Da ich das Fernglas Nikon Action VII 8x40 CF selbst noch nie prüfte, kann ich keine eigene Aussage zur Farbwiedergabe machen. Aber daß das Bild etwas rötlich erscheint, kann gut stimmen. Auch bei den Nikon-Ferngläsern der Serie HG und HG-L ist das der Fall, die ich alle gut kenne. Dort liegt der Hauptgrund dafür in der Reflexion der silbernen Prismenverspiegelung. Silber reflektiert nämlich im sehr kurzwelligen Bereich unter etwa 420 nm (Blau bis Blauviolett) merklich schwächer als im Bereich der übrigen Wellenlängen. Das Action 8x40 als Porrofernglas hat dagegen keine Prismenverspiegelung, so daß dort eine stärkere Absorption im Glas oder/und ein höherer Transmissionsverlust an den Glas-Luft-Flächen für den kurzwelligen Bereich für den rötlichen Farnton verantwortlich sein müßte.
Deine Formulierung „leichte Verschiebung zu langwelligem Licht“ möchte ich jedoch korrigieren. Denn sie sagt, wenn man sie genau nimmt, soviel aus, als ob jede einzelne Wellenlänge ein bißchen größer würde. Das ist nicht der Fall. Es wird nichts „verschoben“, sondern jede einzelne Wellenlänge (Spektralfarbe) bleibt unverändert, aber die kürzeren Wellenlängen – hier wahrscheinlich die der Farben Bau und Grün oder zumindest Blaugrün – werden beim Durchgang durchs Fernglas aufgrund von Absorption oder/und Reflexion stärker geschwächt als die längeren Wellenlängen. Da weißes Licht bei einem kontinuierlichen Spektrum wie dem des Sonnenlichts eine annähernde Gleichverteilung der Intensität (physikalisch: Strahlungsleistung) über alle Wellenlängen zeigt, wird diese bei höheren Verlusten im kurzwelligen Bereich zugunsten des langwelligen Bereichs gestört. Die dann leicht überwiegende Intensität des langwelligen Lichts verursacht den rötlichen Farbton. Ein solcher Farbstich (fälschlich oft ebenso wie von Dir als Farbverschiebung bezeichnet) wird an weißen oder neutralgrauen Flächen am deutlichsten erkennbar. Betrachtet man mehr oder weniger bunte Gegenstände, z.B. eine Landschaft mit grüner Vegetation, blauem Himmel und Häusern mit roten Dächern, so würde nur das Blau und Grün von Himmel und Vegatation eine Spur dunkler abgebildet als das Rot der Hausdächer. Da aber das Auge Blau, Grün und Rot unterschiedlich hell wahrnimmt, ist dann eine Aussage über den Farbstich sehr viel schwieriger als bei neutralfarbigen Flächen (grauer Straßenbelag, weiße Wolken). Eine Konsequenz ist, daß der Papiertest extrem empfindlich ist und selbst dann Abweichungen von der perfekten Farbneutralität erkennbar macht, wenn sie schon so gering sind, daß sie bei „normalen“ (bunten und verschieden hellen) Gegenständen gar nicht mehr festzustellen sind.
Noch eine Antwort auf die Frage nach der Bestimmung der Verzeichnung. Das ist relativ kompliziert und erfordert eine ziemlich genaue Prüfung. Bevor ich beschreibe, wie man dabei vorgehen kann, möchte ich noch vorausschicken, daß eine stärkere Vergrößerung am Bildrand sowohl bedeutet, daß dieser Gegenstand dort größer (breiter und höher) zu sehen ist, als er eigentlich zu sehen sein sollte, als auch im selben Verhältnis von der Sehfeldmitte (Bildmitte) weiter entfernt abgebildet wird: Würde der Gegenstand z.B. am Sehfeldrand um 5% größer, dann wäre er auch um 5% weiter von der Mitte entfernt. Für die Bestimmung der Verzeichnung ist es einfacher und (weil man größere Strecken genauer messen kann als kleine) auch genauer, nicht die zu stark vergrößerte Abbildung zu bestimmen, sondern den zu weiten Abstand von der Bildmitte.
1. Man bestimmt den Durchmesser des Sehfeldes für eine bestimmte, nicht zu kleine Entfernung, z.B. für 1000 m Entfernung. Bei Ferngläsern mit Innenfokussierung, deren Vergrößerfungsfaktor für alle Entfernungen fast exakt konstant bleibt, kann man auch kürzere Entfernungen von nur wenigen Metern nehmen, was die Messung sehr vereinfacht (die Entfernung muß ab Fernglasobjektiv, nicht ab Auge gemessen werden!). Bei Ferngläsern, die durch Okularverschiebung scharfgestellt werden, wie das auch beim Nikon Action VII 8x40 CF der Fall ist, muß entweder bei einer wirklich sehr großen Entfernung von mehreren hundert Metern gemessen oder eine für Deine Mathematikkenntnisse noch etwas zu komplizierte Korrektur berechnet werden. Aus diesen Werten kann man dann übrigens mit Hilfe der mathematischen Funktion „Arcus Tangens“ (arc tan) den tatsächlichen Sehwinkel berechnen, den man aber für die Ermittlung der Verzeichnung nicht braucht.
2. Man bestimmt sehr genau die Vergrößerung für das Bildzentrum (wie Du jetzt schon weißt, nimmt bei kissenförmiger Verzeichnung die Vergrößerung zum Rand hin zu und bei tonnenförmiger Verzeichnung zum Rand hin ab). Das kann mit der erforderlichen Genauigkeit wohl am einfachsten durch Fotos mit einer hochauflösenden Digitalkamera geschehen: Man macht von einem viele Kilometer weiten Gegenstand ein Foto ohne Fernglas und dann ein zweites Foto durch das auf unendlich fokussierte Fernglas und zählt dann die Breite des Bildes ein und desselben Gegenstandes in der Mitte des Fernglasbildes auf dem Monitor in Pixeln aus. Das Verhältnis aus der Pixelzahl im Bild durchs Fernglas geteilt durch die Pixelzahl im Bild ohne Fernglas ist der Vergrößerungsfaktor. Bei beiden Fotos muß die Kamera exakt auf denselben Gegenstand (jeweils genau in der Bildmitte) ausgerichtet sein, damit perspektivische Verzerrungen das Ergebnis nicht verfälschen. Macht man die Aufnahmen bei kürzeren Gegenstandsentfernungen, so muß sich das Objektiv der Fernglases bei der Aufnahme durchs Fernglas genau dort befinden, wo sich bei der anderen Aufnahme ohne Fernglas das Objektiv der Kamera befindet. Bei Ferngläsern mit Fokussierung durch Okularverschiebung muß dann auch hier eine Korrektur berechnet werden, für die man die Brennweite des Fernglasobjektivs möglichst genau kennen sollte.
3. Man multipliziert den so gewonnenen tatsächlichen Sehfelddurchmesser mit dem Vergrößerungsfaktor und erhält dann den scheinbaren Sehfelddurchmesser ohne Verzeichnung.
4. Man mißt, z.B. mit Hilfe eines Laserpointers, wie von mir am Ende des sehr langen Textes unter Punkt 3.3 hier
[
www.juelich-bonn.com]
beschrieben wurde, den scheinbaren Sehwinkel des Fernglases. Aus dem halben scheinbaren Sehwinkel läßt sich mittels der Winkelfunktion „Tangens“ durch Multiplikation mit dem Beobachtungsabstand der halbe und durch weitere Multiplikation mit 2 der ganze scheinbare Sehfelddurchmesser inklusive Verzeichnung berechnen.
5. Wenn man nun den scheinbaren Sehfelddurchmesser inkl. Verzeichnung gemäß Punkt 4 durch den scheinbaren Sehfelddurchmesser ohne Verzeichnung gemäß Punkt 3 dividiert, ergibt sich eine Zahl knapp über 1 bei kissenförmiger und unter 1 bei tonnenförmiger Verzeichnung. Zieht man von dieser Zahl 1 ab und multipliziert den Rest mit 100, so hat man die Verzeichnung in Prozent. Beispiel: Bei einem Verhältnis von 1,095 wäre die Verzeichnung 9,5%, also kissenförmig, weil positiv. Bei einem Verhältnis von 0,96 wäre die Verzeichnung -4%, also tonnenförmig, weil negativ.
FAZIT
Das alles ist nicht einfach mit der erforderlichen Genauigkeit zu machen. Um ein Endergebnis mit einer Genauigkeit von besser als ±0,5% zu erzielen, also auf ganze Prozentpunkte genau, muß man alle Einzelmessungen (tatsächlicher Sehfelddurchmesser und Entfernung gemäß Punkt 1, Vergrößerungsfaktor gemäß Punkt 2, scheinbarer Sehwinkel gemäß Punkt 4) mit einer Genauigkeit von fast ±0,1%, also auf fast ein Tausendstel der jeweiligen Größe, durchführen. Das ist ohne spezielle Meßgeräte selbst bei großer Sorgfalt für einen Nichtfachmann kaum realisierbar.
Ich hoffe, daß Du wenigstens das Prinzip dieses Vorgehens verstehen konntest, auch wenn Dir mathematische Winkelfunktionen im Schulunterricht noch nicht begegnet sind und Du Dir daher noch nichts darunter vorstellen kannst.
Walter E. Schön