Die Bildhelligkeit hängt 1. von der Transmission und 2. von der Austrittspupillengröße ab. Bei beiden Zeiss-Spektiven 85 mm und 65 mm dürfte die Transmission nahezu identisch sein (beim größeren 85-mm-Modell ist die Summe der Glaswege aller Linsen und des Prismas sicher geringfügig größer, was die Absorption minimal erhöht, aber nur um einen Betrag deutlich unter 1%, ich schätze vielleicht etwa 0,2%, was vernachlässigbar wenig ist). Also können wir beim Vergleich ausschließlich die Größe der Austrittspupille als Bezugsgröße heranziehen.
Wenn Sie in beiden Spektiven die gleiche Vergrößerung eingestellt haben, was hier nur mit dem Zoomokular in jeweils anderer Einstellung möglich ist, dann verhalten sich die Austrittspupillen genauso wie die Eintrittspupillen = Objektivöffungen, also wie 85 : 65 = ca. 1,3. Da sich die Helligkeiten aber proportional zu den Flächen und nicht zu den Radien oder Durchmessern verhalten, ist das Helligkeitsverhältnis 1,3ˆ2 = ca. 1,71. Dies gilt jedoch nur, wenn die Augenpupille größer oder gleich der größeren der beiden Austrittspupillen ist. Andernfalls wird das Lichtbündel nicht durch die Austrittspupillen, sondern durch die Öffnung der Iris der Augen begrenzt. Wenn Sie beispielsweise bei beiden Spektiven 20fache Vergrößerung wählen, sind die Austrittspupillen 4,25 mm (beim 85er) und 3,25 mm (beim 65er) groß. Wenn bei Tageslicht Ihre Augenpupille nur z.B. 2,2 mm Durchmesser hat, sehen Sie in beiden Spektiven gleich helle Bilder. Erst wenn sich aufgrund der Dämmerung bei einer Leuchtdichte unter etwa 30 cd/mˆ2 Ihre Pupille auf über 3,25 mm weitet, beginnen Sie im größeren Spektiv eine etwas größere Helligkeit wahrzunehmen, und den vollen Gewinn der größeren Öffnung haben Sie, sobald die Dämmerungs-Leuchtdichte auf ca. 10 cd/mˆ2 oder weniger abgesunken ist und sich Ihre Augenpupillen auf über 4,25 mm geweitet haben. Dann erst wird der Gewinn von 71% mehr Bildhelligkeit sichtbar.
Das Flächenverhältnis 1,71 (oder 71% mehr Licht beim 85-mm-Spektiv) sieht aber spektakulärer aus, als es ist, denn das Helligkeitsempfinden verläuft nicht linear, sondern logarithmisch, und darum ist die 1,71fache Helligkeit nicht sehr viel, sondern nur ein bißchen heller. Damit Sie sich das besser vorstellen können, denken Sie sich oder machen Sie diesen Versuch: Wenn Sie ein an einer Wand hängendes Landschaftsbild in einem sonst dunklen Raum mit einer Glühlampe oder Kerze aus 1,3 m Entfernung beleuchten und dann mit der Lampe bzw. Kerze bis auf 1 m ans Bild heran gehen, haben Sie exakt diesen Helligkeitszuwachs um 71% wie bei Wechsel vom kleinen zum großen Zeiss.
Wennn Sie nun aber bei beiden Spektiven die Okulareinstellung gleich lassen, also beim kleinen Spektiv 15fache und beim großen 20fache Vergrößerung haben, bekommen Sie beim kleinen Spektiv eine Austrittspupille von 65 mm : 15 = ca. 4,33 mm und beim großen von 85 mm : 20 = 4,25 mm und somit praktisch identische Bildhelligkeit (der winzige Unterschied ist meßbar, aber mit Sicherheit nicht sichtbar). Allerdings haben Sie dann beim größeren Spektiv wegen der stärkeren Vergrößerung eine bessere Detailerkennbarkeit. Da Sie in Ihrem Text zwar von Helligkeit, im Titel aber „Dämmerungsleistung” schreiben, muß ich noch auf diesen kleinen Unterschied hinweisen: Die sog. „Dämmerungszahl”, von manchen Herstellern auch als „Dämmerungsleistung” bezeichnet (was aber strenggenommen falsch ist, weil letzterer ein allgemeiner und nicht exakt definierter Begriff ist), ist als Wurzel aus dem Produkt von Vergrößerung und Öffnungsdurchmesser definiert. Somit hätten Sie in Ihrem Beispiel mit 15- bzw. 20facher Vergrößerung beim kleinen Spektiv eine Dämmerungszahl von sqr(15 · 65) = ca. 31,22 und beim größeren sqr(20 · 85) = ca. 41,23. Diese beiden Zahlenwerte drücken in der Dämmerung, also wenn Ihre Augenpupille mindestens 4,25 mm groß ist, den Unterschied in der Detailerkennbarkeit näherungsweise aus.
Fazit: Solange Sie bei Tageslicht beobachten und Ihre Augenpupille kleiner ist als die kleinere der beiden Austrittspupillen (das wird aber nur bis knapp über 30fach beim kleinen und knapp über 40fach beim großen Spektiv der Fall sein, weil bei höherer Vergrößerung die Austrittspupille unter 2 mm schrumpft), sehen Sie in beiden Spektiven auch bei identischer Vergrößerung ein gleich helles Bild. Wer nur oder fast nur tags bis ca. 30- bzw. 40fach beobachtet, kann also bedenkenlos zum kleineren und leichteren Modell greifen, das viel bequemer mitzuführen ist. Erst wenn Sie auch höchste Vergrößerung nutzen oder auch in der Dämmerung oft und viel sehen wollen, lohnt sich das größere Modell samt den damit verbundenen Unbequemlichkeiten.
Walter E. Schön