Mit „Soll/Ist-Abweichung“ meinen Sie wahrscheinlich die Abweichung von der jeweiligen Herstellerangabe (nicht eine „Ist-Abweichung“ von einer „Soll-Abweichung“). Dazu müßte ich erst einmal alle Herstellerangaben haben, die mir bislang nur in Einzelfällen vorliegen. Manche Hersteller machen zum scheinbaren Sehwinkel leider gar keine Angaben.
Ich habe jedoch bereits gestern eine große Datentabelle zu erstellen begonnen, in der ich noch viele weitere von mir überprüfbare Angaben eintragen möchte (z.B. Gewicht, Nahgrenze, Fokussieruntersetzung, Sehfeld auf 1000 m) und die alle mir zugänglichen Ferngläser umfassen wird. Aber diese weiteren Prüfungen brauchen viel Zeit, die ich derzeit nicht aufbringen kann. Die Sache wird sich also ein weinig hinziehen. Aber besser, es dauert ein paar Wochen oder Monate, als daß es gar keine solche Tabelle gibt. Vielleicht kann ich heute noch ein oder zwei Stunden aufbringen, um erst mal alle von mir für wichtig erachteten Parameter in einer sinnvollen und übersichtlichen Tabellenstruktur zusammenzustellen. Die Tabellenstruktur möchte ich noch in den nächsten Tagen fertigstellen, weil ich dann wenigstens für die Leih-Ferngläser, die ich zur Zeit habe, alle schnell überprüfbaren Daten ermitteln und dort eintragen möchte. Meine eigenen Ferngläser stehen mir dann auch später noch jederzeit zur Prüfung zur Verfügung, aber die Leihferngläser möchte ich schnellstmöglich wieder an ihre Besitzer zurückgeben.
Sie fragten noch nach der Verzeichnung. Die direkt zu messen, ist eine schwierige Sache, vor allem dann, wenn man (wie es in der Fotografie wegen der dort viel kritischeren Bildverformung wichtig ist) den Verlauf der Verzeichnung vom Zentrum, wo die Verzeichnung definitionsgemäß 0 ist, bis zum Sehfeldrand, also in Abhängigkeit von der Bildhöhe ermitteln will. Beim Fernglas kann man jedoch von einer relativ gleichmäßig in Wert und Steigung (Gradient) ansteigenden Kurve ausgehen, von der es dann eigentlich ausreicht, den Maximalwert am Sehfeldrand zu kennen. Um den zu ermitteln, brauche ich dann keine eigene Meßmethode, sondern kann ihn aus dem realen Sehwinkel oder dem Sehfeld auf 1000 m sowie dem schon gemessenen scheinbaren Sehwinkel berechnen. Die Herstellerangabe des realen Sehwinkels ist aber oft zu stark (auf)gerundet. Ich brauche einen viel genaueren Wert, etwa auf eine Winkelminute genau, wie ihn kein Hersteller angibt. Außerdem wird auch zu oft bei den Herstellerangaben gemogelt. Mit anderen Worten: ich kann die Verzeichnung am Sehfeldrand, also die maximale Verzeichnung, erst dann berechnen, wenn ich außer dem scheinbaren Sehwinkel auch den realen Sehwinkel oder das Sehfeld auf 1000 m in ausreichender Genauigkeit selbst gemessen habe.
Was die Unterschiede zwischen den beiden Fernglashälften betrifft, so ist Ihre Vermutung richtig. Ich habe interessehalber bei einigen der von mir überprüften Ferngläsern den scheinbaren Sehwinkel beider Rohre gemessen, und dabei immer entweder denselben Wert oder maximal ca. 0,1° Abweichung zum anderen Rohr erhalten, was aber innerhalb meiner Meßtoleranz liegt und somit nicht signifikant ist. Wenn die Okularlinsen und Sehfeldblenden handgeschnitzt wären, müßte man mit größeren Abweichungen rechnen, aber die Serienfertigung auf automatisch gesteuerten Machinen bzw. mit demselben Stanzwerkzeug bei der Sehfeldblende macht diese Toleranzen verschwindend klein.
Walter E. Schön