Im Lastenheft von Nikon stand kein Satz über Gewicht, ein Fehler, man braucht sich nur einmal den wuchtigen, absolut überdimmensionierten Spektivfuß anzuschaun. Das Ergebnis sind bemerkenswerte 500 Gramm Übergewicht. Wer hat da nur geschlafen?
Das war es dann mit der Kritik. Das EDG 85 A hätte nämlich sonst das Format zur Referenz, davon bin ich nach einigen intensiven Beobachtungstagen überzeugt.
Der Reihe nach.
Nach dem Swarowski, dem Leica und neuerdings auch dem Zeiss hat Nikon seinem Spitzenmodell ebenfalls eine geräuschdämmende Ummantelung spendiert, die zusätzlich noch Vorteile bei niedrigen Temperaturen bietet. Im Vergleich dazu kommt mir mein Diascope regelrecht nackt, ja fast ungeschützt vor. Kaltes Metall, laut und empfindlich, wie ich unschwer an den Gebrauchsspuren erkennen kann. Nikon hat sich für einen großen Drehring entschieden, der aber anders als beim Ideengeber Swarovski extrem breit und fast demonstrativ griffig ausgeführt wurde. Damit läßt sich weich und präzise hantieren, dafür höchstes Lob. Die Vorschubgeschwindigkeit ist abhängig von der Einstellentfernung, man muß es nachlesen, in der Praxis fällt es kaum auf, so gut sind die Übergänge gewählt.
Die Streulichtblende ging bei meinem Exemplar etwas stramm, es gibt beim Herausziehen ein kleines Anschlaggeräusch, ähnlich wie beim Diascope, ein kleiner Schönheitsfehler, mehr nicht.
Das Ansetzen und Verriegeln der Okulare geht leicht und mit wenig Geräusch, kein Vergleich mit dem Kraftakt, den mein Diascope verlangt.
Zusammengefaßt, dies ist die beste Verarbeitungsqualität und das beste Anfassgefühl aller Spektive, die ich bisher ausprobieren durfte.
Der Anfänger wird sich wundern, dass ich nicht sofort mit der Optik beginne, erfahrene Beobachter wissen, welchen Einfluß schlechte Mechanik auf das Handling und das Beobachtungsergebnis haben.
Die Optik beschreibe ich am besten im Vergleich zum Diascope.
Ich habe einmal die Variookulare und daneben die verfügbaren Festbrennweiten vergleichen können. Zeiss 40x und Nikon 38x und 50x
Fangen wir mit den Sehfeldern an. Erstaunlicherweise hat hier Zeiss immer noch die Nase vorn, wer die letzten Zentimeter Sehfeld braucht, da kommt das Nikon nicht ganz heran, wer dagegen pragmatisch vorgeht, der wird sofort feststellen, dass Nikon in den Punkten Bilddefinition und Randschärfe punktet. Punktet heißt, dass das Zeiss Vario zwar etwas mehr Sehfeld zeigt, aber in der Auflösung und bzgl. der Farbsäume früher nachläßt als das Nikon. Es gab keine Situation, ganz gleich bei welcher Vergrößerung bei der das voll nutzbare Sehfeld des Nikon nicht größer war. In einer kritischen Situation: kleiner Ast gegen blauen Himmelshintergrund und Sonne ideal, zeigt das Zeiss ab ca. 3/4 Sehfeld den beginnenden Farbsaum. Den vergleichbar intensiven Farbsaum sehe ich im Nikon erst unmittelbar am Rand. Das tut dem Bildeindruck gut.
Überstrahlungen stecken beide Spektive gut weg, hier hat Zeiss ganze Arbeit geleistet und ich erinnere mich noch genau an den Vergleich mit dem Kowa, wo dieses in dieser Disziplin schwächelte. Nicht so das Nikon, es ist sogar noch etwas weniger empfindlich, ganz gleich ob man Sonnenreflexe im Wasser, die obligatorische Strassenlaterne oder den Mond betrachtet, es ist immer einen Tick voraus.
Kräftige Farben, Blumen im Sonnenlicht, Erpel, Buntspechte klarer Punktsieger Nikon.
Dämmerungsleistung, die Domäne des Zeiss. Ich habe mich intensiv bemüht und auch hier fällt das Zeiss auf Platz zwei zurück.
Farbabstimmung nach Walter E. Schön.
Sie sind nach meinen Augen sehr ähnlich abgestimmt. Nimmt man als 3. noch das 10x56 FL hinzu, dann sind die Spektive nicht ganz so blau, sondern eher etwas grünlich, das Zeiss einen Hauch kühler.
Den Lesetest bei 60fach gewinnt ebenfalls das Nikon, ich mußte das Diascope etwa 4% näher zum Ziel plazieren um damit die gleiche Leseleistung zu bekommen.
Fazit mit den Variookularen: Das Nikon EDG 85 A ist dem Diascope 85 FL in allen relevanten Punkten überlegen, das größere Sehfeld kann dem Zeiss keine Pluspunkte liefern, weil die Abbildungsleistung am Rand nicht so berauschend ist.
Das Diascope hat es leichter, wenn man die Okulare mit Festbrennweiten vergleicht. Hier ist der Unterschied beim Sehfeld des 40x größer und die Abbildungsqualität bleibt bis zum Rand vergleichsweise hoch. Schwächen im Gegenlicht bleiben aber, es liegt also nicht nur am Variookular, auch der Spektivtubus liefert seinen, negativen Beitrag.
Kommen wir zu den Unterschieden im Zubehör.
Nikon liefert einen DSLR-Anschluß mit variabler Brennweite. Das Ding ist toll, setzt aber, wen wundert's eine DSLR aus den eigenen Haus voraus. Ein Alleinstellungsmerkmal mit hohem Gebrauchsnutzen.
Zeiss hat sich mit dem simplen, aber effektiven Astroadapter ein zweites Fenster erschlossen, das sicher in etlichen Fällen kaufentscheidend war, so auch bei mir.
Ich finde auch den Quickkameraadapter praktisch, will ihn aber nicht anführen, weil es da auch andere Meinungen gibt.
Ich werde mir jetzt kein neues Spektiv kaufen, aber wenn, dann würde ich lange überlegen, ob das Mehrgewicht von 500 Gramm bei einem Gesamtgewicht von 4-5 Kilogramm so entscheidend ist. Was fehlt wäre noch ein Okular für die Planetenbeobachter, da reichen 75fach nicht ganz aus.
Jetzt muß ich bei Gelegenheit einmal das aktuelle Zeiss probieren, ob da alle Schwächen beseitigt wurden.
Gunnar