Weitere wichtige Entscheidungskriterien für ein Glas sind auf jeden Fall das Einblickverhalten, die Haptik und die Verarbeitungsqualität, welche auch die Robustheit von Mechanik und Gehäuse einschließt.
Aber zum Gewicht. Ich denke nicht, daß wir dies überbewerten. Klar sind 50 g Mehrgewicht bei einem Fernglas nicht dramatisch, wenn man dieses wie Sie mit einem 10 kg schweren Rucksack durch die Alpen trägt. Aber viele Beobachter tragen ein Fernglas oft stunden-, manchmal auch tagellang am Hals(und ohne Gegengewicht auf dem Rücken) herum, da fallen dann die 200 bis 300 g Gewichtsunterschied, die bereits innerhalb der Premiummodelle bei den 42 bis 44er Öffnungen existieren, oder die 50 bis 150 g bei den 32-er Öffnungen durchaus ins Gewicht, oder besser auf die Bandscheiben.
Ähnliches gilt für die längere Freihandhandbeobachtung, insbesondere wenn der Blick auf Beobachtungsobjekte gerichtet ist, die deutlich über dem Horizont oder gar im Zenit stehen. Wer dies einmal mit Gläsern von 150 bis 300 g Gewichtsunterschied über längere Zeit probiert hat, wird das leichtere Glas meist schnell zu schätzen wissen.
Ich denke, daß Gewichtseinsparungen beim Gehäuse nicht zwangsläufig zu einer weniger soliden oder gar weniger robusten Ausführung des Glases führen müssen. Bei den meisten Materialien wie glasfaserverstärkter Kunststoff oder Magnesiumlegierungen läßt sich allein durch die verringerte Dichte eine erhebliche Gewichtsreduzierung erreichen. Die Dichte von GFK mit 60 Prozent Faservolumenanteil beträgt nur etwa 74 Prozent und die Dichte von Magnesiumlegierungen sogar nur 64 Prozent der Dichte von Aluminiumlegierungen. Gerade GFK bietet darüber hinaus sogar noch Vorteile bei einigen Festigkeitskennwerten. Setzt man zusätzlich noch konsequent die Prinzipien des Leichtbaus um, dann sind Konstruktionen erreichbar, die aufgrund der geringeren Dichte der verwendeten Materialien, aber auch aufgrund der konstruktiven Auslegung in geringen Gewichten mit gleicher Gestaltfestigkeit des Bauteils resultieren - und dabei sogar an einigen Stellen eine geringere Wandstärke aufweisen können.
Diese Gewichts-, aber auch Bauraumeinsparungen im Inneren bieten darüber hinaus weitere Freiräume für den optischen und mechanischen Innenausbau.
Nicht zu vergessen, daß beim Sturz eines leichten Glases weniger kinetische Energie durch elastische Verformungen umgewandelt werden muß, um das spröde Glas oder die engtolerierte Feinmechanik vor dem durchschlagenden Impuls zu schützen.
Ihre Sorge um den Erhalt der Nehmerqualitäten unsere Ferngläser scheint mir berechtigt, allerdings würde ich gefährliche Einflüsse eher von Einsparungsprogrammen in beiden Bereichen - Entwicklung und Fertigung - vermuten, die oft nicht spurlos an der Güte der Produkte vorbeigehen, als von der ingenieurtechnischen Produktauslegung der großen Hersteller von Premiumferngläsern, welche - solange wir in genügender Zahl bereit sind die entsprechenden Preise zu zahlen - wohl noch viele unserer Wünsche erfüllen wird, ohne uns dies mit Qualitätseinbußen bei anderen Merkmalen spüren zu lassen.
Gruß,
Jan Münzer
P.S. Und falls es doch einmal so wie von Ihnen befürchtet kommen sollte, korrigieren wir dies durch unser Kaufverhalten am Markt auch wieder. Wir sollten für diesen Fall einige der aktuellen Gläser von Leica, Nikon, Swarovski und Zeiss vorhalten, die können nämlich noch einiges wegstecken.