Das für mich eigentlich interessante an Manfreds Beitrag ist das P.S. Es deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen und hat mich sehr nachdenklich gemacht. MG ist ein gestandener Orni, der hier meist gut abgehangene Meinungen postet. Ich selber sehe mich nicht als "richtigen" Orni. Wegen sehr flacher Lernkurve und auch nach einem Jahrzehnt noch deutlicher Defizite in Artenkenntnis wie Methodik betrachte ich mich als eine Art "ewigen Lehrling". Wann immer ich mit Profis unterwegs bin, freue ich mich, in den Genuss von deren Kompetenz zu kommen und frage mich im Stillen, wie die wohl solch Level erreicht haben mögen.
Bin ich allein unterwegs, werde ich in exakt der von MG beschriebenen Art und Weise gefragt, was ich hier wohl fotografiere. Meiner Erklärung, einfach nur zu beobachten, folgt zwingend das erwähnte "ach sooo..." und gegebenenfalls weitere Ausdrücke der Enttäuschung. Das zeigt mir, wie unterschiedlich die Kategorien Beobachten und Dokumentieren von den Leuten geschätzt werden. Wenn sie sich nicht in Form eines Bilddokuments manifestiert hat, gilt die bloße Beobachtung (wie präzis oder intensiv sie auch gewesen sein mag) als nicht erlebt, gleichsam als nicht existent.
Auch ich bin bei schönen Motiven oft in eine Art Jagdmodus verfallen und habe angestrengt versucht, der Situation das perfekte Bild abzujagen. Damit bin ich fast immer gescheitert. Da es mir an fotografisch-handwerklichem Wissen und Können gebricht, kommen meist nur mittelprächtige Belegfotos raus. Innerlich spüre ich einen tiefen Widerwillen, mich mit der Technik von Digitalkameras und mit den Verfahren der Bildbearbeitung auseinanderzusetzen. Die ganz großen Zufallsbeobachtungen sind statistisch sehr dünn gesät. Wenn sich solch einmalige Chance bot, habe ich es wieder und wieder versäumt, den unwiederbringlichen Moment mit allen Sinnen zu erleben. Statt dessen habe ich im zähen Ringen mit meinen fotografischen Defiziten ein paar wackelige und unscharfe Fotos geschossen. Mir fiel irgenwann auf, welch mieser Deal das ist. Den großen Moment verschenkt, das mickrige Foto gewonnen. Regelmäßig hab ich vor lauter Knipserei den Augenblick verpasst, wenn der Blaukehlchenhahn das Schwanzgefieder auffächert als schlage er ein Pfauenrad, und die Morgensonne lässt die Federn rot aufleuchten.
So habe ich irgendwann mal festgelegt, das es für mich künftig beim Foto mit Minimalaufwand bleiben wird, das von Anfang an als bloßes Dokument ohne weitergehenden Anspruch intendiert ist. Erste Priorität hat nun für mich das Beobachten. Am 27.5. war ich im Isonzodelta. Es regnete in Strömen und ich saß trocken im Beobachtungsraum über dem Cafe. Limikolen waren kaum welche zu sehen. Die Kuhreiher hatten keine Lust, auf ihren Camarguepferden zu reiten. So wurde die Szenerie über zwei Stunden von zwei Rallenreihern bespielt. Zwei Stunden lang habe ich das Verhalten der kleinen Kerle studiert. Wie sie jagen. Mit welcher Geschwindigkeit der Schnabel ins Wasser schnellt. Wie behutsam sie die Füße in die krautige Bodenvegetation setzen, ohne einzusinken. Wie sie an schrägstehenden toten Ästen zentimeterweise in Zeitlupe aufwärts klettern. Wie die völlig durchweichten Zierfedern traurig zur Seite runterhängen statt stolz zu wippen. Wie der Reiher in einem Akt scheinbarer Resignation das nasse Haupt unter einem Flügel birgt. Und wie das ocker-braune Häufchen Unglück sich beim Auffliegen in zwei prächtig weiße Flügelflächen entfaltet. All das muss man nicht fotografiert haben. Man kann es auch beobachten und die Bilder im Herzen tragen. In meiner Formulierung schwingt erkennbar eine Menge Pathos mit. So ist das halt, wenn einen der Moment wirklich ergreift. Als ich mich sattgesehen hatte, hab ich doch noch ein halbes Dutzend Belegfotos gemacht. In aller Ruhe. Und weil die Motive für sich sprechen, sind es gar nicht mal die schlechtesten Dokumente.
Glück Auf
Reinhard
