Das sehe ich wie Sie. Man muß alle Eigenschaften eines Materials sehen und den Anwendungszweck bedenken. Ich glaube, die Elastizität von Kunststoff, die anderswo, bei den genannten Beispielen von Vorteil ist, ist im Fernglasbau nachteilig. In zweierlei Hinsicht:
Justiergenauigkeit und Justierstabilität eines Gehäuses fallen bei niedrigen Vergrößerungen noch nicht stark ins Gewicht - wobei ich spekuliere, dass die empirisch ermittelten Toleranzen irgendeiner DIN für Ferngläser vom Kunststoff auch schon da schlechter eingehalten werden als von Magnesium- oder Alu-Druckguss. Aber je höher die Vergrößerung, umso problematischer wird es. (Kennt jemand ein hochvergrößerndes Glas mit Kunststoffgehäuse?) Gerade für größere Gläser wäre jedoch ein geringeres Gewicht interessant. Wenn man aber eine zu hohe Elastizität mit mehr Materialstärke kompensieren muß, nimmt das Volumen zu und geht der Gewichtsvorteil zunehmend wieder flöten. Wahrscheinlich sind dieser Art Kompensation materialbedingt ohnehin prinzipielle Grenzen gesetzt.
Wenn ein Glas dicht sein und bleiben soll, dann darf das Gehäuse an den Stellen, wo die optischen Elemente eingesetzt werden, nicht zu nachgiebig sein. Also muss auch bei kleinen Formaten die Materialstärke lokal erhöht sein, so dass sich auch dort kein entscheidender Gewichtsvorteil erzielen lässt. Kein einziges der Zeissgläser ist irgendwo signifikant leichter als Konkurrenzformate. Wo bitte steckt der angebliche Gewichtsvorteil, der hier angeführt wird?
Was bleibt sind für den Anwender im Winter wärmere Gläser mit nur mittelprächtiger mechanischer Justiergenauigkeit und fragwürdiger Dichtigkeit, bei gleichzeitigem Verzicht auf höhere Vergrößerungen. Und für den Hersteller ein Vorteil in den Fertigungskosten und bei der Marge. Den wird Zeiss in der Mittelklasse weiter nutzen wollen, wo die Reparaturfälle nicht so stark daran nagen dürften, um zusammen mit dem zugkräftigen Namen die Konkurenz der Mitbewerber auszustechen. In der Premiumliga, mit ihren höheren Anforderungen und geringeren Toleranzen, hat sich Metall bewährt. Niemand außer Zeiss ist zu Kunststoff übergegangen, alle haben zugeguckt und bemerkt, dass dieses Experiment für Zeiss anders verlief als gedacht.
Arrogante Weiter-so Parolen, mehr vom Falschen muß irgendwann das Richtige geben - kennt man ja. Wenn Zeiss bei Premium zu Metall zurückkehrt, dann nicht weil man einknickt und einen Fehler macht. Sondern weil es dumm wäre, aus einem Wagnis nichts dazuzulernen. Denselben Fehler aus Arroganz und Überheblichkeit zu wiederholen war auch schon in der Eisenzeit ausgesprochen blöd.
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.01.12 02:10.