Hallo Hr. Münzer,
Ihren Bemerkungen kann ich als Amateurastronom nur zustimmen.
Der Vorteil des Spiegelteleskops im Vergleich zum Linsenfernrohr liegt vor allem in der kompakten Bauweise, vorausgesetzt natürlich, es handelt sich um eine Variante des Cassegrains wie der klassische Cassegrain, der Dall-Kirkham, der Gregory-Cassegrain, der Schmidt-Cassegrain, der Maksutov-Cassegrain und der Gregory-Maksutov-Cassegrain, um nur einige zu nennen. Das verbreiteste Spiegelteleskop, der Newton, ist allerdings keineswegs ein Kompaktteleskop, ebensowenig wie der eher seltene Schiefspiegler.
Reine Spiegelfernrohre sind völlig farbfehlerfrei, selbst die sogenannten katadioptrischen Geräte ( Spiegel und Linsen werden verwendet, Beispiele sind der Schmidt-Cassegrain oder der Maksutov-Cassegrain ) haben in der Regel einen kaum feststellbaren Farblängsfehler. Wenn man durch diese Geräte noch chromatische Aberrationen sieht, liegt es in der Regel am Okular.
Trotzdem ist das Spiegelteleskop keineswegs der Stein der Weisen.
Zunächst einmal bleibt die Gesamt-Transmission der Spiegelteleskope auch heute noch zweitklassig, wenn man sie mit den besten Objektiven vergleicht. Bei astronomischen Geräten haben selbst die besten Teleskop(haupt)spiegel kaum mehr als 90% Reflexion, das gleiche gilt meist für den Fangspiegel. Das liegt daran, dass hochreflektive dielektrische Beschichtungen nur bei Planspiegeln möglich sind, hochgenaue parabolische, sphärische oder elliptische Oberflächen können aber nach dem heutigen Stand der Technik nicht mit einer entsprechenden Schicht versehen werden, ohne dass die Oberflächengenauigkeit leidet.
Lichtverluste durch die Schmidtplatte bzw. den Maksutovmeniskus kommen hinzu, der Fangspiegel im Strahlengang schluckt weiteres Licht. Die Konsequenz ist, dass ein Spiegelfernrohr maximal ca. 85% Transmission ( ohne den Lichtverlust durch die Okulare! ) erreichen kann, das Bild ist also grundsätzlich deutlich dunkler als beim hochwertigen Linsenfernrohr ( mind. 95% Transmission ) gleicher Öffnung.
Dazu kommt, dass der, außer beim Schiefspiegler, immer vorhandene Fangspiegel den Bildkontrast merklich verschlechtert, Stichwort Obstruktion. Je größer der Fangspiegel im Verhältnis zur Öffnung ist, desto stärker ist der Kontrastverlust.
Ein letzter Punkt darf nicht unerwähnt bleiben. Jede Cassegrain-Variante hat Probleme mit Falschlicht. Je nach Konstruktion der Blendrohre fällt mehr oder weniger Licht von vorn direkt ins Okular, was ebenfalls zum Kontrastverlust führt. Diese sogenannte "Tagblindheit" kann man durch entsprechende Dimensionierung der Blendrohre zwar minimieren, handelt sich dann aber notgedungen andere Nachteile wie Vergrößerung der Obstruktion ( starker Kontrastverlust ) bzw. Verkleinerung des ausgeleuchteten Feldes ( das max. mögliche Sehfeld wird zu klein ) ein. Kurz und gut, die Dimensionierung der Blendrohre ist führt immer zu einem Kompromiss, was die optische Leistung angeht. Großes Sehfeld, geringe Obstruktion und kein Falschlicht, das geht einfach nicht!
Da man heute fast perfekt farbreine, kurzbrennweitige Objektive im Bereich von 60 - 100mm Öffnung zu vertretbarem Preis herstellen kann, sehe ich absolut keinen Grund dafür, das Spiegelfernrohr im Spektivbereich wiederzubeleben. Bei größeren Geräten sieht es natürlich ganz anders aus: Ein Spiegelteleskop mit 200mm Öffnung ist preiswert herstellbar und heutzutage Standard, ein ähnlich farbreiner 200mm apochromatischer Refraktor ist hingegen nahezu unerschwinglich ( ca. 20facher Preis! ), hier hat der Sternfreund eigentlich keine Wahl.
Beste Grüße
Manfred Müllers
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 15.04.10 22:28.