Zu Punkt 1:
Wenn Sie diese Prüfung durchgeführt haben, kann eine eventuelle Abweichung von der korrekten Achsenparallelität (für deren exakte Prüfung man ein spezielles Instrument braucht) nicht so groß sein, daß sie die „Anspannung“ hervorruft. Legen wir diese mögliche Ursache also ad acta.
Zu Punkt 2:
Was Sie schreiben, ist korrekt und genau der Grund, weshalb ich geschrieben hatte, daß Weitsichtige beim starken Konvergieren der Augenachsen (mangels Übung) mehr bzw. schon bei kleineren Konvergenzwinkeln Probleme haben als Kurzsichtige. Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) ist zwar etwas anderes als „normale“ Weitsichtigkeit (Hyperopie), weil die Ursachen verschieden sind (verminderte Akkommodationsbreite, wie Sie richtig schrieben, im Gegensatz zu einem zu kurzen Abstand der Netzhaut zur Hornhaut und Linse, also einem zu kurzen Augapfel), aber beide wirken sich hier gleich aus. Zzwischen Vergenz und Akkommodation besteht in der Tat eine Kopplung, aber sie ist nicht ganz starr und läßt sich – zumindest mit einiger Übung – sogar willentlich ausschalten (z.B. zum Betrachten von 3D-Bildern ohne Stereoskop), doch das kostet durchaus Anstrengung.
Zu Punkt 3:
Der Abstand Auge zu Okular, also die Anpassung der Augenlage an den Austrittpupillen-Längsabstand, ist zwar auch wichtig, kann aber nicht die Ursache der von Ihnen empfundenen Anstrengung sein. Bei Fehlanpassung könnten Sie lediglich nicht das gesamte Sehfeld überblicken oder hätten häufig übers Bild huschende dunkle Flecken (sog. Kidneybeaning).
Die Dioptrienkorrektur haben Sie offensichtlich schon beachtet, aber Sie sollten doch noch den in meinem letzten Beitrag empfohlenen Test mit normal und verkehrt herum (Oberseite nach unten) gehaltenem Fernglas mit mehreren Versuchen und Mittelwertbildung machen, um Klarheit über eine eventuelle Fehljustage zu bekommen.
Ihr am Schluß angefügter Hinweis auf ähnliche Probleme in frühen Jahren bei Erhalt der ersten Brille zur Astigmatismuskorrektur bringt mich auf eine weitere Möglichkeit:
Sie haben offensichtlich noch immer einen gewissen Astigmatismus (das ist eine Fehlsichtigkeit, die sich nicht „auswächst“, also mit dem Alter zurückgeht). Es könnte sein, daß Sie (inzwischen) zuseätzlich auch noch eine leichte Kurz- oder Weitsichtigkeit haben, die Ihnen noch gar nicht bewußt geworden ist. Im Falle einer solchen Fehlsichtigkeit und auch schon allein aufgrund der Altersweitsichtigkeit, die Sie ebenfalls erwähnen (Sie sind also wohl schon über ca. 45 Jahre alt) sehen Sie, falls Sie keine korrekt angepaßte Brille tragen, nie oder zumindest mit Ausnahme des echten Fernbereichs nie perfekt scharf. Diese leichte Unschärfe kann Ihren Astigmatismus so überlagern, daß er Ihnen nicht mehr stark auffällt und sich Ihr Auge mit seinem Akkommodations-Regelsystem darauf eingestellt hat, daß nach optimaler Akkomodation nur ein mäßig scharfes Bild auf der Netzhaut entsteht.
Wenn Sie nun durch ein Fernglas schauen, so fokussieren Sie zusätzlich von Hand mit dem optischen System des Fernglases, und das führt dazu, daß Sie wieder ein perfekt scharfes Netzhautbild bekommen (das Fernglas korrigiert also eine Kurz- oder Weitsichtigkeit), aber wegen des Astigmatismus nicht für alle Strukturorientierungen, sondern je nach vorgenommener Fernglasfokussierung für die Achsenrichtung des Aastigmatismus oder die dazu rechtwinklige Richtung. Für das astigmatische Auge gibt es also stets zwei optimale Fukussierpositionen: In der einen sind z.B. senkrechte Strukturen optimal scharf und waagerechte leicht unscharf, in der anderen umgekehrt. Das Auge möchte aber natürlich gern beide scharf haben, und so kommt es zum Konflikt, der aber nicht durch Änderung der Akkommodation lösbar ist. Da ich kein Augenarzt bin, kann ich nicht beurteilen, ob ein solcher Konflikt die Empfindung einer Anstrengung auslösen kann. Denkbar wäre es nach allem, was ich über die Physiologie des Sehens weiß.
Natürlich gilt das alles sowohl für das Leica Ultravid als auch das Zeiss Victory FL. Es erklärt also leider noch nicht, warum Sie die Anstrengung nur (oder stärker) beim Zeiss Victory FL empfinden. Möglicherweise kommen eine unzureichende Dioptrienkorrektur beim Zeiss und diese zuletzt dargestellten Astigmatismusprobleme zusammen und verstärken das Problem beim Zeiss.
Walter E. Schön