Ich denke, es handelt sich um eine Variante des klassischen Trollens: Man wirft eine kontroverse These ein und wartet darauf, dass es ordentlich Zoff gibt. Zwischendrin noch ein paar abfällige Bemerkungen oder Beschimpfungen, um das Feuer am Lodern zu halten. Herkunft und sozialer Hintergrund dieser Trolle haben sich im Laufe der Zeit verschoben, die generelle Strategie aber nicht.
Ich bin seit 1993 im Internet, als es den allerersten 'Mosaik'-Browser gab. Damals gab es nur sehr wenige Web-Seiten, man schickte sich Nachrichten, wenn man eine neue Seite entdeckt hat. Es gab ein ständig aktuelles Satellitenbild der Erde, das bei mir quasi 24 Stunden am Tag lief, eine Kaffeemaschine, die mal voll, halb-leer oder leer war (super spannend :-), und die Seiten einzelner Anarchisten mit Anleitungen zur Weltrevolution. Bald kamen hippe Zeitschriften, meist computerbezogen, gleichzeitig die ersten Nachrichtenseiten und Porno. Dann wurde es bald kommerziell, man konnte plötzlich Dinge kaufen.
Nachtrag: Eine Anekdote aus dieser Zeit fällt mir gerade ein: Ich fand die Internetseite einer Japanerin, die sich damit brüstete, eine eigene Homepage zu haben. Also beschloss ich, auch eine zu bauen - aber wie? Ich war damals Diplomand und arbeitete in einem Büro am Max-Planck-Institut für Kernphysik. Ich bot an, der erste Web-Administrator unserer Abteilung zu werden. Über Nacht brachte ich mir ein wenig HTML-Programmierung bei, entwarf die Webseiten unserer Arbeitsgruppen und natürlich meine eigene persönliche 'Homepage'. Einmal bekam ich auch etwas Ärger, weil ich eine Pornoseite verlinkt hatte. Die Dummköpfe hatten halt nicht kapiert, dass auf diese Weise das MPI für Kernphysik schon sehr früh ein wichtiger Anlaufpunkt im Internet wurde ;-)
Mein Kollege sagte vor nicht allzu langer Zeit, dass die sozialen Netzwerke einen Phasenübergang durchgemacht haben, seitdem schließlich - knapp 20 Jahre nach Erfindung des Netzes - auch die 'UIQ80-Leute' (er meinte Menschen mit einem IQ unter 80 :-) dabei seien. Seitdem sei der Umgangston zunehmend rau geworden, Diskussionen kaum noch möglich. Er übertreibt und vereinfacht, aber tendenziell stimmt es ja: In den ersten Jahrzehnten des Internets waren vornehmlich besser gebildete Menschen, die viel mit Computern zu tun hatten, im Netz aktiv, und inzwischen hat jeder Heini ein Smartphone und will überall mitmischen. Es ist eine These, die sich ein Soziologe mal vornehmen sollte (die vermutlich auch schon untersucht wurde).
Meine Strategie ist immer: Nicht provozieren lassen ('don't feed the troll'). Wenn ich merke, dass jemand nicht ernsthaft zuhört, sondern nur seinen Senf missionieren will, dann bin ich weg. Es ist nicht mein Ziel und auch nicht möglich, solche Leute umzustimmen.
Viele Grüße,
Holger
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.02.19 11:36.