Ich habe mich dann doch für das Conquest und gegen das Canon entschieden und prompt bin ich beim ersten Tag in Nieblum in einen Pril gefallen. Dem Fernglas ist nichts passiert, ich habe es instinktiv aus dem nur knietiefen Wasser gehalten, aber ich war ordentlich naß.
Von Beginn an hatten wir die berühmte steife Brise mit entsprechender Sandfracht im Gesicht, aber wenigstens war es trocken und so gab es genügend Beobachtungsmöglichkeiten.
Ich kann das Glas ruhig halten, Ausnahme der Wind kommt von der Seite und zerrt am ganzen Kerl. Ob das Canon das ausbügeln kann?
Die angedrohte Gegenlichtsituation war dann mein ständiger Begleiter und ich lernte sehr schnell die beiden Fälle zu unterscheiden.
Fällt das reflektierte Sonnenlicht vom nassen Watt oder vom Sand direkt ins Glas, so entsteht eine störende Aufhellung, die ca. 30% der beobachteten Fläche mit einem hellgrauen Nebel überzieht. Das führt dann zu einem massiven Kontrastverlust. Beispiel: die graublaue Miesmuschel ist im Nebel verschwunden. Schwenkt man das Glas eine handbreit nach links oder rechts, verkrümmelt sich der Nebel bis auf einen winzigen, sichelförmigen Rest, maximal 10% der Beoabchtungsfläche, das stört mich nicht mehr.
Echte Sonnenreflexe im Wasser habe ich vermieden, ich war mir nicht sicher, ob Augen das mögen.
Sonst hat dieses Glas gute Dienste getan. Ich habe zwar nur ein paar weit entfernte Robben gesehen aber dafür jede Menge interessante Vögel, darunter viele, die ich nachschlagen mußte.
Jeden Abend habe ich das Glas von Sand gereinigt, trocken, mit Blasebalg und Pinsel, danach die Glasflächen mit Waschbenzin aus dem Supermarkt.
Es gab eine lustige Begebenheit, da wurde ich von einem fetten Nudisten für einen Spanner gehalten und der gute Mensch keuschte hinter mir her, um mich zur Rede zu stellen. Sie wollten keine Spanner, brachte er mühsam hervor. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich für seine Ausstattung kein Fernglas, sondern eine Lupe brauchen würde und bin dann weiter. Zur Sicherheit bin ich anschliessend einen anderen Weg zurückgegangen, man weiß ja nie.
Das Conquest 12x45 ist ganz OK. Es gibt schon ein paar Punkte, die man bemängeln muß, aber wirklich gravierende Fehler habe ich nicht festgestellt.
Hier meine Mängelliste.
Die Augenmuscheln sind zu hart und nicht ideal geformt, kein Vergleich zum Victory.
Der Dioptrienausgleich ist sehr schwergängig und eine ablesbare Skala wäre auch notwendig, sollten 2 Personen sich das Glas teilen.
Der Fokussierantrieb ist etwas hart, er funktioniert zwar, aber man meint den fehlenden Tropfen Fett zu spüren. Geht so.
Für die Freunde der höheren Vergrößerungen sei hinzugefügt, dass diese Vergrößerungen auf kurze Entfernungen ganz schön nerven. Man ist ständig bemüht, auch kleinste Abstandsänderungen nachzuregeln.
Vor der Heimfahrt habe ich dann mehrmals tief durchgeatmet und dann mein schönes neues Fernglas unter fliessendem Wasser gereinigt. Es ist nichts passiert, es hat dicht gehalten.
Auf die alberne Frage, würden Sie sich dieses optische Wunderwerk noch einmal anschaffen antworte ich: nach heutigem Wissen ja.
Franz Hauschild