Ich finde dieses Forum sollte mehr als nur einen vergnüglichen Tummelplatz für freundliches Palaver abgeben. Engagierte Auseinandersetzungen halte ich für belebend und wenn dabei die Wellen manchmal höher schlagen ist mir persönlich das lieber als immer nur freundlich belangloses Geplätscher. Ab und zu Hintergründigkeit, freundlicher Spott, andere auf die Schippe nehmen, Ironie oder auch Sarkasmus, warum denn nicht? Gelegentliche Dissonanzen würzen die Debatten, ohne einen gewissen Pepp wird es doch fade. Wenn sich beim Streit um Sachthemen einige auf den Schlips getreten fühlen, ist das zunächst deren Problem. Jeder darf sich revanchieren, solange es mit sachlichem Hintergrund geschieht, und nicht nur um persönliche Beleidigung geht. Empfindlichere Naturen werden ohnehin von der Administration geschützt, auch deshalb legt sich die Aufregung doch meist recht bald.
Nichts gegen anständige Umgangsformen, aber gehört dazu nicht auch, vorübergehende Auseinandersetzungen, gerade wenn sie heftiger werden, mit mehr Gelassenheit zu betrachten? Besonders wenn es Auseinandersetzungen zwischen anderen Leuten sind, an denen man sich sachlich gar nicht beteiligt. Meist ist doch schon am Titel eines Beitrags erkennbar, in welcher Richtung es geht, und wem der angekündigte Tonfall nicht gefällt, der braucht solche Beiträge nicht zu lesen und sich nicht darüber aufzuregen (wobei deren Zugriffszahlen eine ganz andere Sprache sprechen.)
Wussten Sie übrigens, dass Menschen, denen von Berufswegen ständige Freundlichkeit abverlangt wird, davon sogar krank werden können? Im Ernst, das ist kein Witz, es lässt sich epidemiologisch nachweisen – besonders Frauen sind davon betroffen, weil sie es gerne allen recht machen und everybody’s darling sein möchten. Daraus folgt natürlich nicht, unbeherrschte Gefühlsausbrüche wirkten sich gesundheitlich positiv aus, sondern nur, dass permanentes Freundlichsein zu verlangen nicht nur utopisch, sondern geradezu unnatürlich ist. Ich persönlich mag erzwungene oder vorgespielte Freundlichkeit überhaupt nicht, und wenn Sie mir abgenötigt wird, fühle ich mich unwohl.
Auch über den schon mehrfach geäußerten Wunsch, man solle manche Diskussionen doch bitte nicht so ambitioniert führen, es käme „nicht auf die letzte Winkelsekunde an“, auf Fehler sollte um des lieben Friedens willen nicht unbedingt hingewiesen werden usw., kann ich mich gelinde gesagt, nur wundern. Aus solchen Dingen lernt man doch, ich möchte auf Fehler hingewiesen werden. Nicht, dass ich jemandem sein gutes Recht verwehren möchte, tiefergehende Auseinandersetzungen anderer zu ignorieren. Aber die Forderung anspruchsvollere Streitgespräche zu unterlassen und das Niveau durchweg auf ein gemütliches freundliches Parlando abzusenken, nur um das Harmoniebedürfnis einiger Mitleser nicht zu stören, halte ich für übertrieben.
Wenn aus Sorge um gute Umgangsformen hier zukünftig schärfere schwierigere Auseinandersetzungen vermieden werden sollen, und stattdessen für ein launiges Beisammensein in einem stets fröhlichen Binokulantenstadl nur noch seichte Begleitmusik gespielt werden darf – ich fände es langweilig und reizlos. Ich habe bestimmt nichts gegen Humor, ganz im Gegenteil, aber Humm-Tata geht mir gegen den Strich. Das hat nichts mit beleidigter Leberwurst zu tun, sondern einfach mit dem Unwillen, jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen und sich kritische, offene Worte zu verkneifen. Ich finde man kann auf diese Weise sogar einen Teil seiner unabhängigen Urteilskraft einbüßen. Bei komplexen oder offenen Frage sind nun mal die Ansichten zwangsläufig stärker umstritten, also sind Kontroversen vorprogrammiert. Gerade dann aber lässt sich sachlich einiges lernen, und dafür kann man doch leicht über ein paar verbale Entgleisungen mit Schwung hinweg lesen.
Nicht selten steckt auch ein Körnchen Wahrheit in den Sekundär-Scharmützeln und man kann sich darüber amüsieren, wie andere die Dinge empfinden. So schnell der Ärger entstehen kann, so schnell verfliegt er doch auch wieder, und meist ist man viel zu eitel oder interessiert, um lange nachtragend zu sein. Wenn es unerwünscht ist, dass es hier gelegentlich schon mal knirscht, dann könnte das Forum nicht nur wie gewünscht ein paar negative Emotionen verlieren, sondern vielleicht auch einiges an inhaltlicher Qualität. Emotionen, auch negative, sind ein nicht unwichtiger Teil der Motivation, weshalb ich dafür plädiere, sie - in gewissen Grenzen - in Kauf zu nehmen. Für eitel Sonnenschein gibt es nicht nur genug kitschige Fernsehprogramme, auch hier im Forum gibt es die ein oder andere Kuschelecke, um sich zu trösten.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.08.09 12:42.
