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Ich glaube nicht, dass Farbtreue nur für kontrastverachtende Ornithologen wichtig sein soll

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30. Mai 2011 16:08
Dass Kontrast und Farbtreue deutliche Gegensätze sein sollen und man für optimalen Kontrast deshalb oft ein steilflankiges Blaufilter bräuchte, davon bin ich nicht überzeugt. Ich halte das für eine übertriebene Zuspitzung einer nur tendenziell und unter besonderen Umständen richtigen Beobachtung. Ich glaube dass Kontrast weit stärker von der Beobachtungssituation und von der Falschlichtunterdrückung in den Ferngläsern abhängt, als in seltenen Einzelfällen von der spektralen Balance.

Schon empirisch spricht einiges gegen Deine m.E. zu sehr zugespitzte These. Swarovski z.B. stimmt das Transmissionsprofil genau wie von Dir gefordert ab, der Blauanteil wird unter den Premiumherstellern am steilsten abgeschnitten. Dennoch wird gerade den alten EL immer wieder ein Hauch weniger Kontrast nachgesagt. (Zumindest in unseren Breiten. Wie es im Gebirge aussieht, würde mich mal interessieren, vielleicht hat jemand dort den direkten Vergleich und kann berichten?) Auch die blauschluckende Nikon-Silberverspiegelung führt nicht zur Kontrastverstärkung sondern, wie Kritiker schon gesagt hat, umgekehrt zu einem sichtbar geringeren Kontrast, das kann ich eindeutig bestätigen, und zwar für mein Empfinden auch bei der Fernbeobachtung. Im direkten Vergleich ist ein Victory aber nicht nur am Horizont kontraststärker, auch im näheren Bereich ist das so. Umgekehrt zeigen die Gläser, denen immer ein hoher Kontrast zugesprochen wird - Leica, Zeiss - gerade im Blauen eine vergleichsweise hohe Transmission.

Gelbfilter sind ein alter Hut und können bekanntlich für die Fernbeobachtung oder bei Dunst sinnvoll sein um die höhere Rayleigh-Streuung auszufiltern. Aber ein permanenter Gelbstich wäre für mich und die meisten Beobachter nicht akzeptabel, sonst hätte sich das Ganze auch längst weiter verbreitet und wäre nicht auf Fernerkundung oder militärische Zwecke beschränkt geblieben. Polarisationsfilter könnnen den Kontrast in der Ferne ebenfalls verbessern, und zwar ohne die Farbbalance so deutlich zu verschieben, sie wären für meine Begriffe die bessere Option - optimales helles Licht vorausgesetzt, sonst ist der Transmissionverlust zu hoch.

Was die von Dir beschriebenen "intraokularen" Probleme mit dem Blau angeht, scheint die Evolution verschiedenes ausprobiert zu haben. Die einfachste Möglichkeit, spezielle Rezeptoren für Blau gleich ganz wegzulassen scheint nicht optimal: Genetische Stammbäume der Säugetierentwicklung zeigen, dass genau das zwar immer wieder passiert ist, Blaurezeptoren sind eine vergleichsweise jüngere Erfindung, die vorübergehend auch mal wieder aus dem Repertoire genommen wurde, und beim Menschen erst später wieder dazugekommen. Also wird insgesamt ihr Vorteil für die Wahrnehmung deutlich überwiegen. Und Vögel hätten erst recht nicht sogar einen weiteren ganz speziellen UV-Rezeptor entwickelt (s.u.). Der zweite Punkt betrifft die Verteilung der Rezeptoren. Beim Menschen sind die blauempfindlichen Zapfen nicht nur zahlenmäßig weniger, sie sind im zentralen Bereich der Retina, an der Stelle der schärfsten Wahrnehmung überhaupt nicht vorhanden, sie liegen nur in der Peripherie, und dort noch dazu in größerem Abstand zueinander, siehe z.B. Abb. 3 hier:

www.allpsych.uni-giessen.de/karl/teach/farbe.html

Dass wir dennoch Blau scharf sehen können muß damit zu tun haben, dass unsere Farbempfindungen von ganz verschiedenen spektralen Reizen hervorgerufen werden können. Aus einer Farbempfindung kann man NICHT umgekehrt auf den oder die eingegangenen spektralen Farbreize schliessen. Im Klartext: um ein schönes Blau zu sehen, muss nicht zwangsläufig viel oder nur blaues Licht beteiligt sein, es könnte sogar im Extremfall überhaupt kein blaues Licht dabei sein. Ich könnte dazu weiter ins Blaue spekulieren, dass das Signal der Blauzapfen in Abhängigkeit der Sakkaden zeitlich verschieden gewichtet würde. Die bessere Position der blauen Zapfen gegenüber einem zentralen Objekt in verschwenktem Zustand könnte mehr zählen, das dabei abgeleitete Signal stärker für die Konstruktion von Blau im zentralen Bereich heranzogen werden, als im unverschwenkten Zustand. Die beim direkten Blick im zentralen Bereich der Retina mit roten und grünen Zapfen scharf wahrgenommen Konturen würden dann mit der für kurze Zeit retinal verschwenkt aufgezeichneten Helligkeitsverteilung im Blaukanal abgeglichen, und das Blau dementsprechend in die in den Rot Grün Kanälen viel schärfer wahrgenommenen Konturen flächendeckend hineinkonstuiert. Ich weiß nicht, ob Hypothesen in dieser Richtung schon mal experimentell angegangen wurden. (Untersuchung schneller Farbwechsel? Verblassen Nachbilder je nach Zapfentyp verschieden schnell? Farbtests mit Bildern, die über Kontaktlinsenspiegel projiziert werden um die Sakkaden zu umgehen, usw.) Vielleicht experimentiert auch Kritiker längst nicht nur mit gefiltertem Dauerlicht, sondern mit spektral- und frequenzverändertem Stroboskoplicht in verschiedenen Kombinationen... Wenn nicht, sollte die Konkurrenz vielleicht prophylaktisch oder prohibitiv Schutzrechte anmelden :-)

Bei Vögeln ist das alles ganz anders, ihr Farbsehvermögen übertrifft das des Menschen bei weitem. Sie haben nicht nur fünf Farbrezeptoren, darunter einen speziell für ultraviolett. (Was bestimmt nicht so wäre, wenn die damit verbunden intraokularen Probleme den Kontrast prinzipiell so stark beieinträchtigen würden, wie Du annimmst: z.B. können Greifvögel auch aus großen Höhen die ultraviolett reflektierenden feinen Urinspuren von Mäusen erkennen - wozu eine hohe Auflösung nötig ist - und so die Maus oder ihr Loch finden.) Jeder Rezeptor ist zudem mit einem spektral auf den Farbtyp abgestimmten Öltropfenfilter ausgestattet. Vielleicht kann auch deshalb die Verteilung der Rezeptoren bei Vögeln perfekt gleichmäßig ausfallen, keine zwei gleich empfindlichen Zapfen sind direkt benachbart, und alle Typen kommen gleich häufig vor, was beides optimale Farbdifferenzierung gewährleistet. Hühner scheinen also gar nicht so blind beim Finden der Körner...:

www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0008992

Das retinale Farbsehsystem des Menschen ist demgegenüber evolutiv hintendran, und ich glaube nicht, dass wir ihm mit Filtern groß auf die Sprünge helfen können und das Ausfiltern von Blau häufig höheren Kontrast bedeutete. Und erst recht nicht, dass in erster Linie die Ornithologen auf kontrastverminderndes Blau scharf sind, während die anderen für mehr Schärfe besser darauf verzichten sollten. Ich glaube, dass man nur unter sehr speziellen Beobachtungsbedingungen die Farbbalance aufgeben könnte zugunsten des Kontrasts, im Gegenlicht vielleicht, oder wenn es um horizontnahe Konturen geht. Aber dafür Ferngläser von vornherein mit Kantenfiltern in eine bestimmte Richtung abzustimmen, scheint mir für die allermeisten Anwender kein guter Weg. Und ich erlaube mir deshalb zum Schluß noch frech zu spekulieren, wie Du auf Deine für meinen Geschmack etwas zu steile These vom Gegensatz gekommen bist: Du magst Militärgläser, Du magst ein leicht gelbliches oder bräunliches Mittelklasse-Bild wie in Deinem Meopta, Du magst am liebsten in die Ferne bis zum Horizont beobachten, und auf der Suche danach, alle diese persönlichen Vorlieben zu objektivieren und Luxusbirdern eine auszuwischen.... ;-)


PS.: Hast Du irgendwann mal Dein Farbwahrnehmungsvermögen getestet? Was macht der große 32er Vergleich, erscheint er noch vor Deinem Reisemonat ?

Gruß



5-mal bearbeitet. Zuletzt am 30.05.11 16:59.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Der Gegensatz: Farbtreue und maximaler Kontrast

Holger Merlitz 1761 28. Mai 2011 04:03

Re: Der Gegensatz: Farbtreue und maximaler Kontrast

matthias 1047 28. Mai 2011 12:23

Mit Filter (zumindest am Tage) im Vorteil

Holger Merlitz 1071 28. Mai 2011 13:05

Re: Mit Filter (zumindest am Tage) im Vorteil

Hans Kraff 958 28. Mai 2011 13:26

Re: Mit Filter (zumindest am Tage) im Vorteil

OhWeh 854 30. Mai 2011 09:15

Farb-und Kontrastwahrnehmung im menschlichen Auge

stefan_r 3795 28. Mai 2011 14:22

Re: Der Gegensatz: Farbtreue und maximaler Kontrast

Joachim Schmolke 956 28. Mai 2011 18:32

Bei grosser Austrittspupille

Holger Merlitz 1289 29. Mai 2011 02:54

Re: Bei grosser Austrittspupille

nikolaus fuchs 1016 01. November 2011 14:20

Es kommt auf die Entfernung an

Kritiker 1011 29. Mai 2011 19:35

Das gilt fuer Punkt 1)

Holger Merlitz 938 30. Mai 2011 03:42

Re: Der Gegensatz: Farbtreue und maximaler Kontrast

Bernd Sommerfeld 916 30. Mai 2011 07:32

Filter vor das Objektiv

Holger Merlitz 909 30. Mai 2011 09:22

Ich glaube nicht, dass Farbtreue nur für kontrastverachtende Ornithologen wichtig sein soll

konfokal 1828 30. Mai 2011 16:08

Ein paar unsortierte Gedanken, z.T. evt. off-topic

Hans 1082 30. Mai 2011 21:02

Re: Ein paar unsortierte Gedanken, z.T. evt. off-topic

OhWeh 907 31. Mai 2011 08:53

Vieles stimmt ja ...

Holger Merlitz 1002 31. Mai 2011 03:24

Re: Vieles stimmt ja ...

sep 844 31. Mai 2011 16:30



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