventer optischer Flächen resultierende Verminderung der Wellenfrontdeformation weit unter der Sichtbarkeitsgrenze liegt. Hätte man Astro-Binos mit 100facher oder noch höherer Vergrößerung könnte das möglicherweise anders sein. Aber wir reden hier von Vergrößerungen von 8fach oder 10fach und maximal 15fach.
Damit ist die Einsparung zweier optisch wirksamer Flächen durch Verkitten der beiden Prismen beim Porrosystem nur ein Vorteil auf dem Papier, nicht aber für den Anwender.
4.3 Man darf nicht vergessen, daß man wegen der bei verkitteten Prismen fehlenden nachträglichen Justiermöglichkeit (siehe oben unter Punkt 3.1) höhere Anforderungen an die Winkelgenauigkeit bei der Prismenfertigung stellen muß. Das bedeutet, daß man einen eventuellen Kostenvorteil durch größere zulässige Tolerenzen (wegen weniger kritischer Wellenfrontaberrationen) wieder durch höheren Fertigungsaufwand zur Einhaltung besserer Winkelgenauigkeit verliert. Insgesamt also vermutlich ein Nullsummenspiel - mit dem Nachteil größerer Baulänge (siehe oben unter Punkt 3.2).
5. Die Dachkant-Prismensysteme erzeugen in der Tat Nebenpupillen, insbesondere dann, wenn sie (die Prismensysteme) im Interesse kurzer Lichtwege und geringen Gewichts so klein wie möglich gehalten werden. Doch sind die Nebenpupillen eigentlich nur ein Schönheitsfehler, der so gut wie keinen Einfluß auf die Bildqualität hat, weil das aus den Nebenpupillen austretende Licht nicht in die Augenpupille des Beobachters gelangt. Selbst bei Brillenträgern, bei denen man durch Spiegelung am Brillenglas erhöhtes Streulicht und Reflexe aufgrund des aus den Nebenpupillen austretenden Lichts vermuten könnte, ist das nicht der Fall. Denn das aus den Nebenpupillen austretende Licht fällt relativ zur optischen Achse divergent (also in Richtung weg von der opt. Achse) aus. Da zusätzlich noch alle Brillengläser Menisken sind, deren konvexe Seite dem Okular zugewandt ist, werden die an der Brillenglasoberfläche reflektierten Lichtstrahlen aus den Nebenpupillen noch weiter nach außen abgelenkt und können somit zum größten Teil nicht mehr auf die Okular-Hinterlinse fallen, und wenn doch noch ein wenig davon auf die Hinterlinse fallen sollte, so nur auf deren Randbereich und unter so großem Einfallswinkel (also sehr schräg nach außen gerichtet), daß es von dort nicht mehr ins Auge gelangen kann. Wir können also Nebenpupillen tatsächlich als unproblematische Schönheitsfehler betrachten.
6. Daß bei Porrosystemen wesentlich größere Lichtbündel („doppelt so groß“) realisiert werden können, ist in solcher Allgemeinheit formuliert unsinnig. Für zentrale Bildpunkte ist das Strahlenbündel beim Porro- wie beim Dachkantfernglas gleich groß, denn es ist in beiden Fällen unbeschnitten und kann daher beim Porro nicht größer sein, weil es nicht größer sein kann, als durch die Eintrittspupille (Objektivöffnung) vorgegeben. Was die Vignettierung der Strahlenbündel für randnahe Bildpunkte betrifft, so kann es theoretisch bei Dachkantgläsern etwas günstiger aussehen, weil man sie wegen des kürzeren Glaswegs größer dimensionieren kann. Aber das wäre kontraproduktiv einerseits zum Bestreben, das Gewicht des Fernglases gering zu halten (das Volumen und somit auch das Gewicht des Prismensystems wächst proportional zur dritten Potenz des Durchlaß-Durchmessers!), und anderereits zum Bestreben, den Lichtweg durchs Glas kurz zu halten, um die schlechtere Transmission aufgrund höherer Absorption bei den für Porrosystemen verfügbaren Glassorten gering zu halten. Wenn Sie, Herr Münzer, schon die winzigen gewonnenen Prozentbruchteile aufgrund des beim Porro kürzeren Lichtwegs so hoch hängen, dann dürfen Sie doch nicht im gleichen Atemzug sagen, daß man (was Sie verschweigen: mit größer dimensionierten und deshalb wieder längere Lichtwege mit höherer Absorption habenden) Porroprismen größere Durchlaßquerschnitte und somit etwas weniger Vignettierung mit Porros erzielen kann.
Fazit: Es bleibt dabei, daß man mit Dachkantferngläsern derzeit deutlich bessere Transmission erzielen kann. Dennoch möchte ich meine obigen Ausführungen nicht als ein Plädoyer gegen Porroferngläser verstanden wissen. Jedes der beiden Prismen-Umkehrsysteme (Porro und Dachkant) hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. In der Spitzenklasse haben derzeit Porrogläser keine Marktchance, weil von den in dieser Preisklasse (ca. 1200 bis 2000 Euro) kaufenden Anwendern die dachkanttypischen Vorteile höher gewertet werden als die porrotypischen. Auch ich, der ebenfalls Dachkantgläser bevorzugt, würde mir jedoch wünschen, daß es wenigstens ein oder zwei Hersteller gäbe, die ein weitwinkeliges und brillenträgertaugliches lichtstarkes Porrofernglas auf demselben Niveau wie die derzeit besten Dachkantgläser (also auch wasser- und staubdicht und mit leichtgängiger Zentralfokussierung) anbietet. Dann könnten die Porro-Liebhaber ebenfalls glücklich werden.
Walter E. Schön