Sehr geehrter Herr van den Berg,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre so schnell mitgeteilten Eindrücke.
Mich überrascht das Ergebnis nicht so sehr. Einerseits waren das Wetter gut und die Möglichkeit des Ausprobierens wegen der Befestigung des Glases etwas eingeschränkt. Andererseits glaube ich den Optik-Experten (das sind die, die im Gegensatz zu mir auch technisch Ahnung haben) in diesem Forum, dass bei der Güte der heutigen besten Ferngläser jede nochmalige sichtbare Verbesserung der Abbildungsleistung einen sehr hohen technischen Aufwand erfordert. Insofern überrascht mich auch nicht so sehr, dass Sie zumindest unter den gegebenen Bedingungen keinen wesentlichen Unterschied zu Ihrem Trinovid BN gesehen haben.
Aus der Sicht eines Feldornithologen mit nunmehr 40jähriger Beobachtungspraxis habe ich mir vor einiger Zeit meine und einige geliehene Ferngläser der Spitzenklasse ohne Bildstabilisierung einmal vorgenommen. Ich habe sie -natürlich richtig eingestellt- auf eine feste Unterlage gelegt und dann geprüft, welche weit entfernten Details ich noch erkennen konnte (im Grunde etwa wie beim Sehtest des Augenoptikers).
Folgende Ferngläser habe ich verwendet:
Swarovski 8,5x42 EL ältestes Baujahr mit umgebauter Fokussierung; Leica 10x42 Ultravid BR, Swarovski SLC 10x50 (Bj. 1997/98), Nikon 10x42 HG, Nikon 10x42 SE (Porro), Zeiss 10x56 Design Selection etwa von 1993, Leica Duovid 8/12x42 (letzteres nur bei 12 fach), Zeiss 7x45 Design Selection aus den 1990er Jahren, Zeiss Victory 10x42 FL mit LotuTec.
Mein Fazit: Das 7fache Glas löst unter diesen Bedingungen ab einer bestimmten Entfernung nicht mehr scharf genug auf (genauer müsste ich wohl sagen, es tut es wohl, aber ich kann es dann nicht mehr lesen und muss einige Buchstaben raten), alle anderen Gläser leisten in dieser Hinsicht das Gleiche! Die älteren Ferngläser mit dem schweren optischen Glas werden also in diesem Punkt nicht von ihren leichten modernen Nachfolgern übertroffen. Am größten bildete natürlich das Duovid ab, das Gehirn liest natürlich unter solchen Bedingungen am leichtesten.
Leider halten Vögel ja nicht still, gerne hätte ich von unten kreisende Greifvögel vor weißen Wolken und eher gegen die Sonne vergleichend beobachtet (in dieser Hinsicht hat mich z.B. neulich das Zeiss 10x42 Fl bei einem unter solchen Bedingungen kreisenden adulten Wanderfalken sehr beeindruckt, leider ohne weitere Vergleichsmöglichkeit und zum Glück noch nicht so wie der Wanderfalke selbst).
Die größten Unterschiede ergeben sich aber in der Fokussierung, und der Feldornithologe sollte meines Erachtens, wenn er ein Fernglas in dieser Güteklasse kauft, neben Gewicht und Tragekomfort vor allem darauf achten, dass er stets und zuverlässig das potentiell mögliche erstklassige Bild auch einstellen kann. Für meine Hände hat z.B. leider das erstklassig auflösende Nikon 10x42 SE da die größten Nachteile, die Design Selection haben einen etwas schwer gängigen und wenig griffigen Fokussierknopf, die anderen Modelle sind zumindest bei weiten und mittleren Entfernungen gleichwertig. Sehr schnell und butterweich arbeitet die Ferneinstellung des Nikon 10x42 HG, mir gefällt das, andere finden sie zu schnell, aber für Feldornithologen ist Schnelligkeit der Fokussierung ein entscheidender Vorteil, wenn sie dazu führt, dass das Objekt wirklich stabil scharf eingestellt bleibt und nicht dauernd nachgestellt werden muss. Die Randschärfe, die Transmissionsunterschiede, auch die Verzeichnungsfehler spielen m.E. bei diesen Gläsern in der feldornithologischen Praxis keine Rolle. Mit jedem der von mir erwähnten Modelle wird man potentiell jedes feldornithologisch wichtige Erkennungsmerkmal erkennen können, und es gibt bestimmt noch weitere Typen, die genauso gut abbilden. Es braucht also aus meiner Sicht z.B. niemand, der ein Swarovski 8,5x hat, zwingend ein 10faches Glas.
Astronomisch interessierte Anwender sollten meine Ausführungen bitte schnell vergessen und die Kriterien prüfen, die ihnen wichtig sind. Auch sonst bitte wieder beachten: Alle Wertungen sind subjektiv, und ich sehe nach Meinung der Augenärzte überdurchschnittlich gut.
Nochmals besten Dank an Herrn van den Berg und mit freundlichen Grüßen
MP
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.08.07 09:55.