Sehr geehrter Herr Jülich,
dass Sie die Spektive vor der Auslieferung so sorgfältig überprüfen, ehrt Sie. Bei dem Zeitrahmen von 30-45 Minuten, den Sie ansetzen, würde ich auch nicht mehr von einem "Schnelltest" sprechen, das ist schon - zumal wenn, wie in Ihrem Haus, der Test von erfahrenen Spektivbenutzern vorgenommen wird - deutlich mehr als ein "Schnelltest". Und dass mir gerade bei Spektiven, die man ja längst nicht in jeder Stadt bekommt und bestellen muss, ein sorgfältig selektiertes Gerät allemal lieber ist als ein günstig erstandenes, werden Sie mir sicherlich glauben.
Mir ging es allerdings, als ich die meines Erachtens zu großen Fertigungsschwankungen selbst renommierter Hersteller kritisierte, keineswegs um die Trennung von Doppelsternen oder ideale Beugungsringe. Mir ist auch klar, dass Spektive für diese Aufgaben nicht optimiert sind. Mir reicht es völlig, wie Sie selbst schreiben, dass "ein Anwender mit aussergewöhnlich guten Augen bei angebotener Maximalvergrößerung zufrieden ist". Wenn ich jedoch durch zwei baugleiche Spektive des gleichen Herstellers schaue, von denen das eine bei 60x ein deutlich besseres Bild liefert als das andere, in der terrestrischen Beobachtung wohlgemerkt, sowohl was den Kontrast als auch was die Auflösung angeht, dann empfinde ich das als ärgerlich. Das ist in den letzten 10 Jahren mehr als einmal passiert. Wenn dann der Besitzer des "schwächeren" Spektivs dieses reklamiert und die Antwort erhält, das Spektiv erfülle die Qualitätskriterien des Herstellers und sei mithin in Ordnung, finde ich das noch ärgerlicher. Im dem Fall war es definitiv nicht das Variookular, die haben wir damals getauscht, ohne dass sich etwas an den Unterschieden änderte.
Bei Ferngläsern fallen solche Fertigungsschwankungen weniger ins Gewicht. Da wird es meist erst interessant, wenn man einen Booster verwendet. Bei meinem 10x40 sind z.B. die beiden Seiten erkennbar unterschiedlich - die eine Seite ist mit dem Zeiss 3x12 als Booster deutlich besser als die andere. Bei der normalen Beobachtung ohne Booster fällt dieser Unterschied absolut nicht auf, auch nicht bei sehr kritischer Betrachtung, von daher ist er mir egal. Ich muss nur daran denken, den Booster auf der "richtigen" Seite anzusetzen.
Es überrascht mich übrigens nicht, dass Sie noch keine Reklamationen von Kunden erhalten haben. Denn erstens dürften Sie die wirklichen Gurken durch Ihnen Test im vornherein aussortieren, und zweitens ist es gerade bei Spektiven nicht einfach, optische Schwächen zu erkennen. Dazu braucht man mindestens zwei baugleiche Spektive des gleichen Herstellers, in gutem Zustand, beiden mit dem gleichen (hochvergrößernden) Okulartyp bestückt, sehr gute Sichtbedingungen und Zeit. Und da man sich ja lieber Vögel (oder was auch immer) anguckt, als Spektive zu vergleichen, ergibt sich selten die Gelegenheit zu genauen Vergleichen. Außer vielleicht auf Helgoland im Herbst, bei Südwestwind. Hinzu kommt, dass man bei niedrigeren Vergößerungen die Unterschiede oft kaum sichtbar sind oder mindestens nicht so ins Gewicht fallen. Wer überwiegend oder ausschließlich mit einem 30fachen Okular beobachtet, dürfte mit (fast?) allen Spektiven der renommierten Hersteller zufrieden sein, zumindest mit der optischen Leistung.
Hans