Den Zusammenhang verstehe ich erst jetzt in seinen Details: Problematisch ist stets der violette Anteil des Lichts, und zwar aus mehreren Gruenden:
1) Das kurzwellige Licht wird bekanntlich staerker gestreut (Rayleigh Streuung), wobei Violett 16x staerker gestreut wird als Rot. Daher hat man auf weiten Distanzen oft mit einem blaeulichen Schleier zu kaempfen, der die Sicht vernebelt.
2) Dasselbe geschieht aber auch im Augapfel, der ja (im wesentlichen) mit Wasser gefuellt ist. Violett erzeugt ein ordentliches Streulicht in dieser Wasserkugel.
3) Chromatische Aberration: Die wird vom Auge zwar teilweise, aber nicht vollstaendig korrigiert. Insbesodere ist auch das Wasser im Augapfel dispersiv. Auch hier trifft es das violette Licht am staerksten, es wird vor der Netzhaut gebuendelt, man ist im Violetten also kurzsichtig, weil das Auge unwillkuerlich auf den gruenen Bereich fokussiert.
Insgesamt traegt der violette Anteil daher zu einer Kontrastminderung des Bildes bei. Gleichzeitig macht dieser Anteil nur wenige % des wahrgenommenen Lichts aus, so dass man zusammenfassen kann: Der Violettanteil verursacht mehr Probleme, als er loest, und sollte daher zur Verbesserung des Kontrasts weggenommen werden.
Der vielfach verpoente 'Gelbstich' einiger Fernglaeser ist eine Konsequenz dieser Filterung: Dachkanten mit Silberverspiegelung schneiden einen Teil des Violetten ab. Dabei steigt aber der Kontrast des Bildes.
Die sogenannten 'Gelbbrillen' fuer Autofahrer, oder die 'Gelbfilter' bei Militaerfernglaesern, sind keineswegs Gelb-, sondern Kantenfilter, die das Violett beschneiden und daher den Eindruck von Gelb (der Komplementaerfarbe) erzeugen.
Nun gibt es aber noch die Ornithologen. Die haetten gern eine absolute Farbtreue, inklusive Violett, zur Vogelbestimmung. Wird das beruecksichtigt, sinkt automatisch der Kontrast des Bildes (wegen der Punkte 1-3, siehe oben). Man kann also sagen, dass die Anforderungen in der Ornithologie (Farbtreue) im gewissen Sinne komplementaer zu den Anforderungen in diversen anderen Anwendungsbereichen (max. Kontrast) des Fernglases stehen.
Dieser Widerspruch laesst sich zum Glueck aufheben: Jedes Fernglas, das auf optimale Farbtreue ausgelegt ist (und damit auch den violetten Anteil vollstaendig erfasst) sollte mit einem optionalen Kantenfilter ausgestattet werden, der diesen violetten Anteil bei Bedarf beschneidet. Umgekehrt koennen diejeniger Anwender, die nicht in der Ornithologie aktiv sind, auf teure dielektrische Verspiegelungen ihrer Prismen verzichten, denn die preisguenstigen Silberverspiegelungen dienen gleichzeitig der Kontraststeigerung des Bildes.
Viele Gruesse,
Holger Merlitz