Danke an Holger für die klärenden Worte. Die aktuelle Diskussion hat für mich neben dem konkreten auch noch einen allgemeinen Aspekt.
Ein neuer Teilnehmer stellt sich vor, beschreibt sein Anliegen und sagt zu seiner Person kurz, dass er Jäger werden möchte. Trotz all der im Forum versammelten Expertise hält sich die Zahl der für ihn verwertbaren Antworten in Grenzen. Dafür stellen andere Beiträge sofort auf seine Identität als (künftiger) Jäger ab. Das sollte einem wohlwollenden Zeitgenossen angesichts Marlons höflicher Anfrage eher abwegig erscheinen. Dort liegt wohl auch der Hase im Pfeffer. In der sich identitätspolitisch immer weiter spaltenden Gesellschaft ist das Minimum an Wohlwollen gegenüber dem vermeintlich oder tatsächlich Anderen gegen Null gegangen. Überall scheinen sich neue Dichotomien aufzutun. Angler vs. Wildwasserpaddler, Stand-Up-Boarder gegen Kitesurfer, SUV-Fahrer gegen Radfahrer. Wenn man dies als gesamtgesellschaftliche Tendenz unterstützenswert findet, ist es folgerichtig, sich als authentischen Naturbewahrer und demgegenüber die Jägerschaft als Schießwütige, Trophäengeile oder Kaltmacher zu definieren. Um Klarheit zu schaffen: ich bin für jedes Bekenntnis zu den eigenen Identitäten solange sie faktisch belegbar sind (wie viele es pro Person auch sein mögen) und glaube keineswegs, dass bei ausreichend inbrünstigem Inklusionsbekenntnis in naher Zukunft alle Menschen Brüder (bzw. meinetwegen auch Schwestern oder Schwester*innen) werden. Allerdings darf sich 2021 der Einzelne ruhig mal überlegen, in wieviele infinitesimal kleine Splittergruppen wir unsere Gesellschaft teilen wollen. Man kann Ornithologen, Wanderer, Sicherheitsdienstbeschäftigte und Seefahrer als abschließende Aufzählung betrachten. Ich tue mich schwer mit solcher Sichtweise, sehe die Aufzählung nicht als verbindliche AGB und finde Jäger auch ohne ausdrückliche Erwähnung vom Anliegen des Forums eingeschlossen. Wenn der Fokus wirklich auf dem fachlich-technischen Austausch läge, würde man anerkennen, dass Jäger gerade in Bezug auf Bildhelligkeit, Dämmerungseignung und Robustheit von Gläsern unserer Gemeinde eine Menge wichtige Erfahrung mitzuteilen haben. Gleiches empfinde ich angesichts der Beiträge von Sternguckern. Die sind in der Überschrift des Forums auch nicht explizit aufgezählt und haben doch den „reinen“ Tagbeobachtern einen Menge relevante Zusammenhänge und Details zu berichten.
Disclaimer: Ich bin kein Jäger, besitze keine Schusswaffen, teile bestimmte Auffassungen von Teilgruppen der Jägerschaft nicht, bin mir diverser Gruppeninteressen der grünen Zunft bewusst, kenne aber viele Jäger, schätze deren praktische Artenkenntnis, danke manchem Jäger für manch guten Beobachtungstipp und muss mir unbekannten Jägern für mir unerklärliches Verhalten nicht zwangsläufig niederträchtige Motive unterstellen (wie es im Forum teils unterschwellig, teils explizit geschieht).
Wie stark einzelne Forenten auch immer mit einzelnen Jägern über Kreuz liegen mögen, sollte es doch ein Rest an Schamgefühl verbieten, hier zum x-ten Mal bei billigstem Jägerbashing mitzumachen. Gut finde ich, dass altgediente Autoritäten wie OhWeh mal auf unbestrittene Leistungen der Jägerschaft verweisen.
Ein nicht ganz neues Muster ist, dass ein Neuzugang erfolgreich vergrault wurde und der angestammte Kern der Gemeinde weiter auf kleiner Flamme im eigenen Saft köcheln kann. Wenn es gefällt, bitte gern. Mir persönlich tut es für Marlon und für das Forum sehr leid.
Eine völlig neue Qualität stellt es aber dar, wenn sich allseits respektierte Leute, fachliche Leistungsträger wie Pinac, aus dem Forum zurückziehen. Für mich selbst muss ich feststellen, dass ich nicht das fachliche Niveau mitbringe um substantielle Beiträge zu optischen Themen zu liefern. Ich kann nur recht allgemeine Praxiserfahrungen schildern, was ich auch nur dann mache, wenn ich meine Informationen für ausreichend relevant halte. Insofern habe ich das Forum aus technischer Sicht kaum bereichern können. Umso mehr schätze ich die Qualität der Beiträge „alter Recken“ zu denen ich (neben Holger Merlitz) beispielsweise Ohweh, Manfred Gunia und Pinac zähle. Aus meiner Sicht vernimmt man diese Stimmen zusehends weniger im Forum. Das schlägt sich in einem allgemein sinkenden technischen Niveau der Beiträge nieder. Der Schwund des zwischenmenschlichen Respekts ist ein weiterer Sargnagel. Die Fraktion der Stänkerer hat damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: jungen Aufwuchs gekappt und unliebsame alte Konkurrenz (an die das eigene Niveau nie heranreichte) beseitigt. Die formale Durchbildung der Beiträge bewegte sich noch vor sieben-acht Jahren auf gänzlich anderem Niveau. Das reichte von der Art, seine Beiträge argumentativ zu strukturieren bis hin zur Rechtschreibung. Das Forum hatte einst einen gewissen elitären Anspruch, der mich als Laien einerseits eingeschüchtert und andererseits sehr bereichert hat.
Seinerzeit ging es mir massiv aufs Gemüt, wenn Marc Champollion, der nun in Frieden ruht, anderer Leute Rechtschreibfehler nicht nur korrigierte, sondern auch wertete. Heute habe ich ein schlechtes Gewissen gegenüber dem einstigen Erbsenzähler und ertappe ich mich dabei, mir M.C. zwecks gelegentlicher orthographischer Standpauken zurückzuwünschen. Ich glaube für mich selber nicht, meine Muttersprache vollumfänglich zu beherrschen, bin aber ehrlich entsetzt ob der Oberflächlichkeit und des Mangels an Sorgfalt, mit der ein großer Teil des gegenwärtigen Beitragsspektrums veröffentlicht wird. Indem ich meinen Beitrag nochmal kurz überfliege und die gröbsten Schnitzer korrigiere, zeige ich ein gewisses Maß an grundlegendem Respekt für die Rezipienten meiner Botschaft. Wer unsicher ist (was nicht schlimm wäre), kann heutzutage die Rechtschreibkorrektur nutzen. In meinem Bekanntenkreis ist ein Herr, der ungeachtet schwerer Legasthenie als Justitiar einer wirkmächtigen Behörde verantwortungsvoll arbeitet. Viele Rechtschreibfehler hier im Forum lassen aus dem Kontext und ihrer spezifischen Qualität erkennen, dass ihre Verfasser KEINE Lese-Rechtschreibschwäche haben. Einige Teilnehmer schreiben so sorglos daher, als handle es sich statt technischer Themen um einen Einkaufszettel. Auch nicht der Stress oder der Zeitmangel lassen den modernen Menschen flüchtig schreiben, sondern die schiere Gleichgültigkeit gegenüber der Schriftsprache als Medium unserer Alltagskultur. Das ungute Gefühl, nichts gegen die allgemeine Verflachung tun zu können, führt zu einer Selbstverstärkung des „Brain Drain“. Wenn der geachtete Forent X verschwindet, sagt sich Forent Y, da könne er selbst auch gleich mit gehen. Ich glaube an ein individuelles Recht auf Resignation, das von der Allgemeinheit respektiert werden sollte.
Für mich besteht das schlimmste Szenario darin, dass eines nicht allzu fernen Tages Holger Merlitz neben einem anspruchsvollen Beruf und der Familie nicht mehr die Energie aufbringen mag, die bizarren sozialen Interaktionen in diesem Forum als Stimme der Vernunft auszugleichen. Man könnte es ihm nicht verdenken. Ich kann dann vielleicht immer noch mit Holger im Grünen Ferngläser vergleichen, das Forum jedoch wird dann ganz nach Sichtweise wunderbar egalitär /antielitär oder aber klinisch tot sein.
Glück Auf
Reinhard