Zu den Angaben von augenseitigen Sehwinkeln und dem Nahbereich von Nikon-Ferngläsern fällt mir ein, daß ein gewisses Understatement durchaus gewinnend wirken kann. Niemand erwartet zu viel vom Produkt und kann dann eigentlich nur positiv überrascht werden, wenn Marktschreierei und Superlativ-Werbung im Vorfeld vermieden werden. Neben der Frage, ob einige Kunden mit Understatement-Werbung erst gar nicht erreicht werden, besteht die wohl einzige Gefahr darin, daß man etwas unter Wert verkauft. Aber das scheint bei den Listenpreisen der Spitzenprodukte von Nikon wohl auch nicht der Fall zu sein, obwohl die EII oder HG-L im Vergleich zu den Preisen der anderen drei Großen als eher moderat bezeichnet werden können.
Aber komisch ist es schon, daß, wie Sie schon schreiben, die Angaben der Nahgrenzen oft deutlich höher ausfallen, als eine Reihe von Beobachtern an ihren Exemplaren messen. Bei der Angabe der SSW bin ich auch etwas ratlos. Als Nikon sich entschied, die Angabe des augenseitigen Sehwinkels nach der Formel für die Tangentenbedingung(TB) gemäß der entsprechenden Norm anzugeben, leuchtete mir sofort ein, daß dies wohl nicht nur sinnvoll, sondern auch die Methode wäre, die näher an der physikalischen Realität liegen sollte, da viele Nikon Ferngläser ja deutlich weniger verzeichnen als deutsche Geräte und somit der Fehler bei Angabe des SSW für das unverzeichnete Fernglas nach der Tangentenbedingung deutlich kleiner sein sollte als bei der bekannten Angabe des SSW nach der Winkelbedingung(WB) als Produkt von realem Sehwinkel und Vergrößerung, weil das Maß der Verzeichnung zur Erfüllung der Winkelbedingung zwar selbst von deutschen Gläsern nicht ganz erreicht werden sollte, wenn überhaupt aber nur diese mit ihrer stark verzeichnenden Optik SSW-Werte erreichen können, die nah am nach der Winkelbedingung errechneten liegen.
Nun wird es aber wirklich ein bißchen spannend, weil Herr Schön uns nämlich die gemessenen Sehwinkel einiger Ferngläser zugänglich gemacht hat. Und die Meßwerte sind nahe Verwandte der physikalischen Wahrheit, weil sie auch genau die Verzeichnung beeinhalten, die das Glas wirklich hat.
Nehmen wir uns das kaum sichtbar verzeichnende Nikon 5x15 Titanium und das schon mehr, aber immerhin noch recht wenig verzeichnende Nikon 8x30 EII als Beispiel müssen wir jedoch feststellen, daß folgende Ergebnisse die o.g. Schlüsse nicht richtig stützen können:
——————————————SSW nach TB——— SSW nach WB—— SSW gemessen
Nikon 5x15 Titanium——————42,8°————————44,8°——————
44,4°
Nikon 8x30 EII—————————63,2°————————70,4°——————
67,6°
Es fällt sofort auf, daß für das 5x15, dem ich die geringere Verzeichnung unterstelle, der nach der Tangentenbedinung errechnete Wert, der deutlich kleiner und damit weniger werbewirksam als der nach der Winkelbedingung errechnete Wert ausfällt, aber auch wesentlich weiter vom gemessenen Sehwinkel entfernt liegt, der nur geringfügig unter dem nach der Winkelbedingung errechneten liegt! Beim 8x30 EII hingegen, welches ich für etwas stärker verzeichnend als das 5x15 halte, liegt der SSW nach WB zwar auch näher am gemessenen SSW, aber der SSW nach TB im Vergleich dazu nicht mehr so weit vom gemessen entfernt. Was ist das los? Verstehe ich etwas falsch oder ist die Größe des Meßfehlers beim Aufbau von Herrn Schön und die Rundung der Angabe der Sehfelddurchmesser durch die Hersteller hier schon von Relevanz? Sind die Angaben der Hersteller zum Sehfelddurchmesser vielleicht schon fehlerbehaftet?
Zur Nahgrenze bleibt zu sagen, daß ich sie für mich persönlich gerade mit 85 cm beim Nikon 5x15 Fernglas ausgemessen habe. Der Blick ist nicht absolut entspannt, aber auch nicht besonders angestrengt. Einzig der Sehfeldrand wird nicht durch einen perfekten Kreis, sondern durch zwei überlappende gebildet. Aber ich kann längere Zeit so beobachten ohne mich anstrengen zu müssen. Von Kurzsichtigkeit ist mir nichts bekannt. Meine Augen sollten halbwegs i.O. sein, ich habe jahrelang die flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchung ohne Sehhilfe problemlos bestanden und stelle seitdem keine Verschlechterung des Sehfvermögens im Alltag fest.
Jan Münzer
PS Eine schöne Darstellung von Herrn Schön zur Problematik der Angabe der augenseitigen Sehfelder nach verschiedenen Formeln und die Einordnung der ermittelten Ergebnisse im Bezug auf die Meßergebnisse findet sich hier: [
www.juelich-bonn.com]