Der verheiratete Fernglasliebhaber muß seine Anschaffungsgelüste gut begründen.
Die erste Frage läßt sich noch leicht abwehren. Du hast doch schon ein Fernglas, warum willst Du denn noch eins kaufen?
Die zweite Frage stellt man sich als Normalverdiener selber, was darf es, was muß es denn kosten? Lohnt der Mehrpreis.
Hierzu der Selbstversuch, nach dem Kauf und extrem subjektiv.
Zeiss Victory 10x42 FL vs. Nikon Action 10 X 40 CF vs. Zeiss Dekarem 10x50
Ich beschränke mich auf reine Beobachtungsergebnisse, es wird nicht gemessen, es wird nicht gewogen.
Auf unserer Tour die Iller entlang gab es genug Beobachtungswertes.
In der Nähe von Immenstadt fließt ein kleiner Bach in die Iller, dort saß auf einer kleinen Kiesbank eine Wasseramsel. Abstand ca. 30-40 Meter, die Sonne von der Seite.
In meinem Bestimmungsbuch werden Farben und Zeichnung beschrieben, ein gutes Testobjekt.
In Minutenabständen verschwand sie zur Unterwasserjagd um dann wieder auf die kleine Kiesbank zurück zu kehren.
Wer nur mit dem Action unterwegs ist, der sieht die helle, fast weisse Brust, den bräunlichen Kopf und die grauen Rückenfedern. Den Schnabel sieht man nur als Kontur, wenn die Amsel sich freundlicherweise in Positur stellt, abperlende Tropfen erkennt man nicht, da muß man schon zum 10x50 Dekarem greifen. Das gilt auch für die hellgrauen Beine und die Krallen, die im hellen Kies verschwinden. Das Dekarem zeigt sie mir, das Action nicht.
Der Vogelliebhaber legt dann das Action auf die Seite und schaut lieber durch das Dekarem. braucht es das Victory dann überhaupt?
Die Frage kann uns die Wasseramsel beantworten, beobachten wir weiter. Was ist mit der schuppenartiken Zeichnung der Rückenpartie? Ich konnte sie weder im Dekarem, noch im Victory erkennen, ist sie nicht ein eindeutiges Erkennungszeichen? Die zur Unterstützung gebetene Tochter bestätigt mit ihren jungen Augen, keine Zeichnung, nur ein einheitliches Grau, vielleicht mit einem Saum, den sieht der Vater aber nicht und der wird auch nicht beschrieben. Fehlanzeige.
Wir beobachten dann parallel und dann meldet das Kind, dass die Amsel vom letzten Tauchgang zurück etwas Schwarzes im Schnabel hat. Der Vater sieht es durch das Dekarem nicht, also schnell die Gläser getauscht, vergeblich, entweder war es Einbildung oder unser Vogel hat seine Beute geschluckt.
Wie sieht der Übergang von der Brust nach unten aus? Rotbraun lautet die Antwort der das Victory benutzenden Tochter, irgendwie braun durch das Dekarem lautet meine Antwort. Wieder getauscht, mehrmals, hey, es gibt also doch einen Unterschied, die Rotbrauntöne zeigt das Victory kräftiger.
Nein meldet die Tochter, da ist noch mehr, sieh doch mal genau hin, das Dekarem zeigt die Brust gelblicher als das Victory und auch beim Grau gibt es Unterschiede.
Nach einer dreiviertel Stunde ließ unser Interesse nach und wir suchten uns ein neues Ziel. Das fand sich dann auch, war aber nicht sehr ergiebig, eine Ratte lief am Bachufer entlang, verharrte hier, lief ein Stückchen, stand wieder und prüfte, lief weiter. Das Tier war nicht einfach zu erkennen, weil es sich so bewegte, dass die Sonne schräg von vorne leuchtete, aber das war auch dann für das Action kein Problem, nur das Fell war dunkler. Die Tochter hatte Glück und konnte im Victory einmal kurz beobachten, wie sich die Ratte aufrecht sitzend putzte. Ich war da noch mit Augenabstand und Diaptrienausgleich beschäftigt.
Wir gingen dann zum Kaffeetrinken und anschliessend ein Stück an der Iller entlang. Auf dem Ufergrundstück standen einige Ziegen, die Jungtiere waren ausgelassen und sehr beweglich.
Die Sonne stand inzwischen niedrig und die Beleuchtungsverhältnisse wurden schwieriger. Das war die Situation, die man braucht, um seine teure Anschaffung zu rechtfertigen. Je nach Beleuchtungswinkel wurden aus dem weiss-braun gefleckten Ziegenfell im Action ein einheitliches Grau!!, wo das Dekarem mühelos noch die hellen Flecken im grauen Fell, oder waren es graue Flecken im hellen Fell unterscheiden konnte und das Victory sogar braun zeigen konnte.
Sind es nur diese Reserven, die wir dann auch bewußt suchen, um unsere Ausgabe zu rechtfertigen?
So sehen es viele Ehefrauen, das konnte ich inzwischen herausfinden. Auf meine Tochter trifft diese Feststellung aber nicht zu, auf meine Frage nach dem eigenen Fernglas, ich hatte ja ein Action übrig, lautete die Antwort, nein Danke, wenn ich eins brauche, dann leih ich mir Dein Victory.
Da war dann die Welt wieder in Ordnung.
Ab in die Natur, es gibt viel zu beobachten.
Roland Bauer
