Shoppingtour-Bericht

Hallo zusammen,

folgend nun der gewĂĽnschte Shoppingtour-Bericht:

Da diese Woche die Geschäfte in unseren Breitengraden wieder aufgemacht haben und das Thema „neues (Zweit-)Fernglas“ mir und meiner Liebsten unter den Nägeln brannte, machten wir beim nächsten Fachhändler mit (zumindest laut Internetauftritt) großer Auswahl an Ferngläsern einen „Click & Meet“-Termin zum Beginn des Wochenendes aus. Anhand des Online-Katalogs, in dem bei vielen Gläsern in roten Lettern „Wird nachbestellt“ prangte, trafen wir eine Vorauswahl. Der Plan war, sich vom „Mittelfeld“ bis zu den Premiumoptiken allerlei zeigen zu lassen und dann hoffentlich, vielleicht, möglicherweise zu einer Entscheidung zu kommen.

Leider waren dann vor Ort doch nicht alle Ferngläser, die wir ausgeguckt hatten, vorrätig – und auch sonst schienen nicht unerhebliche Lücken in der Auslage zu klaffen. Die derzeitige Situation scheint wohl bei verschiedensten Gütern zu Nachschubproblemen zu führen. Aber das Sortiment war eigentlich dennoch groß genug und wir ließen uns folgende Gläser heraussuchen:

- Nikon Monarch 7 8x42
- Kowa BD II 8x42 XD
- ein Leica Ultravid 8x42 und ein Leica Ultravid 10x42, davon eins mit (Retro?-)Lederarmierung (in der Aufregung haben wir uns die Modelltypen nicht genau gemerkt)
- Zeiss Victory SF 8x42
- Swarovski CL 8x30, CL 10x30, NL 12x42

Diese haben wir dann ausgiebig getestet: Tauben auf Dächern beobachtet, Kirchturmuhren gelesen, Nahbereich anhand von Ausstellungsobjekten geprüft, …

Unsere amateurhaften Einschätzungen:

(keyboardovertake) Mir persönlich hat das Swarovski CL 10x30 extrem gut gefallen für den Preis. Richtig handliches Glas, tolles Bild, scharfe Ränder, super Nahbereich – leider ist der Dämmerfaktor wegen des 30er Objektivs möglicherweise nicht so dolle, aber was sagt ihr? Ich hatte ein wenig Angst, dass es dann zur Naturbeobachtung bei später Stunde nicht reicht. (Habe mir aber überlegt, dass ich mir dieses Glas eines fernen Tages vielleicht als Zweitglas für lange Wanderungen kaufe, aber das ist nicht das Thema.)
Das Zeiss war nicht schlecht, aber ich habe nicht viel Zeit mit ihm verbracht. Irgendwie gefielen mir die anderen vom „handling“ doch wesentlich besser.
Zum Nikon: Die Gummiarmierung wirkte sehr klebrig, eher billig verarbeitet – hinzu kam, dass die Bildqualität zwar nicht schlecht, aber gegenüber den anderen deutlich abfiel. Für knappe 450€ hätte man sich auch das Kowa BD II 8x42 XD kaufen können – welches auch nicht schlecht war, keine Frage: aber wie bereits beim Nikon angemerkt, kam dieses nicht gegen die anderen an.
Beide Leica Ferngläser waren tadellos, sowohl von der Bildqualität als auch von der Handhabung. Ich war aber leider nicht gewillt, so viel Geld hinzulegen.
NatĂĽrlich, das Swaro NL 12x42 ist absolute Extraklasse, das erkenne selbst ich. Hier auch wieder: viel zu teuer.
Mein vorläufiges Resumée: absolutes Traumglas für die ferne Zukunft ist das Swaro CL 10x30. Nun wieder zurück zu Classick.
(keyboardovertake)

Die Armierung des Nikon ging gar nicht. Ich sah sie schon eines Tages zerbröseln und an den Händen kleben (aber ich mag mich irren) … Auch die Handhabung war nicht optimal. Für fast denselben Preis wäre das Kowa 8x42 sicherlich die bessere Wahl. Zwar mag es nicht gerade „cool“ aussehen – und ich habe nun mit eigenen Augen das „Made in China“ gesehen (irgendetwas in mir hatte wohl gehofft, dass der "China-Faktor" doch nicht so groß ist ...) – , aber die Verarbeitung schien mir doch recht gediegen. Das Fokussierrad war angenehm; das ganze Fernglas fasste sich gut an. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass es einen starken Globuseffekt besitzt, was für meine Augen recht anstrengend war. Wer ein gutes Mittelklassefernglas möchte und „nur“ bis zu € 500 auf den Tisch legen möchte, dürfte aber mehr als gut mit dem Kowa leben können – wenn sie / er denn nicht schon vorher bei einem höherwertigeren Fernglas Blut geleckt hat … denn dann sieht man die Unterschiede doch recht schnell. Aber wie schon geschrieben: Wer keine Erfahrung mit „Alpha“-Gläsern hat, vielleicht nur Opas altes Fernglas kennt und nicht die Bank sprengen will (und seien wir mal ehrlich: Für viele sind € 500 schon ein Haufen Geld für ein Fernglas), für die / den dürfte das Kowa etwas sein.

Was mir fehlte, war die „obere Mittelklasse“ zwischen € 500 und € 1.000. Denn die Swarovski CLs passen ja in das ursprünglich gesuchte Profil „8x42“ nicht wirklich rein. Für lange Wanderung bestimmt feine Gläser – auch mir gefiel das 10x30 am besten. Aber ich bin mit dem alten EL 8,5x42 gewohnt, ein größeres Fernglas in der Hand zu halten – und beim 30er Objektiv hatte ich meine Zweifel, wie „gut“ es sich bei Morgen- oder Abenddämmerung schlägt. Andererseits spricht die Größe für die CLs: Sie würden perfekt in (größere) Jackentaschen passen und auch nicht wie ein Mahlstein um den Hals hängen.

Die Leicas: Das unbelederte gefiel mir besser auf Grund der Haptik und insbesondere, da es nicht so einen Globuseffekt hatte. Wen man das Geld dafür ausgeben will, macht man sicher nichts falsch mit dem Wetzlarern. Gerne hätte ich ja auch Trino- oder Noctivid getestet, aber die gab es vor Ort nicht.

Und auch für das NL gilt: Wer gewillt ist, knapp € 3.000 zu verbraten, bekommt ein Fernglas, das auf Grund seiner Ergonomie und der Armierung topp in der Hand liegt, dessen Bild grandios ist, die Fokussierung ein Traum … 12fache Vergrößerung ist aber schnell verwackelt, ein anderes hatten sie (wohl) nicht zur Hand. Im Vergleich: Die Leicas waren schon wertig, das NL noch wertiger. Der "Hype" ist also wohl nicht ganz unberechtigt.

Das Zeiss SF kramte der Verkäufer dann noch auf Nachfrage aus – ein Conquest war leider nicht da. Die Armierung des Zeiss machte auf mich aus irgendeinem Grund einen „billigen“ Eindruck, aber sie ist sicherlich keinesfalls „billig“ - ist wahrscheinlich einfach Geschmackssache. Das Bild war auch sehr gut und die Bedienung ebenso. Wer es sich leisten kann, macht mit dem Victory bestimmt keinen Fehler.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit dem Besuch eigentlich schon abgeschlossen. Ich war auf Grund der Auswahl ein wenig enttäuscht (wobei das sicherlich ein „first world problem“ ist), andererseits hatten wir einen guten Überblick bekommen und eine Top-Neuheit wie das Swarovski NL testen dürfen.

Ich weiß nicht, warum – ich glaube, sie stellte die Frage, ob es das CL auch in 8facher Vergrößerung gibt -, und der Verkäufer meinte, er hätte da noch ein 8x42er von Swarovski und kramte daraufhin ein SLC heraus. Als sie es in die Hand nahm, konnte ich ein Leuchten in ihren Augen sehen … Es lag gut in der Hand, hatte ein scharfes Bild, keinen Globuseffekt. Vielleicht keine Schönheit, aber ein Arbeitstier. Und ein Swarovski (wie ich in meinem Eröffnungsbeitrag sinngemäß schrieb: Das alte EL 8,5x42 hat uns schon ein wenig „versaut“) … Das EL hatte ich zum Vergleich mit dabei und das SLC schnitt im Vergleich sehr gut ab – im Endeffekt suchten wir ja ein Fernglas, dass dem alten EL mindestens ebenbürtig ist. Das 42er Objektiv sprach zudem für die Leistung in schlechteren Lichtverhältnissen. Letztendlich überzeugte uns auch der Preis: Da wohl Auslaufmodell, war der aufgerufene Preis günstiger als auf den einschlägigen Webseiten- wenn auch etwas teurer als wir eigentlich anvisiert hatten. Aber es scheint ja häufiger vorzukommen, dass Leute in den Laden gehen, Ferngläser testen und dann doch noch ein paar Euro mehr draufpacken, um am Ende etwas „gescheites“ zu kaufen.

Rein aus Interesse - und wenn man denn schon mal da ist - wollte ich zum Vergleich dann doch auch nochmal Gläser aus der Einsteigerklasse sehen. Es wurden ein Minox und ein anderes – die Firma ist mir entfallen – aufgetischt. Aber nach all den vorherigen war das doch kein Vergleich … Ein Gelegenheits-Fernglasbenutzer kommt damit möglicherweise zurecht (und besser als die 8x20, die man als Werbegeschenk bekommt, sind sie allemal), aber wer andere Ansprüche hat, wird mit so etwas nicht glücklich, denke ich.

Also wurde es das Swarovski SLC 8x42.

Es hat sich (mal wieder) gezeigt, dass Fachsimpelei und Recherchieren im Internet einen nur bis zu einem bestimmten Punkt informieren können – schlussendlich muss man die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand nehmen und dann anhand des realen Objekts eine Entscheidung treffen.

An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für den stationären Handel brechen – vielleicht hat er nicht dieselbe Riesenauswahl wie die Internetanbieter ohne Ladenlokal auf dem (virtuellen) Papier, aber dafür kann ich die Ware persönlich begutachten und vergleichen sowie eine fachkundige Beratung erhalten (und man vertraute uns auch, dass wir die Ferngläser ohne Aufsicht testen, während das Geschäftstelefon ohne Unterlass klingelte und vom Mitarbeiter beantwortet werden musste) – das hilft nicht nur bei der eigenen Kaufentscheidung, sondern nicht zuletzt auch in der derzeitigen schwierigen Situation den Händlern vor Ort.

Ein leiser Zweifel kam uns dann nach dem Kauf, ob der größere Nahbereich des SLC (größer als der meines alten EL – 3m zu 2m) vielleicht ein Nachteil wäre – aber das ist möglicherweise ein Luxusproblem. Als wir heute Morgen auf einer kurzen Runde das SLC testen konnten, waren auch nicht allzuweit von uns entfernte (Garten-)Vögel immer noch im fokussierbaren Nahbereich des SLC und die weiter entfernten natürlich sowieso. Auf jeden Fall ist Madame hochzufrieden! Und wir sind nun gespannt, was uns alles vor die Linsen kommen wird.

An dieser Stelle vielen Dank für Ihre und eure Kommentare, Hinweise und Tipps – sie haben uns bei der Entscheidungsfindung ein gutes Stück weiter geholfen! Und es haben sich Folgendes, den meisten hier bereits wohlbekanntes abermals herauskristallisiert: Wie viel Geld will ich für ein Fernglas ausgeben? In diesem Rahmen sollte man das für einen beste erwerben – und vorher ausgiebig testen. Und nicht zuletzt: Unverhofft kommt oft!

GruĂź



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 13.03.21 22:15.