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Nikon Monarch X 8,5x45, Zeiss Conquest 8x40T* und Victory 8x56T*FL - ein Vergleich im Vorübergehen

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09. Juli 2009 06:18
Mein Onkel wünscht sich ein neues Fernglas. Leider hat er eine unruhige Hand und ist stark kurzsichtig. Ein Besuch ist ohnehin vereinbart, ich soll abends in seiner Küche den Beweis rühren, dass ich die Spargelsaison mit handgeschlagener Hollondaise kulinarisch abschliessen kann. Auf dem Weg durch die Stadt inspizieren wir ein paar Angebote der Fachhändler. Ich empfehle niedrige Vergrößerung und eine hohe AP, des ruhigen und bequemen Einblicks wegen. Feinheiten wie Aberrationen bei nicht ganz zentrischem Einblick scheinen mir in seinem Fall belanglos. Ich schlage vor ein 7x42 zu probieren, falls 8x noch gehen sollte auch hier zunächst ein 42er, und dann ein 8x32, das wohl erst bei Präferenz für geringes Gewicht in Frage käme. Ob ein Fachhändler weiss, wie weit sich einzelne Modelle im Überhub anpassen lassen, werden wir sehen.

Der erste präsentiert in der Auslage lauter Leica HDs, ein 15x56er Geovid, zwei 10-fache Ultravids, und die Taschengläser, daneben von Zeiss die 12- und 15-fach Conquests und das Diascope. Im Laden dann die Ernüchterung, 7x hat er gar nicht da, wird angeblich nie verlangt, 8x nur ein Conquest. Standardgröße sei bei ihm das 10x32. Er möchte es uns unbedingt vorführen, mein Onkel sieht flüchtig wackelnd durch und mich danach fragend an. Er könne vielleicht ausnahmsweise ein Ultravid 8x32 zur Ansicht zu bestellen, lässt der Verkäufer währenddessen verlauten, beim 7x42 oder 8x42 lehnt er aber ab, sie gehen leider nicht, weder bei Zeiss, noch bei Leica. Auch Überhub ändern – wie bitte, Überhut?- geht angeblich nicht. Dann gehen eben wir.

Beim nächsten Händler thront hoch oben im Regal ein Victory 8x56, darunter haben einige Conquests ihre Versuche zur Eroberung anscheinend doch aufgeben müssen. Wie es mit dem Königreich der Monarchen daneben bestellt ist, werden wir sehen, vielleicht regieren sie auch nur das unüberschaubare Gewusel von Wild Lifes auf dem Boden, das allerdings schon von einem Diascope auf einem Tischstativ ziemlich gebändigt wird. Wir entschliessen uns beim Vergleich für Top-Down statt Bottom-Up und das Victory macht seinem Namen viel Ehre.

Das Victory 8x56 soll 1900 Euro kosten und ist für seine Zwecke, wie mein Onkel moniert, viel zu groß und zu schwer, kommt aber als Referenz gerade recht. Optisch gibt es nichts zu mäkeln, ein Hauch schmale rotviolette Farbsäume am Rand, der zwar recht, aber nicht restlos scharf ist, etwas Verzeichnung und ein ordentliches, aber nicht gerade begeisternd großes Sehfeld sind alles, was man bekritteln könnte. Kontrast, Helligkeit und Mittenschärfe sind fabelhaft und sorgen für eine umwerfende Brillianz. Der Blick in schattige Partien auf dem Marktplatz draußen lässt ahnen, was dieses Kaliber in der Dämmerung leisten dürfte. Die Augenmuscheln finde ich nicht sehr komfortabel, aber erträglich, Haptik und Verarbeitung sind gut, setzen aber keine Glanzpunkte. Auch die Fokussierung ist kein Erlebnis, gibt aber auch keinen Anlaß zur Klage. Bliebe die Geschmacksfrage Design: die dicklich bauchige Flaschenform der Tuben ist für mein Empfinden bei einem Fernglas von Herzen hässlich und der Versuch, mit Längsstreifen schlank zu wirken, deplaziert. Wer die Dämmerungsleistung braucht, wird sich kaum dran stören, denn schaut man hindurch, vergißt man all das und genießt das Bild. Dennoch glaube ich, die Arbeit eines guten Gehäuse-Designers würde sich bei Zeiss mehr als amortisieren, und zwar nicht nur bei diesem, sondern so gut wie jedem Modell. Dem pflichtet mein Onkel bei, nicht ohne weit deutlichere Worte über die Ästhetik von Steiner-Gläsern zu finden.

Wir klettern die Leiter nach unten, das Conquest 8x40 fällt deutlich ab, es schlägt sich höchstens achtbar. Punktabbildung, Kontrast, Helligkeit, und Randschärfe sind sichtbar schlechter, für mich wären sie eigentlich nicht mehr ganz akzeptabel. Es zeigt mehr Farbe, an der Sehfeldblende schimmert es schon ziemlich blau, auch Haptik und Verarbeitung sind eher schlicht, allerdings nicht schlecht, das Sehfeld liegt schon etwas unter meiner subjektiven Grenze. Für den Preis von 950 Euro scheint mir die gebotene Leistung fragwürdig. Auch wenn ich z.B. die Pendants von Nikon oder Kowa nicht kenne, möchte ich wetten, dass sie bei einem Mehrpreis von vielleicht ein bis zweihundert Euro einen in jeder Hinsicht ungleich höheren Gegenwert bieten. Vielleicht leben die Conquests von ihrem Namen und ihrer geschickten Platzierung in einer finanziellen Nische. Meinem Onkel entlockt dieses Conquest nur ein Mhmh. Es klingt ein bisschen bedauernd.

Vom neuen Nikon 8,5x45 erwarte ich noch weniger, das Sehfeld wird noch kleiner sein als beim Conquest und der Preis von 550 Euro verheißt noch mehr Kompromisse. Es ist nur die pure Neugier, wieviel eine dieelektrische Verpiegelung bewirken kann, die mich um das Glas bitten lässt, aber schon der erste flüchtige Blick durch das Monarch beeindruckt mich. Eine dieser fliegenden Ratten sitzt gurrend auf einem Sims unter einem Dachgiebel nebenan, die Farbdifferenzierung des scheußlich rot-grünen Geglitzers in ihrem Brustgefieder ist im Nikon viel schöner hässlich aufzulösen. Auch der weiße Sch…dreck den sie auf der Fassade hinterlassen hat, wirkt im Nikon noch deutlich ätzender. Gut, es vergrößert den Haufen minimal mehr. Aber abgesehen vom kleineren Sehfeld, das mich jetzt sogar gerne an ein Zielfernrohr erinnert, liegt dieses Monarch m.E. in allen Belangen deutlich vor dem Conquest. Dabei scheint mir sein Abstand zum Victory nach oben deutlich geringer als der zum Conquest nach unten. Es hat einen exzellenten Kontrast und ist schärfer, hat weniger Farbsäume und verzeichnet weniger als letzteres, obwohl es kaum mehr als die Hälfte kostet.

In der Helligkeit und der Farbneutralität übertrifft es nicht nur das Conquest, sondern auch mein HG, die dieelektrische Prismenverspiegelung bei Nikon ist ein deutlicher Sprung nach vorn. Dabei wirkt es leichter, ist ansprechend verarbeitet, liegt mir prima in der Hand, und seine Fokussierung läuft spielfrei und so wunderbar weich und angenehm wie bei keinem der beiden anderen Gläser. Der AP-Längsabstand ist etwas zu reichlich ausgefallen, aber bei vollem Auszug der Augenmuscheln, die mir angenehmer vorkommen als beim Conquest, gibt es bei mir kein Kidney-Beaning mehr. Dennoch heißt es hier sicher individuell ausprobieren. Wer mit dem unschön engen Sehfeld leben kann, erhält mit diesem Monarch ein Glas mit ansonsten exzellentem Preis/Leistungsverhältnis, dessen optische und mechanische Qualitäten m.E. mehr als zufriedenstellen. Vermutlich ist der 10,5 fache Zwilling noch interessanter, weil hier der AP-Längsabstand deutlich geringer ausfällt und der subjektive Sehwinkel bei identischem Sehfeld echten Weitwinkelblick verheißt. Wenn bei diesem Glas auch die Bildqualität stimmen sollte, und ich mich bei diesem flüchtigen Vergleich nicht komplett getäuscht habe, dürfte dieses neue Monarch ein heisser Tip sein.

Das neue Design des Nikon wirkt gelungen, es scheint weitgehend von den in Europa verhinderten EDG übernommen, und bei der durchgezogenen Achse im ursprünglichen Durchgriff, die irgendwie überflüssig wirkt, kommt mir unwillkürlich ein Verdacht: Swarovskis gut gefüllte Kriegskasse könnte benutzt worden sein, um sich über die Jahre jede Menge mehr oder weniger konstruktive Kleinigkeiten patentrechtlich absichern zu lassen. Wer genug Geld hat, kann damit ein hübsches Marketinginstrumentarium zum Ausbremsen der Konkurrenz aufbauen. Statt eigene Ideen zu realisieren, können viele kleine Schutzrechte auch dazu dienen, der Konkurrenz das Leben schwer zu machen, indem man alle möglichen leicht zugänglichen Ideen besetzt und damit präventiv blockiert. Vielleicht hat man bei den EDGs auf diese Weise genug juristische Ansatzpunkte gefunden, um Nikon auszubremsen? Eine Spekulation, nicht mehr.

Und da ich schon beim Spekulieren bin: Wenn Nikon die dielektrische Prismenverspiegelung in der Toplinie einführt, ohne die Preise saftig zu erhöhen, dürfte sich die Konkurrenz warm anziehen müssen. Schon die jetzigen HGs sind abgesehen von Transmission und Farbtreue optisch und mechanisch absolut erstklassig. Wenn dann noch ED-Objektive dazukommen, könnte man mit dem leicht höheren Gewicht auch angesichts der hohen Randschärfe (Bildfeldebnungslinsen) gut leben. Summa summarum könnte das alles mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit zur aktuell weltbesten Fernglaslinie führen – oder schon geführt haben. Vorläufig leider nur als lokales Intermezzo, vielleicht der hohen Juristerei sei Dank. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Hätte ich das Geld, liesse ich ohne zu Zögern schon jetzt ein EDG aus den Staaten einfliegen oder mitbringen. Herr Wiesner, wie wär's?


Auch mein Onkel ist vom preiswerten Nikon sichtlich beeindruckt und, kaum sind wir wieder draußen vor der Tür, macht er dem leichten Ärger Luft. Er will nicht nur ein deutsches Glas, er will offenbar auch, dass deutsche Gläser die besten und schönsten sein sollen. Dann dürfen sie auch gerne die teuersten sein. Selbst ein großdeutsches Glas kommt einfach nicht in Frage. So einfach ist das. Da löckt ein „billiges“ Nikon ganz schön wider einen Stachel, will mir scheinen, vielleicht hat auch der Steiner-Look das Faß schon etwas zum Überlaufen gebracht. Wir gehen schweigsam in seine Stadtwohnung. Nächste Woche besuche ich ihn noch mal und spaziere zur Beruhigung mit ihm woanders vorbei, wo man die „schlecht gehenden“ 32er und 42er von Leica und Zeiss in 7- und 8-fach direkt vergleichen kann. An diesem Abend gelingt mir die Hollandaise zum Glück so gut, dass die kleine japanische Verstimmung bald vergessen ist, dem deutschen Spargel sei Dank. Der ist nun wirklich der beste und teuerste, und so ist die Welt wieder in Ordnung. Glaubt mein Onkel. An diesem Abend.




4-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.07.09 07:10.
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Nikon Monarch X 8,5x45, Zeiss Conquest 8x40T* und Victory 8x56T*FL - ein Vergleich im Vorübergehen

konfokal 3365 09. Juli 2009 06:18

Re: Nikon Monarch X 8,5x45, Zeiss Conquest 8x40T* und Victory 8x56T*FL - ein Vergleich im Vorübergehen

Michael Brücker 1255 09. Juli 2009 08:25

Re: Nikon Monarch X 8,5x45, Zeiss Conquest 8x40T* und Victory 8x56T*FL - ein Vergleich im Vorübergehen

Walter Dreesen 1501 09. Juli 2009 10:09

Guter Bericht!

Wiesner 1269 09. Juli 2009 16:17

Schöner Bericht, wenn auch etwas nikonophil:-)

Manni 1268 09. Juli 2009 18:03

Deutschsprachige Hausmannskost - Menuvorschlag für Ihren Onkel

Jan Münzer 1292 09. Juli 2009 19:52

Re: Deutschsprachige Hausmannskost - Menuvorschlag für Ihren Onkel

Manni 1427 09. Juli 2009 20:17

Gnade der späten Geburt

Jan Münzer 1159 09. Juli 2009 22:55

Re: Nikon Monarch X 8,5x45, Zeiss Conquest 8x40T* und Victory 8x56T*FL - ein Vergleich im Vorübergehen

Frank 1895 11. Juli 2009 15:02



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