Hallo Herr Heinemann,
ja, 'big is beautiful' und es fängt schon im Kleinen an: Auch bei den tagaktiven Vogelkundlern gibt eine ganze Menge Beobachter, die mit einem 7x42 FL unterwegs sind. Also ordentlich Austrittspupille und Sehfeld, wo doch sonst der Standard für viele Ornis 10x32 oder 10x42 wäre. Manfred Müllers, Kilian Emmerling, meine Wenigkeit u.a. sehen das aber oft anders und scheuen sich nicht, mit AP = 6 mm, 150 m / 1000 m Sehfeld, großer Tiefenschärfe und mit hoher Bildruhe auch am helllichten Tage unterwegs zu sein.
Im Großen geht es dann weiter, wie Sie ja schon bemerkt haben. 10x56 FL heißt das Zauberwort, aber auch 8x56 FL. Henry Link, ein erfahrener Birder, der im birdforum schreibt, ist mit dem 8x56 FL auch tagsüber unterwegs. Warum? Weil er sonst kein Glas mit besserer Bildqualität am Tage kennt. Er sieht die Ursache dafür in der längeren Objektivbrennweite und dem daraus resultierenden Öffnungsverhältnis im Vergleich zu den 42er Kompromissen, welche eine bessere achsnahe Korrektion von Abbildungsfehlern unterstützen können(www.birdforum.net/showthread.php?t=81438).
Aber von diesem Extrem einmal abgesehen, wird es wahrscheinlich fast jedem, der es einmal ausgiebig und intensiv probiert hat, überzeugt haben, daß ein eigentlich von der Austrittspupille 'überdimensioniertes' Glas mit 50er oder 56er Objektiv und 8- oder 10facher Vergrößerung viele Vorteile auch am Tage beim Beobachtungskomfort und in der optischen Leistung bieten kann. Allein die große AP macht schnell, man muß nicht immer haargenau positionieren, bevor man das volle Bild sieht. Außerdem ist die große AP bequem, Handunruhe, Wind oder andere Einflüsse stören die Beobachtung nicht sonderlich, weil die Augenpupille nicht so schnell abgeschattet wird, wenn sie sich etwas innerhalb der großen Austrittspupille bewegt. Darüber hinaus kann man locker mit den Augen rollen, ohne so schnell Abschattungen oder Qualitätseinbußen fürchten zu müssen. Kilian hat das hier ja vor kurzem beschrieben.
Hohe Vergrößerung hilft dann bei der Erkennung, bei den großen Objektiven auch ohne die AP-Reserve anzutasten. Für mich liegt die Grenze für längere, freihändige Beobachtung von quasi-stationären Beobachtungsobjekten allerdings bei maximal 10fach. Alles darüber gehört dann auf ein Einbein. Aber bis dahin sind die großen Rohre perfekt für die Tagebeobachtung geeignet, wenn man sie sich leisten kann, oder es sich leisten oder es leisten kann, die Boliden auch zu schleppen oder es gar nicht muß. Da kann ich Rubens verstehen, der Kräftige und Starke, den Schlanken und Eleganten vorzog, weil er es üppig mochte, und Barrichello auch, dem einzig Leistung über alles geht, weil er sich braucht auf der Rennstrecke. Also, ganz dicke Hose, wie die Jugend heute sagt, oder dickes Rohr, nicht nur beim Autotuning, sondern auch bei der Optik. Viel hilft viel!
Wie Sie schon bemerkt haben, sind Vergößerungen über 10fach bei den Premiummodellen selten geworden. Das 12x50 HD ist Spitze, gerade auch, weil es nicht viel mehr als ein 10,5x44 Kowa wiegt, aber die gleiche AP bei höherer Vergrößerung, eine höhere Transmission(und vielleicht sogar etwas mehr Farbsäume ;-) ) hat und man beim realen Sehfeld nur ganz geringe Abstreiche machen muß. Das 15x56 SLC sollte renoviert werden. Ich nenne es Spektralzerleger, trotz meiner Rot-Grün-Schwäche. Mal sehen, ob Zeiss sich doch noch einmal mit 12- oder 15fachen 56ern aus der Lahnböschung traut, bevor die heutigen Victory ersetzt werden. Bleibt nur noch das 15x60 von Docter oder die Japaner.
Mit dem zweiten sieht man besser! Und ist damit meist mobiler, aber ab 10fach beginnt der Grenzbereich für freihändige Beobachtung. Das Ultravid 12x50 kann es mit einigen Beobachtern, aber hier bringt ein Stativ schon etwas. 15fach verlangt nach einem Stativ. Ein kleines 65er Spektiv ist auch nicht schlecht und wiegt mit Okular meist nicht mehr als ein 15x60. Aber es hat eben nur ein Auge, die AP ist nach 16fach kleiner und ein Dreibein werden die meisten dafür brauchen.
Jan Münzer
