Winfried, auch ich teile Ihre Begeisterung für das Zeiss 30x60 BGA, wobei ich allerdings nicht sagen kann, daß das Spiegelteleskop ein Diascope 65 FL so einfach in allen Belangen wegputzt. Die Randschärfe des 30x60 erscheint auch mir, je nach Okular am Diascope in unterschiedlicher Ausprägung, besser. Soweit meine Rot-Grün-Schwäche ein Urteil zuläßt, kann ich dem 30x60 auch attestieren, daß es keine für mich wahrnehmbaren Farbfehler zeigt, die ich beim Diascope in einigen Situationen provozieren kann. Aber bei der Bildhelligkeit und vielleicht auch dem Kontrast, obwohl die Diascope ja auch keine Kontrastwunder sind, ist das 30x60 schlechter. Das Bild im Diascope erscheint mir brillanter. Mein Exemplar des 30x60 BGA hat vor 2 oder 3 Jahren über Herrn Schön seinen Weg zu mir gefunden, so daß ich davon ausgehe, daß keine unentdeckte, leistungsmindernde Störung vorliegt. Es wurde im Jahr 1984 produziert, ist also nun bereits 26 Jahre alt. Aber nicht nur dafür ist die optische Leistung beachtenswert. Das Konzept des Spiegelteleskops bietet einfach einige Vorzüge, wie Sie ja schon bemerkten. Mir fällt dabei noch ein, daß so der qualitätsmindernde und schwere Prismenumkehrsatz der modernen Spektive umgangen werden kann.
Allerdings muß man auch mit einigen Einschränkungen im Vergleich zu aktuellen Spektiven leben. Da wäre die vergleichsweise geringe Transmission von wohl weniger als 80 Prozent, die hauptsächlich der damals verwendeten Spiegelbeschichtung mit vergleichsweise geringer Reflektivität und nur zu sehr geringem Teil der Einfachbeschichtung der Linsen geschuldet ist. Die Nahgrenze von 16 m ist in meinem Fall deutlich zu groß für viele interessante Anwendungen. Der Einblickkomfort ist für mich nicht so hoch wie beim Diascope. Ich muß mich mehr konzentrieren, um abschattungsfrei das volle Sehfeld übersehen zu können. Die Geradsichtkonstruktion schränkt gemeinsam mit der kleinen, noch dazu ja im Zentrum beschnittenen Austrittspupille und der niedrigen Transmission den astronomischen Einsatz stark ein. Wobei wir bei der Beschränkung auf eine fest montierte Okularbrennweite wären. Da sind die Ansprüche der meisten Nutzer heute schon höher. Weiter geht es damit, daß das Gerät nicht wasserdicht und wohl vor allem aufgrund der fragilen Spiegel und ihrer Justierung bei weitem nicht so robust wie ein Diascope ist. Ich denke, auch wenn Leute wie wir das 30x60 sehr schätzen, fordert der Markt inzwischen anderes.
Das Zeiss 30x60 BGA ist aber wirklich ein tolles Teil. Die Optik ist sehr gut und die Mechanik durchdacht und solide, wenn wir von der Motorfokussierung und der dafür nötigen Anschlußöffnung im Gehäuse einmal absehen, die eine Schwachstelle für das Eindringen von Staub oder Feuchtigkeit darstellt. Allerdings ist der dort angebrachte Verschlußmechanismus ein wertiges und praktisches Detail, gerade heute, wo es nicht einmal mehr Stativanschluß-, Filtergewinde oder gar Augenabstandsskalen an Ferngläsern gibt. Das klassische Zeiss 30x60 BGA ist in hervorragender Qualität ausgeführt. Die verwendeten Materialen und ihre Verarbeitung sind ausgezeichnet. Das kann man leider von aktuellen Geräten nicht immer behaupten. Auch nach einem Vierteljahrhundert sind keine deutlichen Gebrauchspuren oder Verschleiß zu erkennen. Einzig der Fokussierring war an einer Stelle, die durch eine Madenschraube geschwächt ist, angerissen. Von Zeiss gab es nach 24 Jahren sofort kulanten Ersatz inklusive Schrauben zur Selbstmontage. Das Gerät glänzt aber auch durch seine sehr kompakten Abmessungen(ca. 22 cm Länge) und sein äußerst geringes Gewicht(ca. 975 g, etwa soviel wie ein Kowa Prominar und weniger als ein 50er Ultravid), was die Mitnahme in fast allen Situationen ermöglicht und die Haptik nicht leiden läßt, im Gegenteil. Aus diesen Gründen werde ich, wie Herr Schön es allerdings auch einst von sich behauptete, das 30x60 (so schnell) wohl nicht mehr hergeben. Es ist zwar ein Oldie, der als Klassiker aber nach wie vor fahrbereit und auf vielen Rennstrecken immer noch durchaus wettbewerbsfähig ist.
Ich denke, daß das Konzept vielleicht in ein modernes Gerät übertragen hätte werden sollen, wenn man die aufwendige Justierung dauerhaft stabil und das Ganze ausreichend robust zu am Markt umsetzbaren Kosten hinbekäme. Die Reflektivität der Verspiegelung wäre heute ja gar kein Thema mehr. Ein Format 30x65 oder sogar 30x70 wäre für meinen Geschmack optimal. Aber das Original, so wunderbar es ist, bringt für einige Anwendungen schon Einschränkungen mit sich, und die Stärke der modernen Spektive liegt doch gerade darin, daß die Dinger optisch sehr gut und dabei so robust und so vielseitig einsetzbar und auch noch ausbaufähig sind.
Winfried, da ich nie so akribisch optische Vergleiche mit dem Zeiss 30x60 BGA angestellt habe, würde ich mich freuen, wenn Sie kurz die Vorgehensweise bei Ihren Vergleichstest nachvollziehbar beschreiben und die Ergebnisse im Bezug auf die optischen Eigenschaften etwas detaillierter darstellen könnten. Mit diesem Interesse stehe ich hier im Forum sicherlich nicht allein.
Klassikergrüße
Jan Münzer