Aufgrund der Empfehlung von Herrn Streib habe ich die Dioptrienskalen meiner beiden Nikon HG-L 8x32 und 10x42 überprüft. In beiden Fällen hat die Skala am rechten Okular beiderseits der Nullmarke je 4 Teilstriche, die allerdings nicht mit Zahlen beschriftet sind. In beiden Fällen läßt sich aber der Einstellring beiderseits ein gutes Stück darüber hinaus verdrehen, allerdings etwas unterschiedlich:
1. Beim 8x32 HG-L entspricht der Drehwinkel in den Minusbereich insgesamt ca. 6 Teilstrichen (2 Teilstriche über die Skalierung hinaus) und in den Plusbereich ca. 9 Teilstrichen (5 Teilstriche über die Skalierung hinaus). Das ist ein Gesamtbereich von ca. 15 Teilstrichen.
2. Beim 10x42 HG-L entspricht der Drehwinkel in den Minusbereich insgesamt ca. 9 Teilstrichen (5 über die Skalierung hinaus) und in den Plusbereich ca. 6 Teilstrichen (2 über die Skalierung hinaus), also umgekehrt verteilt, aber insgesamt ebenfalls ca. 15 Teilstrichen.
Da Nikon außer der Null keine Zahlen angibt, ist unklar, welcher Dioptrienzahl ein Teilstrichintervall entspricht. Man vermutet 1 dpt oder evtl. 0,5 dpt. Aber ich wollte es genau wissen. Da ich auf dem linken Auge -5 dpt und auf den rechten -5,25 dpt und jeweils -0,5 dpt Astigmatismus habe, habe ich nacheinander mit beiden Augen folgenden Test gemacht: Ich stelle den Dioptrien-Einstellring auf den letzten Teilstrich der Plus-Seite, schaue mit perfekt korrigierender Brille nur mit einem Auge durchs rechte Okular und fokussiere am Mitteltrieb auf die Schrift eines Etiketts in ca. 4 m Entfernung. Dann nehme ich die Brille ab, schaue mit demselben Auge und fokussiere nun nur am Dioptrien-Einstellring auf dieselbe Schrift. Ich kann dann eine Verdrehung nach Minus an den Teilstrichen ablesen, und zwar beim 8x32 HG-L fürs linke Auge ca. 7 Teilstriche und fürs rechte ca. 7,5 Teilstriche und beim 10x42 GH-L fürs linke Auge ca. 7,5 Teilstriche und fürs rechte ca. 8 Teilstriche. Das heißt, daß 1 dpt im Mittel bei beiden Ferngläsern ziemlich genau 1,5 Teilstrichintervallen entspricht. Ich verstehe nicht, warum Nikon so „krumm“ skaliert. Aber für den Gesamtverstellbereich von jeweils 15 Teilstrichindervallen ergibt sich daraus ein Korrekturbereich von 10 dpt. Das sieht auf den ersten Blick aus, als würde es für Sie mit 7 dpt Unterschied locker ausreichen. DAS IST ABER EIN IRRTUM. Denn die 10 dpt sind nur der Unterschied zwischen den Extremeinstellungen des rechten Okulars und nicht der maximal erzielbare Unterschied zwischen links und rechts! Da Sie Ihre starke Fehlsichtigkeit links haben, müssen Sie mit dem unkorrigierbaren linken Okular zunächst mal eine Scharfeinstellung bis unendlich erreichen. Das ist bei beiden HG-L-Modellen gewährleistet, denn der Überhub ist extrem groß (schätzungsweise über 10 dpt). Dann muß die Dioptrieneinstellung am rechten Okular auf +7 dpt gestellt werden, damit Sie bei derselben Mitteltrieb-Fokussierung rechts für dieselbe Entfernung wie links scharf sehen. Da 1 dpt bei beiden HG-L-Modellen ca. 1,5 Teilstrichintervallen entspricht, brauchen Sie also eine Verstellmöglichkeit am rechten Okular um +7 · 1,5 Teilstriche = +10,5 Teilstriche. Aber mein Nikon 8x32 HG-L bietet nach Plus nur 9 Teilstriche und mein 10x42 HG-L nach Plus nur 6 Teilstriche.
Sie kämen also sowohl beim 32er wie beim 42er HG-L nicht um eine werkseitige Neueinstellung herum (also genauso wie auch bei Leica Ultravid, Swarovski SLC und EL und Zeiss Victory FL). Und bezüglich der Schnelligkeit des Nikon-Fernglas-Kundendienstes habe ich meine Bedenken ja schon vorgebracht.
Für ein Nikon HG-L spräche, falls Sie es trotzdem in Erwägung ziehen, die sehr gute Schärfe und bessere Randschärfe als bei Leica, Swarovski und Zeiss. Das Gewicht ist deutlich höher als bei drei genannten Topmarken. Die Bildhelligkeit ist minimal geringer (für mich unwesentlich), der Farbton minimal rötlicher (beides wegen der Silberverspiegelung der Dachkantsprismen statt dielektrischer Verspiegelung bei den anderen drei Marken). Das Sehfeld ist beim 8x32 HG-L ziemlich gleich groß wie bei den anderen 8x32-Gläsern, beim 10x42 HG-L aber ein bißchen und beim 8x42 HG-L schon merklich kleiner als bei den anderen 10x42- bzw. 8x42-Gläsern. Ein möglicherweise wichtiger Unterschied besteht in der Verzeichnung: Die Nikon-HG-L-Modelle verzeichen sehr wenig, was Freunde gerade bleibender Linien schätzen (ich zum Beispiel), aber aus genau diesem Grund zeigen diese Gläser einen ausgeprägten Globuseffekt, der bei dafür empfindlichen Personen beim Schwenken während des Beobachtens ein Schwindelgefühl bis Unwohlsein hervorrufen kann (bei mir nicht, aber das muß jeder für sich prüfen). Sollen Sie, Herr Rauen, die Nikon-HG-L-Modelle in die engere Wahl nehmen, rate ich Ihnen mehr zum 8x32 HG-L, weil dieses einen Tick brillanter ist als die 42er-HG-L-Modelle.
Bevorzugen Sie es größer, also eher ein 42er-Glas, und sollte Ihnen der Mehrpreis des Leica Geovids 10x42 nicht zu hoch sein, rate ich Ihnen mehr zu diesem, auch wenn es in Bildhelligkeit und Farbtreu wegen der Strahlteilerfläche für den Laserstrahl des Entfernungsmessers noch ein wenig unterlegen ist. Denn der Gewichtsunterschied ist mit sehr knapp über 100 g und der Größenunterschied mit 1 cm nur gering, aber Sie haben beim Geovid ein etwas größeres Sehfeld, mit der beidseitigen Dioptrienkorrektur OHNE WERKSEITIGE NEUEINSTELLUNG nach einmaliger Eichung gemäß meinem vorigen Beitrag eine perfekte Lösung und mit dem zusätzlichen Entfernungsmesser einen echten Mehrwert. Sollten Sie empfindlich für den Globuseffekt sein (lassen Sie sich das bei Ihrem Besuch bei Herrn Jülich demonstrieren), ist das Geovid ebenfalls die bessere Wahl.
Walter E. Schön
