Es ist höchst bedauerlich, dass immer wieder mit dem Argument, es käme doch nur (oder zumindest hauptsächlich) auf den Inhalt an, Unwissenheit, Ignoranz oder Schlampigkeit in Sachen Rechtschreibung verniedlicht wird. Das hat vor Jahrzehnten in den Schulen begonnen und dient mittlerweile sogar schon promovierten Akadamikern zur Bagatellisierung ihrer Fehler. Heute wird nicht der abgestraft, der aus einem der obengenannten Gründe das Kulturgut Sprache misshandelt, sondern derjenige, der auf Fehler aufmerksam macht. Überspitzt gesagt, aber zur Verdeutlichung sei es erlaubt: Störenfried ist nicht der Dieb, sondern derjenige, der ihn fängt. Verkehrte Welt!
Nun wissen wir aus anderen Internetforen noch viel besser als aus diesem, dass die Mehrzahl der Deutschen erhebliche Wissenslücken in der Rechtschreibung hat und davon auch sonst gut gebildete und angesehene Posten bekleidende Personen nicht ausgenommen sind. Dummheit färbt und stumpft eben ab. Um nochmals ein Beispiel aus einem anderen Bereich heranzuziehen: Wo schon etwas Unrat liegt, haben viele Menschen keine Hemmung mehr, auch ihren Abfall abzuladen. Wenn schon prominente Moderatoren in Rundfunk und Fernsehen "abgewunken" statt "abgewinkt" sagen, kein Genitiv-S mehr kennen, Genitiv und Dativ verwechseln, Sätze auch ohne Verbum (Prädikat) für vollständig halten usw., was braucht sich dann Herr Jedermann noch um eine saubere Sprache zu kümmern? Tritt dann einer mit erhobenem Zeigefinger ermahnend auf, rotten sich die von der Kritik Betroffenen wie von Geisterhand gleichzeitig dazu veranlasst zusammen und fallen über den Störenfried her.
Wäre es nicht besser, "me culpa" zu denken (wenn schon nicht zu sagen) und aus jedem Hinweis auf einen Fehler zu lernen? Oh, Verzeihung! Lernen kommt nicht in Frage, denn das hieße ja, seine eigene Fehlerhaftigkeit einzugestehen. Also schlägt der des Fehlers Überführte nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" verbal auf den Korrektor ein. Er wird von anderen Forumsteilnehmern daran nicht gehindert, sondern darf sich sogar deren Zustimmung sicher sein. Einigkeit darüber, dass Rechtschreibfehler lässliche Sünden seien, ist Pflicht, um sich beim nächsten eigenen Rechtschreibfehler auch umgekehrt der Solidarität der rechtschreibschwachen Mehrheit sicher sein zu können.
Herr Champollion hat früher viel häufiger Fehler beanstandet. Dass er trotz immer wieder an ihn gerichteter Bitten, im eigenen Interesse davon abzulassen, nicht ganz damit aufgehört hat, ist manchen ein Ärgernis. Aber ich finde es, wenn es sich auf gravierendere Fälle beschränkt, eher positiv. Denn weil bekanntlich steter Tropfen den Stein höhlt, ist doch zu hoffen, dass wenigstens ab und zu mal einer seinen Fehler einsieht und künftig besser auf richtige Schreibung achtet.
Selbstverständlich kann jedem gelegentlich ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Aber wie man meistens unschwer erkennen kann, sind die meisten Rechtschreibfehler keine Flüchtigkeitsfehler. Außerdem unterlaufen manchen Menschen Flüchtigkeitsfehler nicht gelegentlich, sonder häufig. Ein Beispiel dafür wäre dieses Zitat aus dem vorherigen Beitrag:
"Ich habe den Verdacht das unser vereehrter Musikhersteller einfach nicht ruhen KANN, wenn ihm ein Testfehler auffällt.“ 1. Flüchtigkeitsfehler = fehlendes Komma nach "Verdacht"; 2. Flüchtigkeitsfehler = "das" statt "dass" nach dem Wort "Verdacht"; 3. Flüchtigkeitsfehler = "vereehrter" mit einem "e" zuviel; 4. Flüchtigkeitsfehler = "Testfehler" statt richtig "Textfehler". Deshalb sollte jeder, der (z.B. von Herrn Champollion) auf einen Fehler aufmerksam gemacht wird, sich vor langen Entgegnungen zur Rechtfertigung hüten, weil er mit zunehmender Textlänge auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, viele weitere Fehler zu produzieren. Kein Flüchtigkeits-, sondern ein vermutlich durch Formulierungsschlampigkeit entstandener grober semantischer Fehler hingegen ist im obigen Zitat die Bezeichnung "Musikhersteller" für jemanden, der nicht Musik herstellt, sondern Instrumente zur Herstellung von Musik.
Sie fragen, warum ich das anprangere? Weil ich der Meinung bin, dass vernünftiges Denken nur mit korrekter Formulierung möglich ist und Schlampigkeiten in der Wortwahl, der Grammatik und der Rechtschreibung die Präzision der Aussage (des Inhalts) beeinträchtigen. Die schärfsten Denker – egal, ob Natur- oder Geisteswissenschaftler – zeichneten sich in der Regel auch durch eine auffallend korrekte Sprache aus.
Schließlich noch ein Hinweis zur Rechtschreibung, der bitte als Lernhilfe verstanden werde sollte und deshalb um eine Erläuterung ergänzt wird:
Man schreibt nicht nur Lapsus (= Fehler) mit p, sondern auch Proband mit d. Im Lateinischen bedeutet die im Deutschen auf "...ant" verkürzte Endung "...antus", dass der oder das so Bezeichnete etwas macht oder gemacht hat oder etwas an ihm geschehen ist, z.B. Diskutant = einer, der diskutiert (hat), Exilant = einer, der verbannt worden ist, Kombattant = einer, der (mit)gekämpft hat, Musikant = einer, der musiziert (hat), Dilettant = einer, der sich unfachmännisch verhält, Garant = einer, der Garantie leistet. Dagegen bedeutet die im Deutschen auf "...and" (auch "...und") verkürzte Endung "...andus" ("...undus"), dass an oder mit dem so bezeichneten etwas zu geschehen hat, z.B. Multiplikand = Zahl, mit der zu multiplizieren ist, Doktorand = einer, der zum Doktor ernannt (promoviert) werden soll, Proband = einer, der zu (über)prüfen ist; noch ein Beispiel für "...undus": Moribundus = der zum Sterben Verurteilte, einer, der sterben muss.
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