Ohne Verkaufszahlen oder Marktanteile der alten 12x56-Modelle von Zeiss zu kennen, erscheint es mir doch plausibel, Leica mit dem tollen 12x50 HD und vielleicht auch Swarovski mit dem 15x56 SLC das Geschäft nicht allein machen zu lassen. Zumal sich doch der Entwicklungs- und Fertigungseinführungsaufwand auf der Grundlage der bisherigen Victory 8x56 FL und 10x56 FL Komponenten in Grenzen halten sollte, oder gilt das nicht für ein 12fach in der 56er Familie?
Für Freunde höherer Vergrößerungen gibt es ja eigentlich neben dem 12x50 HD, dem SLC 15x56 und dem Docter 15x60 kein handliches Qualitätsfernglas mit Mitteltrieb bei den aktuellen Modellen der renommierten Hersteller mehr.
Bei Gewicht, Abmessungen und Handlichkeit wäre das superleichte Leica 12x50 HD wohl nicht zu schlagen, aber das gilt ja auch für die beiden anderen Vertreter aus Leicas 50er Familie im Vergleich mit 10x56 FL und 8x56 FL, die allerdings trotz ihres vergleichsweise hohen Gewichts und großer Abmessungen aufgrund ihrer herausragenden optischen Qualität(und vielleicht auch aufgrund ihrer etwas größeren Öffnung?) sehr erfolgreich sind.
Es bleibt hoffentlich spannend! Aber um zu beurteilen, ob es denn die Wurst auch wirklich gibt, die Zeiss sich nicht vom Brot ziehen lassen sollte, frage ich die Forumsteilnehmer:
Wer benötigt oder besitzt ein Fernglas für Vergrößerungen größer 10 und kleiner 20? Was beobachtet er damit?
Ich fange einmal an:
Das Leica 12x50 HD eignet sich hervorragend für die Natur- und gerade für die Vogelbeobachtung auf mittlere Distanzen, z.B. für Zug-, Greifvogel- und für die Kranichbeobachtung. Ich kann es bei der Beobachtung bewegter Objekte noch gut freihändig und bei stationärer Beobachtung noch kurz freihändig einsetzen, auf den Knien oder sonst irgendwo Abstützen geht ganz gut, am besten sind die Ergebnisse jedoch auf einem Einbeinstativ. Die Optik des 12x50 HD ist eine Wucht. Die Farben erscheinen mir mit meiner Rot-Grün-Schwäche als sehr schön. Der Kontrast ist für ein Glas mit 12facher Vergrößerung sehr gut. Das riesige Sehfeld von 100 m auf 1000 m ist eigentlich randscharf. Eigentlich, weil ich die deutliche Bildfeldwölbung nicht mehr akkommodieren und damit leider kein randscharfes Bild bei einer bestimmten Fokusslage sehen kann. Das Leica ist schön leicht und recht klein, ich kann es eigentlich problemlos überall mit hinnehmen.
Das Zeiss 15x60 setze ich fast ausschließlich für astronomische Beobachtungen ein. Dabei ist es m.E. optisch auch heute noch unschlagbar für ein Fernglas dieser Größe. Scharfes, brillantes und dabei ziemlich randscharfes(!) Bild mit gigantischem subjektiven Sehfeld. Allerdings geht am Sternenhimmel ohne Einbein bei mir nichts mehr. Das Glas ist auch schön für die Naturbeobachtung einsetzbar, es wiegt jedoch fast 60 Prozent mehr als das Leica und ich brauche ein Stativ. Noch dazu ist das Zeiss recht groß, nicht so handlich und nicht wasserdicht. Deshalb muß es bei mobilen oder raueren Beobachtungseinsätzen fast immer daheim bleiben.
Das Canon 12x36 IS II steht irgendwie sehr gut zwischen den beiden. Man benötigt eben kein Stativ! Die Detailerkennbarkeit ist deutlich höher als beim Leica freihändig, da die Stabilisierung sehr gut funktioniert. Das ist immer wieder beeindruckend. Dazu ist das Canon recht leicht und klein. Es kann überall mit hingenommen werden. Optisch gibt es nichts zu meckern. Ganz erstaunlich, was Canon da auf die Linsen stellt, ist für den Preis auch ohne Stabilisierung schon beachtlich! Die größere Naheinstellgrenze, das kleinere Sehfeld und die weniger robuste Ausführung sind natürlich handfeste Nachteile im Vergleich zum Leica, auch am Tage. Am Sternhimmel macht das Stabi-Glas ebenfalls sehr viel Spaß, weil man einfach mit 12facher Vergrößerung und absolut ruhigem Bild durch die Milchstrasse schweifen kann. Allerdings fehlt hier Öffnung und wohl auch etwas Transmission, vielleicht auch ein bißchen Sehfeld beim Canon, um eine ernsthafte Gefahr für den Astroklassiker von Zeiss darzustellen. Auf ihren Spezialgebieten kann das kleine Canon die Spezialisten von Leica und Zeiss nicht schlagen, aber es ist im Vergleich mit ihnen eben universeller und einfacher einsetzbar. Das kann vor allem bei vielen Tagbeobachtungseinsätzen für uns Zivilisten die entscheidende Rolle spielen.
Bei mir hätte es ein Victory 12x56 FL also nicht leicht. Das 15x60 ist im Bezug auf die optische Qualität, gerade bei der Randschärfe gemeinsam mit dem gigantischen subjektiven Sehwinkel von fast 69 Grad kaum zu schlagen. Aber diesen Vergleich müßte ein 12x56 FL heute auch nicht mehr bestehen, denn es gibt ja nur noch das 15x56 SLC und das Docter 15x60 in dieser Vergrößerungsklasse. Gut ein 12er FL wäre auf jeden Fall leichter, handlicher, vielleicht robuster, aber vor allem wasserdicht im Vergleich zum Docter. Im Vergleich zum 15x56 SLC wäre ein 12x56 FL aber mit Sicherheit heller, kontrastreicher und besser farbfehlerkorrigiert und könnte darüber hinaus etwas bei Gewicht und Abmaßen gewinnen. Aber so leicht und so handlich wie ein 12x50 HD wird ein 12x56 FL wohl kaum werden, das noch dazu mit 100 m auf 1000 m ein beeindruckendes Sehfeld und mit über 68 Grad einen ebenfalls unglaublich großen subjektiven Sehwinkel besitzt. Was ginge da noch beim 12x56 FL? Transmission, Auflösung, Farbfehlerkorrektur, ...?
Also, wie sieht's bei Ihnen aus? Was wäre es in Ihren Augen, in Ihrer Beobachtungspraxis, was ein 12x56 FL auszeichnen sollte, es attraktiv machen würde?
Interessierte Grüße
Jan Münzer